Katrin Bacic: „Wichtig ist, dass man immer richtig priorisiert!“

Foto: Katrin Bacic ©Sung-Hee Seewald
Foto: Katrin Bacic ©Sung-Hee Seewald

Katrin Bacic ist CEO des Münchner NewSpace-Start-up UNIO Enterprise GmbH. Die Mission lautet “Always on!” und “Internet aus dem All!”. Sie treibt bei UNIO die Bereitstellung einer lückenlosen globalen Netzabdeckung durch die Integration von satellitengestützten Weltraum- und terrestrischen 5G-Netzen voran. Der Fokus liegt dabei auf der Mobilitätsbranche für eine ständig verfügbare Konnektivität für vernetzte Fahrzeuge in der Landwirtschafts-, Logistik- und Automobilindustrie. Zuvor war die Mutter einer Tochter Geschäftsführerin und Strategiechefin von Wayra Germany, wo sie sämtliche Start-up-Programme leitete. Mehr als 13 Jahre war sie zudem in verschiedenen Führungspositionen bei Telefónica tätig. Als Speakerin und Mentorin sowie Mitglied verschiedener Jurys setzt sie sich für Diversität im Start-up- und Tech-Ökosystem ein. Katrin Bacic ist eine von 13 Top-Managerinnen, die im September 2024 in das Netzwerk Generation CEO e.V. aufgenommen worden sind.

Courage hat bereits hier über das Netzwerk Generation CEO e.V. und den Auswahlprozess berichtet. In den kommenden Wochen stellen wir Euch alle 13 Top-Managerinnen in einer Serie vor – jeweils am Freitag!

Courage: UNIO wurde 2022 als Joint Venture von vier führenden europäischen Raumfahrtunternehmen in München gegründet. Es vereint die Expertise führender Akteure aus allen Kernbereichen der Satelliten-Kommunikation. Waren Sie schon bei der Gründung im Boot?

Katrin Bacic: 2022 war ich noch bei Wayra Deutschland als Geschäftsführerin tätig. Im März 2023 habe die Position der CEO von UNIO übernommen. In den letzten anderthalb Jahren habe ich dort ein großartiges diverses Team aufbauen dürfen. Menschen außerhalb der Raumfahrtindustrie fragen mich oft, warum ich mich für die Raumfahrt interessiere. Ich bin der Meinung, dass unsere Zukunft als Planet und als Gesellschaft vom Weltraum abhängt. Ob wir nun schnellere und empfindlichere Heilmittel für Krankheiten in der Mikrogravitation entwickeln, seltene Metalle abbauen, ohne unsere irdische Umwelt zu zerstören oder die Telekommunikation auf der Erde weiter verbessern – der Weltraum ist schon jetzt für alle Menschen auf der Erde von großer Bedeutung und seine Bedeutung wird mit der Zeit nur noch zunehmen.

Sie waren zuvor bei keinem der beteiligten Unternehmen beschäftigt, sind Quereinsteigerin. Warum hat man sich für Sie entschieden? Mit welchen Fähigkeiten konnten Sie überzeugen?

Mit meiner fast 20-jährigen Erfahrung in der klassischen Telekommunikationsbranche bereichere ich die Raumfahrt um das Innovationstempo und Know-how aus Telekommunikation, Digitalisierung und KI. Das Thema „nahtlose Konnektivität“, also auch die Brücke zu schlagen zwischen terrestrialer (5G) und nicht-terrestrialer (Satelliten-) Infrastruktur, ist wichtig. Als Seiteneinsteigerin möchte ich frischen Wind in die Raumfahrtbranche bringen, den wir dringend benötigen, um alte Strukturen aufzubrechen, den Turbo einzulegen und die besten Talente anzuziehen. Innovationen sind aus meiner Sicht der Schlüssel zum Erfolg. „Neues kann nur dann entstehen, wenn wir bereit sind, unsere Komfortzone zu verlassen“. Das heißt für mich auch: Um zu überleben, braucht es immer wieder neue Ideen und Innovationen – auch branchenübergreifend. Mein größter Mehrwert als CEO für UNIO als Quereinsteigerin ist meine große Stärke, verschiedene Leute aus unterschiedlichen Branchen zusammenzubringen. Ich bin eine sehr große Netzwerkerin, d.h. ich verstehe mich auch in meiner CEO-Rolle als Querschnitt zwischen Politik, Wirtschaft, Technik und Industrie.

Bei Wayra haben Sie den Anteil von Firmen, die von Frauen geführt werden, um ein Drittel gesteigert. Welchen Frauenanteil streben Sie bei UNIO an?

Derzeit sind 35 % der Mitarbeitenden und 50 % unseres Management-Teams bei UNIO weiblich. Mein Ziel ist es, unser Tech-Team weiter zu diversifizieren, indem ich aktiv weibliche Software-Ingenieurinnen und Produktentwicklerinnen rekrutiere. Satelliten-Kommunikation ist eine der spannendsten, aber auch dynamischsten Technologie-Stories unserer Zeit. Dazu braucht es ein diverses Team. Denn klar ist: Je diverser, desto erfolgreicher!

Vor allem in Führungspositionen sind Frauen stark unterrepräsentiert. Teils auch, weil es zu wenig Kandidatinnen gibt, sodass Stellen wegen der Frauenquote manchmal sogar unbesetzt bleiben. Haben wir einen Mangel an karrierewilligen Frauen? Und wenn ja: Woran liegt das?

Als CEO von UNIO habe ich aus erster Hand erfahren, welche Herausforderungen es mit sich bringt, eine Frau in einer Branche zu sein, in der der Frauenanteil noch viel zu gering ist. Es ist nicht so, dass Frauen nicht bereit wären, eine Karriere oder Führungsposition anzustreben – ganz im Gegenteil. Das Problem liegt oft in den systemischen Barrieren und unbewussten Vorurteilen, mit denen Frauen zu Beginn ihrer Karriere konfrontiert sind. Diese Hindernisse können es Frauen erschweren, sich einen Weg in die Führungsrolle vorzustellen, geschweige denn, ihn zu erreichen. Wir sehen, dass sich weniger Frauen für bestimmte Positionen bewerben, insbesondere in der Technologiebranche. Dies liegt zunächst mal nicht an mangelndem Ehrgeiz oder mangelnden Fähigkeiten, sondern an einem Mangel an Mentoring, Sichtbarkeit und Unterstützung. Viele Frauen sehen auch nicht genügend Beispiele für weibliche Führungskräfte in Branchen wie der unseren, was die Ambitionen dämpfen kann.

Oft werde ich auch gefragt: Sind Männer mutiger? Fakten belegen es und dennoch dürfen wir Frauen uns davon nicht einschüchtern lassen! Männer feuern bei negativem Feedback eher zurück, sind selbstbewusster bei Pitches und machen mutige Vorhersagen. Im Vergleich dazu sehen Frauen negatives Feedback als konstruktive Kritik, sind konservativer bei Pitches und fragen nach weniger Geld. Lasst uns diese vermeintlichen Regeln challengen und gegen Stereotypen vorgehen!

Probleme mit der Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Aufgaben sind ein Hauptgrund für die ungleiche Verteilung von Männern und Frauen in Führungspositionen. Frauen wenden pro Tag im Durchschnitt 44,3 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer. Welche Unterstützung können Sie als Unternehmen anbieten?

Es ist immer wichtig, was man selbst als Führungskraft vorlebt. Ich glaube weniger an den klassischen Work-Life-Balance-Ansatz, denn der suggeriert, dass man Arbeitszeit der wertvollen Lebenszeit opfert. Arbeit sollte idealerweise sinnvoll und lebenserfüllend sein. Wichtig ist dann, dass man immer richtig priorisiert. Beispiel: Wenn meine Tochter kurzfristig krank ist, hole ich sie auch schon mal aus einem Meeting von der Schule ab. Wenn ich aber an einem normalen Sonntag einen wichtigen Kundentermin vorbereiten muss oder mein Team mich braucht, dann kann das auch Priorität haben. Genauso arbeitet auch mein Team maximal flexibel. Bei UNIO bieten wir Arbeitsregelungen, wie z. B. Hybrid- und Remote-Arbeitsoptionen, die es unseren Mitarbeitern ermöglichen, ihre Zeitpläne an die familiären und privaten Bedürfnisse anzupassen.

Wir haben gelesen, dass Ihre Tochter Sie inspiriert hat, in die Raumfahrtbranche einzusteigen. Wie kam es dazu?

Als meine Gespräche zu der möglichen Übernahme der CEO-Rolle gestartet sind, habe ich über den potentiellen Jobwechsel natürlich auch mit meiner Familie offen diskutiert. Wenn man so eine Leadership Rolle als Mutter – genauso wie als Vater – übernehmen möchte, braucht man definitiv die Unterstützung der Familie. Meine Tochter interessiert sich allgemein für MINT-Fächer und war zu dem damaligen Zeitpunkt ein großer Space-Fan. Von ihr kam sofort der Kommentar: „Mama, das musst du machen.“

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