Marktausblick: Das Kaninchen und die Schlange

Foto: Grafissimo/iStock Kaninchen Schlange
Foto: Grafissimo/iStock

Der Chef der US-Notenbank dämpft die Zinshoffnungen. Und während die Tech-Riesen gewaltige Summen in künstliche Intelligenz investieren, ist immer häufiger vom Platzen der KI-Blase die Rede. Die Erfahrung lehrt: Genau deswegen könnte es noch eine ganze Weile weitergehen mit der Aktienrally.

Die Erwartungen an das Geschäft mit künstlicher Intelligenz sind gewaltig. Die drei Tech-Riesen Alphabet, Meta und Microsoft kündigten jedenfalls an, weiterhin enorme Summen zu investieren. Allein Microsoft hat im dritten Quartal 35 Milliarden Dollar in KI-Infrastruktur wie Rechenzentren gesteckt. Meta, wozu Facebook und Instagram gehören, will im Gesamtjahr 72 Milliarden dafür ausgeben, die Google-Mutter Alphabet sogar 91 bis 93 Milliarden.

Im Goldrausch werden vor allem die Hersteller von Schaufeln reich, heißt es. Sprich, Firmen, die Mikrochips herstellen, Rechenzentren bauen, Leitungen legen und das alles mit Strom versorgen können. Sie dürften mit KI viele Milliarden verdienen. Die Frage ist aber immer, ob die Anbieter von Technik und Software ein tragfähiges Geschäftsmodell haben. Oder ob sich der Geburtsfehler wiederholt, den einst Verlage bei der Einführung des Internets machten, indem sie ihre Ware kostenlos auf den Markt warfen.

Abgesehen davon würden sich wohl alle, die schon KI nutzen, darüber freuen, wenn die Ergebnisse, die der Computer ausspuckt, stimmen würden und man sich darauf verlassen könnte.

Weitere Zinssenkungen? Wer weiß …

Investorinnen und Investoren ist das im Moment offenbar ziemlich egal. Die Aktien der KI-Werte und -Ausrüster steigen und steigen. Allein Alphabet legte am Donnerstag um fast zehn Prozent zu. Die Zinssenkung der US-Notenbank am Tag zuvor verpuffte dagegen praktisch.

Das lag vor alem daran, dass sie erwartet worden war. Und an dem Umstand, dass Notenbankchef Jerome Powell die Hoffnung auf eine weitere Senkung im Dezember dämpfte. Die Inflation in den USA ist den Währungshütern zu hoch. Zwar wollen sie mit der jetzigen Zinssenkung den schwächelnden Arbeitsmarkt stützen – niedrige Zinsen machen es Firmen schließlich leichter, zu investieren. Aber ob dieser Gedanke Beim Zinsentscheid Dezember immer noch ganz oben auf der Prioritätenliste der Währungshüter liegt, darauf wollen sie sich aktuell nicht festnageln lassen.

USA und China: aufeinander angewiesen

Dass die EZB ihren Leitzins diese Woche nicht senkte, wurde an der Börse ebenfalls zum Non-Event. Auch das kam alles andere als überraschend. Die Inflation ist moderat, der Arbeitsmarkt robust und die Konjunktur nicht so schwach wie befürchtet. Kaum Impulse brachte auch die Nachricht, dass die USA und China sich im Handelsstreit offenbar annähern, der große Durchbruch aber ausblieb, auch wenn Donald Trump den Streit nach seinem Treffen mit Xi gegenüber Journalisten großspurig für „beigelegt“ erklärte. Details aus dem Gespräch zwischen den beiden Präsidenten sind nur wenige bekannt. Offenbar aber sollen wieder Tech-Komponenten in den Fernen Osten und seltene Erden in den Westen fließen. Zumindest für ein Jahr. Und es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die beiden Großmächte aufeinander angewiesen sind.

Allerdings haben die Märkte in den vergangenen Monaten auch gelernt, wie gering die Halbwertszeit solcher Vereinbarungen mit Trump sein können. Für den Handelsstreit zwischen den USA und China gilt das in besonderem Maße. Zumal nach wie vor im Raum steht, ob sich die USA als Schutzmacht von Taiwan zurückziehen. China will den Inselstaat schon lange annektieren. Das Problem für die Weltwirtschaft dabei ist der Nachschub an Computerchips. In Taiwan sitzt mit TSMC der weitaus größte globale Auftragsfertiger. China würde noch mächtiger, wäre er plötzlich in seiner Hand.

KI-Blase? Ja, aber…

Zurück an die Börse. Abgesehen von Einzelfällen herrschte zuletzt Kaufzurückhaltung. Was wiederum in erster Linie am Unbehagen mit der KI-Blase zusammenhängt. Es erinnert ein bisschen an das Kaninchen, das vor der Schlange sitzt. Denn wenn es wirklich keine Blase ist, dann wird wohl noch eine, und platzen wird sie auch. Nur wann – das weiß niemand. Also gilt: erst mal abwarten. Das viele Blasen-Gerede und die Skepsis deuten jedenfalls eher darauf hin, dass die Kursrally erst noch mal Fahrt aufnehmen könnte. Denn wenn eine Börsenblase ihr Endstadium erreicht, herrscht in der Regel Euphorie an den Märkten. Und so richtig ausgelassen scheinen die Börsianerinnen und Börsianer derzeit nicht.

Kommen wir zur näheren Zukunft: Nächste Woche reißt die Flut der Quartalsberichte nicht ab. In Sachen KI wird vom Chiphersteller AMD nicht weniger erwartet, als dass seine Erlöse um 28 Prozent höher liegen als im Vorjahresquartal. Vor allem aber kommen Zahlen von deutschen Konzernen, von Biontech über Commerzbank, DHL, Fresenius und Hugo Boss bis zu Rheinmetall. Mal sehen, ob das ein bisschen Zuversicht und Schwung in den deutschen Aktienmarkt bringt. Zumindest die Marke von 24.000 Punkten hat der deutsche Leitindex in dieser Woche standhaft verteidigt.

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