Die Deeskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China hat die Börsen beflügelt. In Nullkommanix schaltete die Investorenschar von Pessimismus auf Optimismus um. Kommt nun wieder die Rolle rückwärts?
Das Verhalten von Anlegerinnen und Anlegern mutet schon ein wenig manisch depressiv an, die Stimmung schwankt wöchentlich. In eigentlich guten Quartalszahlen von Siemens und Allianz wird nun wieder mit aller Macht das Haar in der Suppe gesucht. So geschehen am Donnerstag, als die beiden DAX-Schwergewichte Federn lassen mussten.
Wir wissen, dass wir nichts wissen Ausgelöst hat das alles – wir wissen es – die irrlichternde Handelspolitik von Donald Trump, die ihm im Fall von China auf die Füße gefallen ist. Sie hat am 7. April erst zu einem Tief im DAX bei 18.490 Punkten geführt, ebenso wie zu frischen Rekorden in Richtung 24.000 Punkte. Die DZ Bank fasst das so zusammen: „Festhalten lässt sich aktuell eigentlich nur, dass die akute Panik Anfang April nicht berechtigt war, dasselbe aber auch für übertriebenen Optimismus hinsichtlich Trumps künftiger (Handels-)Politik gelten dürfte.“
Abgekoppelt von der Wall Street Zeit also, mal nüchtern eine Bestandsaufnahme zu machen. Die Aktienkurse hierzulande haben sich so stark von der Wall Street abgekoppelt wie seit zehn Jahren nicht mehr. Der DAX überflügelt S&P 500 und Dow Jones seit Jahresbeginn um Längen. Der deutsche Leitindex hat seit 1. Januar selbst ohne Berücksichtigung von Dividenden um rund 16 Prozent draufgesattelt, der S&P 500 nicht mal ein Prozent. Obendrein legte der DAX seither sieben Prozentpunkte stärker zu als der Euro Stoxx 50.
Doch während die Kurse an der Frankfurter Börse rasant steigen, hat die zu Ende gehende Bilanzsaison gezeigt, dass die Unternehmensgewinne im Schnitt stagnieren. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) im DAX, das angibt, wie teuer oder billig Aktien sind, steht derzeit bei 15,8. Das ist nicht gerade günstig angesichts der Tatsache, dass die Analysten ihre Erwartungen an die Konzerngewinne in diesem Jahr Stück für Stück zu reduzieren scheinen. Zudem liegt der 20-Jahres-Durchschnitt beim KGV laut Datenanbieter Bloomberg bei 12,4. Demnach müsste der DAX bei etwa 18.500 Punkten stehen – rund 20 Prozent unter seinem derzeitigen Niveau –, um fair bewertet zu sein.
Also sind jetzt doch wieder US-Aktien die bessere Wahl? Auch wenn der S&P 500 dem DAX hinterherhinkt, ist der US-Leitindex ebenfalls teuer. Sein KGV steht bei 21,3 – satte 32 Prozent über dem 20-Jahres-Durchschnitt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Donald Trump in seinen ersten 100 Tagen dem S&P 500 einen Verlust von 7,1 Prozent beschert hat – so viel wie kein Präsident vor ihm. Joe Biden kam auf ein Plus von 10,9 Prozent.
Füße still halten
Unterm Strich heißt das: Wir sollten uns auf Rückschläge einstellen. Und auf neue Tiefschläge des launischen US-Präsidenten. Eine Rezession in den USA, die auch die deutsche Wirtschaft hart treffen würde, ist nach wie vor nicht ausgeschlossen. Aber die Börse ist, entgegen mancher Befürchtung, am Ende eben doch eine langfristige Gewinnmaschine. In Sachen Kursschwankungen halten wir es ebenso wie US-Notenbankchef Jerome Powell in Sachen Trump: einfach ignorieren und auch mal nichts tun.