Hochsensibilität als Erfolgsfaktor im Business 

Foto: Susanne Kästner ©Miriam Coburger
Foto: Susanne Kästner ©Miriam Coburger

Lange dachte ich, um beruflich erfolgreich zu sein, müsse ich härter, schneller und belastbarer werden. Meetings, ständige Unterbrechungen, ein lautes Großraumbüro – das war der Preis für Karriere. Ich passte mich an, funktionierte, lieferte ab. Bis ich nach über 20 Jahren im Marketing merkte: Ich war nicht zu sensibel für den Job. Der Job war zu laut für meine Art zu arbeiten. Hochsensibilität ist keine Schwäche, die man wegtrainieren muss. Sie ist eine Wahrnehmungsfähigkeit, die in der richtigen Umgebung zur Stärke wird. 

Ein Gastbeitrag von Susanne Kästner

In modernen Arbeitswelten dominieren Geschwindigkeit, Multitasking und Durchhaltevermögen. Dabei wird eine andere Fähigkeit systematisch übersehen: die Gabe, Zwischentöne zu hören, Stimmungen zu spüren und Entwicklungen zu erkennen, bevor sie offensichtlich werden. Hochsensible Mitarbeitende verarbeiten Informationen tiefer, denken vernetzter und bringen Lösungen ein, die andere noch nicht sehen. Das Problem: Wenn das Großraumbüro summt, drei Themen parallel laufen und Unterbrechungen zur Normalität gehören, geht dieser Zugang verloren. Nicht die Kompetenz. Nur der Zugang zu ihr. 

Hochsensible Menschen arbeiten nicht weniger leistungsfähig. Sie arbeiten anders. Der Unterschied liegt in den Bedingungen. Für mich war das Homeoffice der entscheidende Moment. Plötzlich war da Stille. Ich spürte, wie klar ich denken konnte, wenn ich Raum hatte. Wie kreativ ich wurde, wenn ich mich nicht ständig abschirmen musste. 

Was hochsensible Mitarbeitende brauchen, sind keine Sonderprivilegien. Es sind klare Strukturen, Rückzugsmöglichkeiten und die Erlaubnis, fokussiert zu arbeiten. Führungskräfte, die das verstehen, setzen auf empathische Kommunikation und eigenverantwortliches Arbeiten. Das bedeutet konkret: weniger parallele Aufgaben, mehr Raum für Tiefe, klare Erwartungen statt ständiger Kurswechsel. Unternehmen, die das ermöglichen, profitieren von Menschen, die vorausdenken, Risiken früh erkennen und Lösungen entwickeln, die nachhaltig wirken. 

Auch für selbstständige Unternehmerinnen lohnt sich der Perspektivwechsel. Wer die eigene Wahrnehmung ernst nimmt und die Arbeit daran ausrichtet, steigert Klarheit, Fokus und die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, die sich richtig anfühlen. Ich habe gelernt, meine Energie zu managen, Grenzen zu setzen und Arbeitsabläufe so zu gestalten, dass sie mir Kraft geben. Das war kein Luxus, sondern die Grundlage für langfristige Leistungsfähigkeit. 

Heute begleite ich hochsensible Frauen dabei, ihre Sensibilität als Ressource zu leben. Klar, bewusst und selbstbestimmt. Ohne sich zu verbiegen. 

Hochsensibilität ist kein Makel, der kompensiert werden muss. Sie ist eine Fähigkeit, die reflektiertes Handeln, tiefe Kreativität und echte Innovationskraft ermöglicht. Unternehmen, die das erkennen, sichern sich Mitarbeitende, die nicht nur reagieren, sondern vorausdenken. Die nicht nur funktionieren, sondern gestalten. Denn am Ende geht es darum, Arbeitswelten zu schaffen, in denen unterschiedliche Wahrnehmungen ihren Platz haben. Und genau das ist ein Wettbewerbsvorteil. 

Zur Person: Susanne Kästner ist Empowerment- und Business-Coach für hochsensible Frauen. Nach über 20 Jahren im Marketing erkannte sie ihre eigene Sensibilität als Stärke. Heute begleitet sie Frauen dabei, in ihre volle Wirksamkeit zu kommen. Weitere Infos unter: www.susannekaestner.com 

Diesen Artikel teilen

Schreibe einen Kommentar

Anzeige
Verena Hubertz

Neue Ausgabe

Verena Hubertz ist eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Spitzenpolitik: mit 37 Jahren schon Bundesministerin im Bauressort, noch dazu mit einem Background als erfolgreiche Firmengründerin. Hier spricht eine Politikerin, die wirklich etwas bewegen will. Ab 14. Oktober im Handel oder im Shop schon heute digital lesen.