Hyperfokus-Hangover: Darf Sichtbarkeit Pause machen? 

Foto: Deagreez/iStock Frau vor einem Bildschirm meditierend
Foto: Deagreez/iStock

Acht Monate Vollgas: Die Pflege meines Vaters organisieren, Unfall, Krankenhaus, Reha, Pflege, nochmal Krankenhaus, Tod, Trauer. Die neue Wohnung, einpacken, umziehen, auspacken. Dann Hochzeit planen, Hochzeit feiern, Hochzeitsreise, im neuen Alltag ankommen. Dann der Macherinnen-Award: organisieren, organisieren, organisieren, feiern, und BÄM. Alles geschafft! Und jetzt? 

Kurz maximal verkriechen, das wär’s jetzt eigentlich. Gleichzeitig habe ich schon wieder viele neue Ideen, dass ich am liebsten weiterrennen würde. Aber ich merke auch: Ich muss mal eben kurz durchatmen! 

Im Netz bin ich kürzlich über ein schönes Wort gestolpert: Hyperfokus-Hangover. 

Das bringt es auf den Punkt, oder? Weil nicht gleich die Rede ist von Belastungsdepression oder so etwas. Nein, das ist es nicht. Es ist nur: Mal den Stress wegschlafen. Mal mit einem Kaffee in der Hand dem Rhein beim Fließen zugucken. Cortisol abbauen. Die Hirnchemie zurück in Balance bringen. Hyperfokus-Hangover auskurieren ist letztlich Biochemie. 

Und trotzdem steht da was im Kalender: PR-Strategien für Kunden entwickeln, PR-Pitches bei Medien. Posten. Kommentieren. Newsletter schreiben. Kommunikation machen. Sichtbarkeit herstellen. Das Internet hat keinen Feierabend, keinen Urlaub, die Plattformen verlangen permanenten Input. Das Fließband der Ökonomie der Aufmerksamkeit läuft und läuft. Aber eine Agentur für Sichtbarkeit wie DREI BRUEDER ist keine stumpfe Maschine. Ich auch nicht. Zum Glück nicht! Aber ein seltsames Gefühl ist es doch, einfach mal abzuschalten. Und man fragt sich ja auch: 

Geht das überhaupt? Darf Sichtbarkeit Pause machen? Oder ist gerade das Sommerloch DIE Chance, um mehr sichtbar zu werden? 

Mein Eindruck: Gerade jetzt im Sommer haben viele Menschen eigentlich Zeit, sich mehr um ihre persönliche Sichtbarkeit zu kümmern – aber keine Energie. Und aus der eigentlich supergesunden „Sommerpause“ wird dann schnell ein schlechtes Gewissen. Das tut nicht gut: Dir tut es nicht gut, und deiner Sichtbarkeit auch nicht.  

Weil du beginnst, Sichtbarkeit als Pflicht zu empfinden. 
Weil du dich zeigst, obwohl du dich selbst kaum mehr spürst und eigentlich keine Lust hast, wieder 42 Kommentare zu schreiben. 

Deshalb mein Punkt: Wenn du sichtbar sein willst, musst du auch die Energie haben, wirklich und authentisch präsent zu sein. Du brauchst Energie für Schlagfertigkeit, für coole Formulierungen und dafür, klug zwischen den Zeilen zu lesen. Du brauchst ein dickes Fell, wenn jemand mal wieder seltsam in Deine Kommentarspalte reingrätscht. Wenn du das alles gerade nicht hast, weil Du im Hyperfokus-Hangover hängst: Mach doch mal Pause! Wie heißt es so schön: 

Stick to your energy. Not to your plan. 

Hier habe ich noch drei Ideen für deine Sichtbarkeit – falls du auch gerade auf halber Kraft läufst: 

1. Acting is reacting. Hollywood-Weisheit für Schauspieler. Passt aber gut! Denn es heißt, übertragen: Dein kluger Kommentar unter dem Beitrag von jemand anderem macht Dich auch sichtbar! 

2. Play it again… Du hast das Thema schon mal gesagt? Gut. Sag es nochmal. Kommunikation lebt von Wiederholung. 

3. Digital detox light. Du musst ja nicht gleich alles abschalten. Aber eine Weile ein bisschen weniger Stories, Postings und Co. sind auch in Ordnung. 

Zum Schluss noch ein Gedanke von Hannah Arendt („Vom Leben des Geistes“):  

„Nur der Zuschauer und nie  
der Schauspieler (kann) wissen  
und verstehen (…), was sich  
als Schauspiel darbietet.“  

Es ist also klug, sich immer mal von der Bühne wegzubewegen und mit etwas mehr innerem Abstand zu beobachten: Was wird im Netz, in den klassischen Medien diskutiert? Wie? Von wem? Nach einer Weile bekommst Du ein Gespür für das Momentum im öffentlichen Raum. Das ist wichtig. Denn Deine eigene Sichtbarkeit lebt von diesem Momentum! Es zählt schließlich nicht nur, WAS Du postest, sondern vor allem auch: WANN. Insofern: Schalte ich, wenn ich jetzt dem Rhein beim Fließen zugucke und parallel im Handy gemütlich Zeitung lese, schon wieder nicht ab? Dann is et halt so. 

Ich teile das hier, weil dies mein erster Hyperfokus-Hangover ist, den ich so richtig fühle…  
Wie geht’s dir gerade? Sichtbar sein und gleichzeitig bei dir bleiben – gelingt dir das?  

  

Zur Person: Dr. Marie-Christine Frank ist Expertin für strategische Kommunikation, Community-Building und Sichtbarkeit. Als Gründerin der Agentur für strategische Kommunikation und Beratung Drei Brueder hat sie sich darauf spezialisiert, Persönlichkeiten, Initiativen und Unternehmen sichtbar zu machen – mit einem klaren Fokus auf Diversität und gesellschaftlichen Wandel. Mit den Macherinnen, dem größten Kölner Business-Netzwerk für Frauen, hat sie eine Plattform geschaffen, die Frauen branchenübergreifend vernetzt und stärkt. Für ihr Engagement wurde sie 2023 mit der Urkunde für Bürgerschaftliches Engagement der Stadt Köln geehrt. Als Initiatorin des SPKR CLUB, einer Plattform für außergewöhnliche Speaker:innen, arbeitet sie daran, neue Stimmen und Vielfalt auf Bühnen und in die Debatten zu bringen. In ihrer Kolumne für Courage teilt sie ihre besten Tipps für mehr Sichtbarkeit und Impact – because visibility matters.

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