Vier Buchstaben bestimmen derzeit das Börsengeschehen: FOMO – fear of missing out. Zu Deutsch: die Angst, etwas zu verpassen. Das treibt die Kurse, trotz der erheblichen Risiken, die über den Märkten schweben.
Da wundert es nicht, dass das Spiel mit Meme-Aktien in eine neue Runde gegangen ist. Das sind Papiere von Krisenfirmen, die nur wenig gehandelt werden und bei denen Leerverkäufer, meist Hedgefonds, hohe Positionen in Erwartung weiter fallender Kurse halten. Über soziale Medien wie Reddit oder X schließen sich Privatinvestoren zusammen, kaufen diese Aktien und treiben den Kurs nach oben. In der Folge müssen die Leerverkäufer ihre Positionen auflösen und ebenfalls kaufen – was die Kurse noch weitertreibt. Derzeit stehen an der Wall Street der Einzelhändler Kohl’s und die Donut-Kette Krispy Kreme im Fokus. Letztere schoss am Dienstag um 26 Prozent nach oben, nachbörslich gab es nochmal 34 Prozent obendrauf. Bis Donnerstag hat der Titel rund die Hälfte dieses Anstiegs wieder abgegeben.
Das Dumme an der Sache ist, dass den Letzten die Hunde beißen. Heißt: Wer zu spät auf den Zug aufspringt, verliert nicht selten den Großteil seines Kapitals. Denn natürlich werden so schöne schnelle Gewinne ebenso schnell wieder eingeheimst – und der Kurs stürzt ab wie ein Stein.
Zu früh gefreut?
Kommen wir zur seriöseren Seite der Börse. Über der schwebt einerseits das Damoklesschwert von US-Zöllen. Zwar ist ein Abkommen mit der EU möglich, aber wie es konkret aussehen wird, ist noch unklar. Womöglich wurden die deutschen Autoaktien diese Woche zu früh gefeiert. Anlass war das Handelsabkommen der USA mit Japan, das 15 Prozent Zoll auf beiden Seiten festlegt, deutlich weniger als ursprünglich angedroht. Doch Japan ist ein enger Verbündeter der USA, die EU sieht Trump eher als wirtschaftlichen Rivalen an. Ein 90 Milliarden Euro schweres Gegenpaket hat die EU für den Fall des Falles schon mal geschnürt.
Gute und böse Zahlen
Auf der anderen Seite stehen kommende Woche wieder jede Menge Quartalszahlen an. Wie sehr diese das Geschehen bestimmen können, hat jüngst das Beispiel der Deutschen Bank gezeigt. Sie hat so viel Gewinn eingefahren wie seit 2007 nicht – die Aktie sprang um acht Prozent nach oben. Ein gutes Stück FOMO dürfte dabei gewesen sein. Das Gegenbeispiel ist Tesla. Elon Musk musste den größten Umsatzrückgang in einem Quartal seit mehr als zehn Jahren einräumen und dass es auf absehbare Zeit auch nicht besser werde. Inklusive dem jüngsten Absturz hat die Aktie an der Nasdaq seit Jahresbeginn rund 25 Prozent, in Euro gerechnet sogar mehr als 30 Prozent.
Das kommt nächste Woche
Nun stehen die Bilanzen zum Beispiel von Adidas, Airbus, Amazon, Apple, Lufthansa, Linde, Meta Platforms oder Microsoft an. Bei ihnen erwarten Analysten mehr oder weniger steigende Gewinne. Mit dem Gegenteil rechnen sie bei BMW, Mercedes-Benz, Porsche oder Kering, dem Modekonzern, zu dem Gucci gehört.
Daneben wird kommenden Mittwoch die US-Notenbank tagen, von der Donald Trump – der im Übrigen gerade auch um Seriosität in Sachen Epstein kämpft – seit geraumer Zeit Zinssenkungen verlangt und deren Chef Jerome Powell er schlicht als „Blödmann“ tituliert. Dieser weigert sich beharrlich, den Leitzins von derzeit 4,25 bis 4,50 Prozent zu senken, da die Auswirkungen von Trumps Handelspolitik auf Inflation und Arbeitsmarkt noch nicht klar seien. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dieses Mal mit dem Zins nach unten geht, liegt bei weniger als fünf Prozent.
Die EZB hat bereits entschieden. Nach acht Zinssenkungen in Folge blieb es am Donnerstag bei 2,0 Prozent. Abwarten, wie sich Inflation und Wirtschaft entwickeln, heißt das Mantra der Zentralbanker:innen jetzt. Das war so erwartet worden und wurde als Zeichen der Stabilität gewertet. Was ja nicht schaden kann in diesen Zeiten.