Ina Schlie und Nina Stegmann: „Wir öffnen Türen für Gründerinnen“

Foto: Ina Schlie (l.), Nina Stegmann
Foto: Ina Schlie (l.), Nina Stegmann

Noch immer fließt der Großteil von Venture Capital in Start-ups, die von Männern geführt werden. Mit encourageventures e.V. wollen Ina Schlie und Nina Stegmann das ändern. Im Doppelinterview mit Courage sprechen die beiden Co-Vorsitzenden über ihre Motivation, den Status quo in der Finanzwelt aufzubrechen, und darüber, wie ihr Netzwerk Gründerinnen auf dem Weg zum eigenen Unternehmen unterstützt – finanziell, strategisch und ganz praktisch.

Courage: Wie haben Sie selbst die Finanz- und Start-up-Welt erlebt – und was würden Sie heute anders machen?

Nina Stegmann:Ich habe die Start-up-Welt als inspirierend, aber auch herausfordernd erlebt. Gerade als Gründerin musste ich schnell lernen, wie wichtig ein gutes Netzwerk und Sichtbarkeit sind. Viele Türen öffnen sich nicht von allein – besonders nicht für Frauen. Rückblickend würde ich mir früher zutrauen, gezielter nach Unterstützungsangeboten zu fragen. Denn Erfolg beginnt oft genau dort, wo Mut auf Beharrlichkeit trifft.

Worin unterscheidet sich encourageventures e.V. von klassischen Venture-Capital-Fonds oder Angel-Investorennetzwerken?

Ina Schlie: encourageventures e.V. ist kein klassischer Fonds oder ein klassisches Angel-Netzwerk – sondern ein wachsendes Ecosystem engagierter Investor:innen, Gründer:innen, Expert:innen, Wissenschaftlerinnen und Topmanager:innen aus der Corporate-Welt. Unsere Mitglieder teilen nicht nur Kapital, sondern auch Wissen, Kontakte und Haltung. Wir schaffen einen Raum, in dem Gründer:innen sichtbar werden, Zugang zu Kapital, Wissen und Kund:innen erhalten und auf Augenhöhe begleitet werden – von der Idee bis zum Exit. Was uns besonders macht: Wir kombinieren wirtschaftliche Kompetenz mit einem starken Wertefundament und wirken so gemeinsam für mehr Vielfalt in der Gründungs- und Investmentlandschaft.

Was hat Sie persönlich motiviert, sich bei encourageventures e.V. zu engagieren?

Nina Stegmann: Mich motiviert der Wunsch, die strukturellen Barrieren für Gründerinnen aktiv zu verändern – nicht irgendwann, sondern jetzt. Ich möchte nicht nur zuschauen, wie das Potenzial ganzer Gründer:innen-Generationen ungenutzt bleibt. encourageventures e.V. gibt mir die Möglichkeit, ganz konkret etwas zu bewirken: Türen zu öffnen, Chancen zu schaffen und Perspektiven zu erweitern.

Welches war Ihr größter Erfolg, welches Ihr größter Misserfolg?

Ina Schlie: Im Verlauf meiner Karriere hatte und habe ich die Möglichkeit, viele verschiedene Aufgaben wahrzunehmen – vom Topmanagement bei der SAP SE über Aufsichtsratsmandate in unterschiedlichsten Unternehmen und Institutionen bis hin zur Lehrbeauftragten an der LMU in München. Ich freue mich, dass ich immer wieder den Mut hatte, etwas ganz Neues anzufangen. Auch die Co-Gründung von encourageventures e.V. und meine Aktivitäten als Business Angel sind sehr erfüllend. Es freut mich, dass wir so viele Menschen mit unserer Begeisterung anstecken können. Mein größter Misserfolg? Vielleicht, dass ich in dem ein oder anderen Gremium die Reißleine früher hätte ziehen sollen. In festgefahrenen Strukturen kann man allein nur wenig bewegen.

Nina Stegmann: Ein großer Erfolg war es, mein eigenes Unternehmen aufzubauen und es zu einem Team von über 20 Menschen zu entwickeln. Mein größter Misserfolg? Vielleicht, dass ich mir anfangs zu oft selbst im Weg stand – das Gefühl, alles allein schaffen zu müssen. Heute weiß ich: Stark ist, wer sich Unterstützung holt.

Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass mehr Frauen nicht nur gründen, sondern auch investieren?

Nina Stegmann: Weil Kapital Macht und Verantwortung bedeutet. Nur wenn mehr Frauen investieren, wird sich auch nachhaltig etwas in der Start-up-Welt verändern. Es geht darum, Vermögen als Hebel zu nutzen – für Innovation, Diversität und gesellschaftlichen Fortschritt. Frauen kontrollieren bald die Hälfte des privaten Vermögens in Europa. Dieses Potenzial dürfen wir nicht ungenutzt lassen.

Wie wählen Sie Start-ups aus, die Sie unterstützen – was muss ein Team oder ein Pitch mitbringen?

Nina Stegmann: Wir achten auf Substanz und Skalierbarkeit – aber auch auf Haltung. Mich überzeugt ein Pitch, wenn ich spüre: Da brennt jemand für seine Idee, kennt die Zielgruppe, hat reflektiert, getestet und daraus gelernt. Ein diverses, komplementäres Team mit klarer Rollenverteilung ist für mich oft ein stärkerer Erfolgsindikator als ein perfekter Businessplan.

Welche Erfolge haben Sie bisher erreicht?

Ina Schlie: In vier Jahren ist aus encourageventures e.V. ein kraftvolles Ecosystem mit über 1.300 divers geführten Community-Start-ups und mehr als 750 Investor:innen entstanden. Wir haben eine Business-Angel- und Startup-Akademie aufgebaut. Über 30 virtuelle Pitch Nights, 150 regionale Meetups, zahlreiche Bildungsformate und unser Mentoring-Programm „InspireYou“ zeigen: Wir sind nicht nur eine gute Idee, wir sind gelebte Wirkung. Darüber hinaus haben wir eine Studie zum Thema Female Investing veröffentlicht und die ein oder andere Female-Founder-Challenge durchgeführt.

Auf welche sind Sie besonders stolz?

Nina Stegmann: Ich bin stolz, Teil dieses Netzwerks zu sein, auch wenn ich selbst erst seit Kurzem Co-Vorsitzende bin. Für mich ist encourageventures e.V. ein echtes Kraftfeld: Hier kommen Menschen zusammen, die Wirkung erzielen wollen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. encourageventures e.V. steht für ein neues Verständnis von Zusammenarbeit: Wir wirken nicht im eigenen Kosmos, sondern vernetzen uns bewusst mit anderen – mit Business-Angel-Initiativen, Sponsoren, Verbänden, der Politik und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Denn wir wissen: Nur gemeinsam schaffen wir es, das Ökosystem wirklich zu verändern – offener, diverser und zukunftsfähiger.

Was ist Ihrer Meinung nach das größte Hindernis für Gründer:innen in Deutschland?

Ina Schlie: Für eine zukunftsfähige Gründerszene in Deutschland sind vor allem zwei Veränderungen nötig: mehr und zielgerichteter Zugang zu Wachstumskapital – mit mutigeren Investor:innen, schnelleren Finanzierungen und diversitätsfördernden VCs. Auch die Bürokratie muss abgebaut werden, damit insbesondere Gründer:innen freier agieren und skalieren können.

Nina Stegmann: Da knüpfe ich an: Ganz klar – Bürokratie, Kapitalzugang und fehlende Sichtbarkeit. Gründer:innen verlieren Zeit mit Formularen, statt sich auf Innovation zu konzentrieren. Frauen erleben zudem zu oft, dass ihr Geschäftsmodell härter hinterfragt wird. Hinzu kommt: Nur 0,1 % des privaten Vermögens in Deutschland fließt in Venture Capital. Das ist ein strukturelles Problem und ein wirtschaftliches Risiko.

Was wünschen Sie sich von der nächsten Generation Gründer:innen?

Nina Stegmann: Mut zur Unabhängigkeit, Lust auf Verantwortung und der Wille, neue Wege zu gehen. Ich wünsche mir Gründer:innen, die Kooperation über Konkurrenz stellen und Nachhaltigkeit nicht als Add-on, sondern als Grundprinzip denken. Und: die selbst zu Investor:innen werden, um den Kreislauf zu durchbrechen.

Ina Schlie: Ich wünsche mir Gründer:innen, die Vielfalt als Stärke begreifen, Verantwortung für nachhaltiges Wirtschaften übernehmen und sich gegenseitig unterstützen. Sichtbarkeit und Förderung – gerade für Frauen und diverse Talente – sind entscheidend. Unternehmertum bedeutet heute auch, gesellschaftlichen Impact mitzugestalten. Wer gründet, gestaltet Zukunft – und genau das erfordert Mut, Haltung und ein starkes Netzwerk.

Welchen besonders wichtigen Ratschlag würden Sie jungen Frauen geben, die gründen oder investieren wollen?

Nina Stegmann: Netzwerkt euch. Baut Verbindungen auf, die euch fachlich und emotional stützen. Glaubt an eure Ideen, auch wenn andere zweifeln. Und: Lasst euch nicht kleinreden. Herausforderungen gehören zum Weg – aber ihr seid stärker, als ihr denkt.

Was ist Ihre persönliche Finanzstrategie – eher sicherheitsorientiert oder eher risikofreudig?

Nina Stegmann: Ich investiere mit Sinn und Strategie. Das heißt: Ich bin bereit, kalkulierte Risiken einzugehen, aber nicht um jeden Preis. Mir ist wichtig, dass mein Kapital nicht nur Rendite erzielt, sondern auch Wirkung entfaltet – also wertebasiert investiert wird.

Ina Schlie: Ich habe mein Investment-Portfolio stark diversifiziert und mich bewusst dazu entschieden, einen Teil meines Vermögens in Startups zu investieren. Das private Geldvermögen in Deutschland beläuft sich auf ca. 9.000 Mrd. Euro, davon werden nur 7 Mrd. Euro pro Jahr in Startups investiert. Das ist viel zu wenig, auch im Vergleich zu anderen Ländern. Ich möchte mit gutem Beispiel vorangehen. Es ist unsere Verantwortung, das Unternehmertum in Deutschland und Europa zu stärken.

Zur Person: Ina Schlie ist eine erfahrene Aufsichtsrätin und Business Angel Investorin mit umfassender Expertise in den Bereichen Digitalisierung und Corporate Innovation. Ihre Karriere begann sie bei KPMG,  bevor sie in leitende Managementpositionen wechselte. Von 2001 bis 2019 war sie Mitglied des Global Leadership Teams bei SAP SE. Dort hatte sie verschiedene Schlüsselpositionen inne, unter anderem als SVP Global Tax und SVP Digital Government, und war an bedeutenden M&A-Transaktionen beteiligt. Seit 2017 ist sie zudem als Business Angel Investorin aktiv und Mitgründerin sowie Co-Vorsitzende von encourageventures e.V. Ina ist Dozentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Mitglied des Universitätsrats der Universität Konstanz und internationale Speakerin zu den Themen Transformation, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Zukunft der Arbeit.

Zur Person: Nina Stegmann ist Gründerin und Geschäftsführerin von Stegmann and Company, einem Unternehmen, das seit 2019 unter dem Motto „Shaping Digital Future – Together“ Organisationen bei ihrer digitalen Transformation unterstützt. Gemeinsam mit ihrem Team versteht sie sich dabei nicht als klassische Beraterin, sondern als Partnerin ihrer Kunden – als Wegbegleiterin, die neue Perspektiven eröffnet und Veränderungen nachhaltig gestaltet. Geboren im niedersächsischen Winsen, bringt Nina Stegmann über 20 Jahre Erfahrung in der Beratung und der Automobilindustrie mit. Stationen bei Robert Bosch, Porsche und SAP haben sie geprägt und ihre Expertise in der Umsetzung komplexer Transformationsprojekte geschärft. Gleichzeitig führten diese Erfahrungen zu der Überzeugung, ihre eigenen Vorstellungen von Zusammenarbeit und Führung in die Tat umzusetzen. 2019 gründete sie somit Stegmann and Company und führt heute ein 10-köpfiges Team in Stuttgart. Für ihre klare, mutige und menschenzentrierte Art, Veränderungen zu gestalten, wurde sie von der Initiative „FRAUEN unternehmen“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz als Vorbild-Unternehmerin ausgezeichnet. Ihr besonderes Anliegen: Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und als Brücke zwischen IT und Business nachhaltigen Erfolg zu schaffen. Neben ihrer Rolle als CEO übernimmt sie selbst auch Kundenprojekte als Projektleiterin sowie Prozess- und Unternehmensberaterin in unterschiedlichsten Themenfeldern. Zudem engagiert sie sich ehrenamtlich als Co-Vorsitzende bei encourageventures e.V., einem deutschlandweiten Investorinnen-Netzwerk zur Förderung von Gründerinnen und divers aufgestellten Start-ups. 

Über encourageventures e. V.

Zusammen schneller und erfolgreicher wachsen, um mehr Vielfalt in die Gründer:innen- und Investor:innen-Landschaft Deutschlands zu bringen – so lautet die Vision von encourageventures e. V.. Die Mitglieder des größten deutschen Investorinnen-Netzwerks begleiten Gründerinnen von der Gründungsidee bis zum Börsengang, ermutigen sie, groß zu denken, und unterstützen sie mit Kapital, Know-how und Kontakten. Die Vereinsvorsitzenden Ina Schlie und Alexa Hergenröther sowie die Mitglieder bringen ein hochkarätiges Netzwerk und große Expertise aus Wirtschaft und Wissenschaft mit. Viele sind bereits als Investorinnen und Business Angels aktiv und verfügen über umfassendes Fachwissen beim Aufbau und der Begleitung von Start-ups. Engagierte Regional Leads bauen europaweit an vielen individuellen Standorten eine starke Community auf, die für mehr Diversität in der Welt der Startups und Business Angels sorgt. Sie setzen sich lokal für noch mehr Sichtbarkeit der Mission ein, organisieren mit Leidenschaft beeindruckende Veranstaltungen, finden weitere Unterstützer:innen und connecten Business Angels und Startups.

Tipp der Redaktion: Am 25. November 2025 von 9:30 bis 21:00 Uhr lädt encourageventures e. V., das größte deutsche Investorinnen-Netzwerk, zu Courage ’25 nach Berlin ein. Das ganztägige Event bringt Gründer:innen, Investor:innen, Unternehmen sowie politische Entscheidungsträger:innen zusammen, um Innovationen, Kooperationen und Investitionen in die Zukunft zu fördern. Wir verlosen 1×2 Tickets für die Veranstaltung. Hier geht es zum Gewinnspiel.

Diesen Artikel teilen

Schreibe einen Kommentar

Anzeige
Verena Hubertz

Neue Ausgabe

Verena Hubertz ist eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Spitzenpolitik: mit 37 Jahren schon Bundesministerin im Bauressort, noch dazu mit einem Background als erfolgreiche Firmengründerin. Hier spricht eine Politikerin, die wirklich etwas bewegen will. Ab 14. Oktober im Handel oder im Shop schon heute digital lesen.