„Mann sagt“: Selbst schüchterne Frauen können Wettbewerbstypen werden

Gastkommentar von Alexander Haas

Neues Jahr, alte Leier: Seit Jahren betonen Unternehmen unermüdlich die Wichtigkeit weiblicher Führungskräfte. Insofern sollte Gleichstellung längst in der Unternehmensspitze angekommen sein. Ist sie aber nicht! Schaut man etwa in die Vorstände der 160 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland, sind durchschnittlich bisher nur klägliche 13 Prozent der Personen Frauen. Die Hälfte dieser Vorstände ist sogar gänzlich frauenlos.

Leider bleibt der Weg zur Gleichstellung in Top-Management-Teams lang. Denn die Ursachen, die Frauen nicht in den Vorstand kommen lassen, sind vielfältig. Auf Unternehmensseite reichen sie von unbewussten Einflüssen (Stereotype) bis zu absichtlichem Handeln (Verweigerung, vorgeschobene Gründe). Auch Passivität und fehlendes Vertrauen in die Top-Management-Fähigkeiten von Frauen zählen dazu. So erkennen und nutzen Unternehmen das Potential weiblicher Führungskräfte nicht wirklich. Wie sonst lässt sich erklären, dass die genannten 160 Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren zwar ganze Geschäftsmodelle neu aufgebaut und ihre Börsenbewertungen teils vervielfacht, aber keine effektiven Strategien entwickelt haben, um die Firmenspitze paritätisch zumindest deutlich weiblicher zu machen.

Auch sind die Vorstandsvorsitzenden dieser Unternehmen fast ausnahmslos Männer. Im Gegensatz dazu sind über 60 Prozent der Personalvorstände weiblich. Aber natürlich: Der Vorstandschef muss eine führungsstarke Person sein, die das Unternehmen energetisch und, wenn nötig, aggressiv voranbringt. Für das Personal benötigt man dagegen eine freundliche und sich um andere kümmernde Frau. Willkommen im 21. Jahrhundert!

Die Positivbeispiele unter den Unternehmen zeigen dagegen, dass eine geschlechtsparitätische Vorstandszusammensetzung und Frauen als Vorstandsvorsitzende bereits ab einem kleinen Vorstand und in vielen Branchen möglich sind. Dabei handelt es sich übrigens häufig um „männliche“ Branchen wie Maschinenbau. Somit erscheinen „Gründe“, nach denen eine paritätisch besetzte Unternehmensspitze eine gewisse Größe des Vorstandes erfordert und Frauen bestimmte Branchen „nicht können“ als vorgeschoben. Die Vielzahl der Ursachen und deren oft tiefe Verwurzlung in der Unternehmenskultur machen es den Firmen nicht leicht, Abhilfe zu schaffen. Aber es ist möglich: Wenn es einigen gelingt, warum sollten es nicht auch die anderen schaffen können?

Bei der Entwicklung und Förderung weiblicher Spitzenkräfte kommt dem Vorstand und den zuständigen Führungsgremien eine wichtige Rolle zu. Diese müssen ein geeignetes Umfeld schaffen und es Frauen ermöglichen, sich bis auf Vorstandsebene zu profilieren. Dazu gehört auch der Mut zu unkonventionellen Entscheidungen. Den ersten Vorstand mit Teilzeitstelle habe ich Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts kennengelernt. Wo der Wille, da der Weg!

Frauen müssen bei den sich bietenden Chancen aber auch „zugreifen“. Viele frühere Studentinnen haben mir – häufig leider erst nach der Entscheidung – berichtet, dass sie sich verschiedene Jobeinstiegs- oder Aufstiegschancen nicht zugetraut haben. Aus meiner Sicht in jedem Fall unbegründet! Meine Erfahrung zeigt, dass selbst schüchterne Frauen durch die richtige Unterstützung echte „Wettbewerbstypen“ werden können – und Wettbewerbe sogar gewinnen. Das gilt nicht nur für Frauen, aber für Frauen eben auch!

Gleichstellung in der Unternehmensspitze wird nicht über Nacht Einzug halten – und auf keinen Fall von selbst. Daher sollten Unternehmen sich dieser Aufgabe künftig stärker annehmen. Und für die Frauen gilt ganz im Sinne dieser Zeitschrift: Nur Mut! (ag)

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