„Ich mache das nicht als Charity“

Foto: Stories by Julia Gründerin Cathrine Schorp Liberi
Foto: Stories by Julia

Einen Kinderarzt finden, einen Kita-Platz organisieren, einen Schwimmkurs buchen: Beruflich eingespannte Eltern kommen mit den Terminen für den Nachwuchs oft kaum hinterher. Cathrine Schorp verspricht Abhilfe, mit ihrer Münchner Nanny-Agentur Liberi.

von Marika Schaertl

Courage: Frau Schorp, was beinhaltet Ihr Rundum-sorglos-Paket für Eltern?

Cathrine Schorp: Mein Job beginnt schon, wenn der Schwangerschaftstest einer Mutter positiv ist. Der erste wichtige Schritt ist, eine Hebamme zu finden – in München gibt es einen großen Mangel. Dazu kommt die Organisation eines Kinderarztes. Dann die Planung, wie die Eltern in Elternzeit gehen, später der Wiedereinstieg in den Job. Dazu die Suche nach der perfekten Kinderbetreuung, die ich bis zu zehn Jahre lang begleite und die essenziell ist, auch um das Arbeits­leben der Eltern zu sichern. All das versuche ich für beide Elternteile gut zu organisieren. Ich habe es geschafft, ein Netzwerk zu starten. Das fängt schon bei meinen Flyern in den Arztpraxen an. 

Wie entstand Ihre Start-up-Idee?

Ich bin 2012 aus Nordrhein-Westfalen nach München gezogen, nachdem ich lange bei einer Unternehmensberatung gearbeitet hatte. 2015 wurde ich schwanger und hatte eine Fehlgeburt. Dabei konnte ich zum Glück auf die Unterstützung durch Hebammen zurückgreifen. Als ich dann erneut schwanger war, habe ich vor allem durch meine Patentante viele weitere Tipps bekommen. Sie war über 40 Jahre Kinderkrankenschwester und konnte alle meine Fragen beantworten. Ich habe gemerkt: So eine Unterstützung hat nicht jede Frau und junge Familie in München. So entstand vor zehn Jahren meine Businessidee.

Hat das sofort funktioniert? Sie waren ja Quereinsteigerin.

Es war vor allem schwierig, als junge Mutter Gründerin zu werden. Meine Tochter war damals zwei, drei Monate alt. Wenn mein Baby geschlafen hat, habe ich jede Sekunde genutzt, um zu arbeiten. Nach anderthalb Jahren war ich aus dem Gröbsten raus.

Woher kam Ihr Startkapital?

Ich hatte keine Investoren, nicht mal ein Büro. Ich habe aus meinen Ersparnissen in mich selbst investiert.

Der Schwerpunkt Ihrer Agentur ist die Nanny-Vermittlung. Wie kann ich mir ­eine Ihrer Nannys vorstellen?

Die Nannys sind von 22 bis Ende 60 Jahre alt – Studentinnen, Kinderkrankenschwestern, Erzieherinnen und Quereinsteigerinnen. Ich habe zurzeit über 150 Nannys im Portfolio und betreue immer etwa 50 Familien parallel. Zu fast 95 Prozent sind unsere Nannys mehrsprachig, zumindest Deutsch und Englisch sprechen sie. Viele Familien wünschen sich Native Speaker. Und wenn die dann noch fähig sind, mal schnell Spaghetti Bolognese zu kochen oder einen Kuchen zu backen, ist das schon die halbe Miete. Meine Herausforderung ist es, den Eltern den Job abzunehmen, die beste Betreuungsperson für ihr Kind zu finden. Der Job einer Nanny ist oft sehr intim, da sie sehr nah in der Familie ist.

Die Nannys verdienen bis zu 700 Euro pro Tag. Das muss man sich leisten können.

Nicht jede Nanny bekommt 700 Euro. So viel verdient zum Beispiel eine 24 Stunden erreichbare Maternity-Nurse. Sie hat eine entsprechende Ausbildung, versorgt ein Baby bis zum dritten Lebensmonat. Eine Vollzeit-Nanny kostet etwa 500 Euro brutto. Das leisten sich Familien, die den Mehrwert sehen.

Wer sind Ihre Kundinnen und Kunden?

Profifußballer, Top-Gastronomen, Ärzte, Unternehmer, Steuerberaterinnen, Unternehmensberaterinnen. Leute, die beruflich stark eingebunden sind und ­toughe, krasse Jobs haben. In der Kundenkartei sind auch viele Ärztepaare. Wenn beide als Chirurgen operieren, muss das Kind, wenn es im Kindergarten von der Schaukel fällt, von der Nanny abgeholt werden. Ich habe Fälle, wo eine Familie ein zweites Kind bekommt, keine Großeltern vor Ort sind oder der Vater nicht täglich in München arbeitet. Für die Mutter ist es dann schwierig, beide Kinder zu versorgen. Da ist eine helfende Hand wertvoll.

Wie lukrativ ist das Ganze für Sie selbst?

Ich verdiene ganz gut damit. Mein Umsatz ist sechsstellig. Über konkrete Zahlen mag ich nicht sprechen, aber ich mache das nicht als Charity. Dadurch, dass ich selbstständig bin und eine gute Flexibilität in meinem Job habe, kann ich mir ein sehr gutes Vollzeiteinkommen erarbeiten, mit dem man in einer teuren Stadt wie München gut leben kann. Mittlerweile ist mein Business zudem so groß, dass ich darüber nachdenke, es in weiteren Städten aufzuziehen.

Wonach wählen Sie die Nannys für eine bestimmte Familie aus?

Das Allerwichtigste ist die Sympathie. Man muss mit den Kindern gut auskommen. Das kann ich nur bedingt beeinflussen. Es hilft, wenn die Nanny eine pädagogische Ausbildung hat. Ich schicke erst mal die Eckdaten der Nanny an die Eltern, versuche viel herauszufinden, selektiere, frage: Wer passt wohin? Ein Drama hatte ich noch nie. Ich habe noch nie eine Nanny storniert.

Wie ticken die Kinder in reichen Familien?

Egal wie die Familie ist, alle Kinder, ob in Luxus- oder H & M-Klamotten, freuen sich, wenn die Nanny Zeit mit ihnen verbringt. Ob sie Lachsfilet oder Pommes vorgesetzt bekommen – sie freuen sich, wenn ihnen vorgelesen oder mit ihnen gespielt wird. Quality Time zählt.

Trotzdem können die Nannys nicht alles machen. Wo liegen die Grenzen?

Schwierig wird es, wenn die Eltern etwas sehr Spezielles suchen. Manchmal soll die Nanny zum Beispiel Feedback-Gespräche mit der Krippe und im Kindergarten führen. Ich hatte auch schon den Fall, dass eine Nanny im Krankenhaus ein Kind betreuen sollte, das einen Unfall hatte. So etwas geht natürlich nicht. Wenn sich ein Kind beim Spielen den Arm bricht und die Eltern sagen: „Soll doch die Nanny mal machen“, dann muss ich einschreiten und klären, dass die Nanny keine medizinische Entscheidung treffen kann. Die Nanny kann weder die Eltern noch Oma und Opa komplett ersetzen. 

Das heißt, die Auftraggeber haben auch schräge Bedürfnisse. Was erleben Sie da noch?

Natürlich kommt es vor, dass eine Familie gleich zwei Nannys mit in den Urlaub nimmt. In manchen Fällen wünschen sich Eltern auch eine Nanny ab sofort. Zum Beispiel, wenn die Krippenbetreuung spontan ausfällt. Hier versuche ich natürlich immer, schnell eine Lösung zu finden, das Beste für die Familien rauszuholen – aber auch aufzuklären, wie der Job für die Nannys fair abläuft.

Kommt es zu Eifersüchteleien, wenn die Kids lieber mit der Nanny spielen als mit den Eltern?

Es gibt schon Situationen, wo es in der ­Familie zu Eifersuchtsszenen kommt, obwohl die Nanny nur ihren Job gemacht hat. Denn die Nannys bauen tatsächlich eine starke Bindung zu den Kindern auf. Ich hatte gerade einen den Fall, da war ein Kind nicht mal ein Jahr alt, als es seine Nanny hatte. Und jetzt, im Grundschulalter, hat es sie wiedergesehen, sofort erkannt und ist ihr richtig in die Arme gefallen. Das war total schön. Trotzdem muss die Betreuung immer ein Job bleiben. Eine Herausforderung für die Nanny ist es daher, die richtige Distanz zu wahren und trotzdem eine enge Bezugsperson zu sein. 

Die berühmten Londoner Norland Nannys sind eine richtige Marke. Da werden die Nannys in einem eigenen College ausgebildet. Royals und die britische Upperclass holen sich dort ihre Kinderfrauen, die ­beige Kostüme und Hütchen tragen. Fragen Ihre Millionärskunden auch so was nach?

Nein, so viel Steifheit braucht es bei uns nicht. Für die Kinder ist es ohnehin egal, ob die Nanny ein Kostüm, einen Cashmere-Pulli oder ein Sweatshirt trägt: Wichtig ist, dass die Familie sich mit ihr wohlfühlt und die Kinder mit ihr Spaß haben. 

Diesen Artikel teilen

Die Kommentare sind geschlossen.

Anzeige
Foto: Nina Ruge

Neue Ausgabe!

Lehrerin, TV-Moderatorin, Longevity-Expertin: Nina Ruge hat sich in ihrer Karriere oft neu erfunden. Ihrer Lebenseinstellung ist sie jedoch stets treu geblieben: sein Bestes geben, aus Niederlagen lernen und seinem Leben Sinn und Tiefe geben. Ein Interview über gesundes Altern, rebellische Teenagerphasen und erlernte Sparsamkeit. Ab 12. August im Handel oder im Shop schon heute digital lesen.