„Intensiver als eine Liebesbeziehung“

Links: Larissa Schmid Rechts: Vivien Wysocki, Foto: Jeremy Möller Saint Sass
Links: Larissa Schmid Rechts: Vivien Wysocki, Foto: Jeremy Möller Saint Sass

Vivien Wysocki hatte in der Corona-Pandemie die zündende Idee: Statement-­Strumpfhosen für starke Frauen, inspiriert von Superstar Cher. Mit Co-Gründerin Larissa Schmid machte sie daraus das Start-up Saint Sass – und einen siebenstelligen Umsatz.

von Sandra Berthaler

Courage: Was hat dich dazu inspiriert, ein Strumpfhosenbusiness zu gründen?

Vivien Wysocki: Ich habe nie eine Marke gefunden, die mich richtig angesprochen hat. Ich trage selbst gerne Kleider und Röcke und entsprechend auch viele Strumpfhosen. Es gab entweder nur Strumpfhosenmarken mit sehr guter Qualität, die aber eher eine konservative Zielgruppe ansprechen, oder Strumpf­hosenmarken, die ein bisschen cooler sind, aber nach einmal Tragen kaputt gegangen sind. Das tat mir für das Produkt weh, aber vor allem für meinen Geldbeutel. Ich habe darin eine Lücke gesehen, eine Marke mit Fashionanspruch, die eine junge Zielgruppe anspricht, aber auch wirklich gute, langlebige Qualität bietet. Und diese Lücke wollte ich füllen.

Eure Strumpfhosen zieren coole Statements wie „Not Your Babe“ oder „God Is A Woman“. Wie seid ihr darauf gekommen?

Ich bin ein politischer Mensch und wollte ein Produkt kreieren, das wichtige Werte wie Mündigkeit und Selbstbestimmtheit – vor allem für Frauen – verkörpert. Durch Zufall bin ich auf ein Interview mit der US-Sängerin Cher aus dem Jahr 1996 gestoßen. Darin erzählte sie, dass ihre Mutter ihr immerzu geraten habe, einen reichen Mann zu heiraten. Und ihre Antwort war: „Mom, I am a rich man.“ Das fand ich wahnsinnig beeindruckend und dachte: Ja, genau das ist diese coole Attitüde, die ich auch für unsere Marke suche – sich für seine Selbstbestimmtheit starkmachen, aber mit einer Prise Humor. Und dann dachte ich mir: Warum nicht direkt als kleine Botschaft auf Strumpfhosen? Das war die Geburtsstunde von Saint Sass. 

Und wie bist du weiter vorgegangen? ­Hattest du BWL-Kenntnisse?

Nein, ich habe Medienmanagement studiert. Ich war zum Zeitpunkt der Gründung 25 und vorher bereits selbstständig, hatte aber keine Erfahrungen in klassischen Unternehmen. Ich wollte zwar immer schon eine eigene Firma gründen, bin dann letztlich aber in das Ganze reingestolpert und habe mir sehr viele Fähigkeiten über Learning by Doing angeeignet. Deshalb rate ich Frauen ohne BWL-Wissen, trotzdem keine Angst vorm Gründen zu haben. Man wächst täglich in seine Aufgaben rein. Wir hatten zudem den Vorteil, von Anfang an Business Angels mit an Bord zu haben, von denen wir viel lernen durften. Sie haben nicht nur einen Teil des Startkapitals geliefert – der andere Teil stammt von meinem Ersparten –, sie haben uns auch vor einigen Fehlentscheidungen bewahrt und uns damit einen zeitlichen Vorsprung gesichert. 

Wie konntet ihr so früh Business Angels gewinnen?

Das war totaler Zufall. Ich habe die Business Angels während der Corona-Pandemie über Clubhouse kennengelernt, eine App, in der sich anfangs ganz viele Gründer und Investoren zusammengefunden haben. Zu dem Zeitpunkt stand für mich schon fest, dass ich gründen will. Also habe ich einige meiner Ideen in diesen Runden gepitcht – eigentlich nur, um ein bisschen Feedback zu bekommen. Zu meiner Überraschung hat sich ein Investor bei mir gemeldet. Aktuell sind wir 17 Gesellschafter, was recht viel ist. Aber uns war es wichtig, unterschiedliche Profile abzudecken und auch möglichst vielen Frauen die Möglichkeit zu geben, an unserem Wachstum zu partizipieren.

Du hast mal gesagt, dass dich die Start-up-Welt desillusioniert hat. Warum?

Ich dachte früher, es geht vom Tellerwäscher zum Millionär, aber in Wahrheit geht es oft vom Millionär zum Multi­millionär. Ein Großteil der Gründer kommt aus elitären Kreisen, hat an Elite­-
unis studiert. Ich bin anders aufgewachsen, meine Eltern sind aus Polen nach Deutschland geflüchtet, und meine Schwester und ich waren die Ersten, die studiert haben. Ich dachte, dass viel mehr Menschen aus der Mittelschicht gründen. Aber gerade in Deutschland ist das nicht der Fall. Daher versuche ich, die Szene dafür zu sensibilisieren, sich für Menschen zu öffnen, die nicht den Habitus oder den Lebenslauf mitbringen, aber dafür das nötige Engagement und den Willen.

Du hast Saint Sass mit Larissa Schmid 2021 gegründet. Aber sie kam erst nach dem Launch dazu, richtig?

Ja, ich bin mit einem anderen Co-Founder gestartet, der sich im beiderseitigen Einverständnis relativ schnell zurückgezogen hat. Damals wurde mir bewusst: Wenn man zusammen gründet, ist das intensiver als eine Liebesbeziehung. Man verbringt so viel Zeit miteinander und muss gemeinsam sehr emotionale Heraus­forderungen meistern. Deshalb ist die Entscheidung, mit wem man gründet, sehr wichtig. Über unser Netzwerk haben wir aktiv herumgefragt, und so habe ich Larissa kennengelernt, die schon an zwei nachhaltigen Mode-Start-ups gearbeitet hat. Wir haben entschieden, uns drei Monate Zeit zu geben, um ein Gefühl füreinander zu entwickeln. Wir haben auch privat viel Zeit miteinander verbracht und haben, da wir in unterschiedlichen Städten gelebt haben, bei der anderen übernachtet. Wir stellten gleich fest, dass es total super zwischen uns passt, und wurden enge Freundinnen. 

Was schätzt du an Larissa am meisten?

Larissa ist immer optimistisch, sehr lösungsorientiert und bewahrt immer einen kühlen Kopf. Wenn wir ein Problem haben, geht es ihr nicht darum, was wir hätten besser machen können, sondern darum, wie wir es so schnell wie möglich lösen können. Und wir ergänzen uns auch von unseren Fähigkeiten her ­extrem gut. Larissa ist für den Part „Finance und ­Sales“ zuständig und liebt es, Zahlen zu wälzen und Tabellen zu analysieren. Ich hingegen gehe total darin auf, mich mit dem Produkt, der Marke und unseren Kundinnen auseinanderzusetzen.

Du schreibst für das Redaktionsnetzwerk Deutschland die Kolumne „Chefinnensache“ und engagierst dich für politische Aufklärung. Was treibt dich an?

Ich war schon immer ein neugieriger Mensch, der politische und gesellschaftliche Zusammenhänge und generell philosophische Gedanken verstehen wollte. Ich habe Spaß am Denken und dachte lange, ich müsste mich zwischen dem Unternehmertum und politischem Engagement entscheiden. Mit Saint Sass habe ich einen Weg gefunden, ein Stück weit beides zu vereinen. Wir setzen uns als Marke für wichtige Themen ein wie die Selbst­bestimmtheit und Gleichstellung von Frauen. Wir hatten im letzten Jahr zum Weltfrauentag zum Beispiel eine tolle Kampagne mit Trade Republic, in der wir auf die Rentenlücke bei Frauen aufmerksam gemacht haben. 

2023 hattet ihr bereits siebenstellige Umsatzzahlen. Wie sieht es heute aus?

Leider darf ich keine genauen Zahlen teilen, aber als wir damals siebenstellig gegangen sind, war ich total überwältigt. Das waren einfach völlig neue Dimensionen – aber auch in die wächst man rein. Wir sind megaglücklich über unser Wachstum – vor allem auch in Amerika, einem unserer größten Märkte. Ich denke, das liegt da­ran, dass die Amerikanerinnen viel mehr „outgoing“ sind, was ihren Modestil angeht. Wenn wir dort unsere Strumpfhosen tragen, werden wir ständig auf der Straße darauf angesprochen. Außerdem werden wir bereits von einigen Stars wie Megan Trainor, Can­dice King und Anastasia Karanikolaou getragen. Aktuell sind wir dabei, ein Netzwerk mit Stylistinnen und Stylisten in Amerika aufzubauen, die Celebrities beraten, und haben bisher sehr gutes Feedback bekommen.

Was ist eure Zukunftsvision?   

Unsere Vision ist es, Frauen weltweit zu stärken und ihnen das Gefühl zu geben, sexy, selbstbewusst und frei zu sein – in jedem Moment. Wir wollen eine globale Marke schaffen, die mutige Designs mit klaren Werten verbindet und eine Community aufbaut. Dabei geht es uns da­rum, Mode als Ausdruck von Selbstbestimmung und Individualität neu zu definieren.

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