Zeit zum Aufatmen in Nahost. Die Waffen schweigen, der Ölpreis sinkt, die Börsen haben sich gefangen. Dennoch könnte sich diese Ruhe als trügerisch erweisen.
Die Frage ist: War es das? Für Donald Trump schon. Er hält das iranische Atomprogramm für vernichtet, der Geheimdienst ist anderer Meinung. Aber abgesehen von Bombe oder nicht: War es das wirklich auch für die Mullahs? Es gibt da schließlich noch ein geografisches Nadelöhr, das die Weltwirtschaft ordentlich durcheinanderwirbeln kann und auf dem sie die Hand haben: die Straße von Hormus.
Sie ist die einzige direkte Verbindung vom Persischen Golf zu den Weltmeeren und damit der weltweit bedeutendste für den Öl- und Gastransport von den Quellen zu den Verbrauchern. Etwa ein Fünftel des global verschifften Öls und ein Drittel des Flüssiggases werden durch die Meerenge zwischen dem Iran und Oman transportiert. Der Iran könnte dieses gerade mal 55 Kilometer schmale Nadelöhr – an der engsten Stelle sind es sogar nur 33 Kilometer – blockieren oder zumindest den Schiffsverkehr beträchtlich stören. Das ist machbar und auch schon vorgekommen – unter anderem wurden einzelne Schiffe, vorwiegend israelische, beschlagnahmt. Die Entscheidung hat der Oberste Nationale Sicherheitsrat unter Ajatollah Ali Chamenei.
Ölpreis könnte hochschnellen
In diesem Fall warnen Ökonomen, etwa von der Deutschen Bank, vor einem starken Anstieg der Ölpreise. Binnen kurzer Zeit könnte ein Fass der Sorte Brent auf 120 Dollar hochschnellen. Die derzeitige Konjunkturerholung wäre dahin. Zudem dürften sich die hochgerüsteten Ölstaaten das nicht gefallen lassen, ihr engster Verbündeter sind die USA. Ein Flächenbrand in Nahost könnte entstehen. Das Risiko ist derzeit in den Kursen nicht eingepreist, heißt es beispielsweise bei MFI Asset Management.
Alles ganz schön kompliziert und verfahren. Trotzdem haben sich die Börsen unterm Strich angesichts der Auseinandersetzung zwischen Iran sowie Israel und den USA erstaunlich resilient gezeigt. Das passt zu vergangenen Krisen: „Seit den 1960er-Jahren gab es keinen einzigen US-Bärenmarkt, der von einer politischen Krise oder von geopolitischen oder militärischen Auseinandersetzungen ausgelöst worden wäre“, erklärt Benjamin Bente, Geschäftsführer beim Vermögensverwalter Vates Invest. Echte Bärenmärkte, also lang anhaltende Kursverluste auf breiter Front, werden von handfesten makroökonomischen Problemen ausgelöst.
„Ein großes Beben“
Die aber könnten aus einer Blockade der Straße von Hormus erwachsen. Ein drastischer Anstieg des Ölpreises könnte „für ein großes Beben sorgen“, so Bente. Dann wären die Notenbanken gefragt. Die amerikanische hat in der vergangenen Woche wie erwartet stillgehalten und den Leitzins nicht gesenkt, worauf Donald Trump mal wieder Notenbank-Chef Jerome Powell heftig beschimpfte.
Kommende Woche gibt es für die beiden und für alle an der Börse Interessierte neue Konjunkturdaten aus diversen europäischen Ländern, vor allem aber aus den USA. Dort steht der viel beachtete Arbeitsmarktbericht im Mittelpunkt. Dazu werden der Auftragseingang in der Industrie und die jüngste Handelsbilanz veröffentlicht. Hoffen wir mal, dass das die ökonomischen Highlights die kommende Woche prägen – und die Zuspitzung an der Straße von Hormus ausbleibt.