Marktausblick: Jackson-Hole-Treffen, Zinsen, Zölle, KI-Stromverbrauch

Foto: Brian Evans/iStock Rocky Mountains Bison Berge
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Heute schaut die Welt in die Rocky Mountains. Um 16.00 Uhr (MEZ) wird der Präsident des US-Notenbanksystems, Jerome Powell, beim alljährlichen Treffen der Gouverneure der wichtigsten Zentralbanken der Welt in Jackson Hole seine vielerwartete Rede halten. Die Beobachter erwarten darin auch eine Reaktion auf die vielfältigen Angriffe, die US-Präsident Donald Trump in den vergangenen Monaten auf Powell lanciert hat. Trump hat Powell mehrfach eine vorzeitige Beendigung seiner noch bis ins kommende Jahr reichenden Amtszeit nahegelegt. Powell verweigert sich bislang der von Trump geforderten signifikanten Zinssenkung.  

Tatsächlich hat Trump es mittlerweile geschafft, die zwölf Mitglieder des Offenmarktkomitees zu spalten. Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren stimmten auf der monatlichen Sitzung im Juli zwei Mitglieder gegen den Mehrheitsbeschluss. Die beiden wollten die Zinsen senken, die anderen lieber abwarten. Das ist ein Zwischensieg des US-Präsidenten,  der nun zumindest den Konsens unter den Geldpolitikern untergraben hat – und arbeitet weiter daran, die Mehrheitsverhältnisse im Offenmarktkomitee zu verschieben.

Vor diesem ungemütlichen Hintergrund diskutieren die wichtigsten Geldpolitiker der Welt noch bis Sonntag über die Zukunft der Geldpolitik und neueste Forschungsergebnisse – vor allem aber tauschen sie sich informell aus, sicher auch über die Frage der Unabhängigkeit der Notenbanken. Von Powells Rede erhoffen sich Beobachter Signale, wie die Zinspolitik in den nächsten Monaten aussehen könnte. Aktuell geht der Finanzmarkt mehrheitlich von einer Zinssenkung im September aus. Sicher ist das aber keinesfalls; denn die Lage der US-Wirtschaft ist momentan schwierig zu beurteilen. Etwa eine Stunde Zeit hat der Fed-Chef, um zumindest zwischen den Zeilen ein paar Hinweise zu streuen. Anfang September erscheint der nächste Arbeitsmarktbericht, der für den anstehenden Zinsschritt entscheidend sein dürfte. Vorher wird sich Powell kaum auf einen klaren Kurs festlegen. Aber zumindest könnte der Fed-Chef erklären, wie er die Juli-Daten einschätzt. 

Nach den jüngsten Rekorden haben die US-Börsen am Donnerstag zunächst einmal moderat nachgegeben. Der Dow Jones Industrial beendete den Tag 0,34 Prozent tiefer auf 44.785 Punkten. Zwei Tage zuvor war er noch über 45.200 Zähler auf ein Rekordhoch geklettert. Nachdem der bekannteste Wall-Street-Index einen kleinen Teil der Gewinne wieder abgegeben hatte, zeigte er sich seither stabil. Der marktbreite S&P 500 hatte vor rund einer Woche eine Bestmarke erreicht. Am Donnerstag gab er um 0,4 Prozent auf 6.370 Punkte nach. Der überwiegend mit Technologiewerten bestückte Nasdaq 100 um knapp ein halbes Prozent auf 23.143 Zähler.

Unter den Einzelwerten standen im Dow die Aktien von Walmart im Blick. Weder ein überraschend guter Quartalsumsatz noch die daher angehobene Prognose für den Jahreserlös konnten die nicht unweit vom Rekordhoch entfernten Papiere stützen. Sie fielen mit minus 4,5 Prozent an das Index-Ende. Einen Kurseinbruch um 21,6 Prozent erlitten die Papiere von Coty. Sie notieren unter vier Dollar und damit auf dem tiefsten Stand seit November 2020. Der Kosmetikkonzern litt im abgelaufenen Quartal unter dem deutlichsten Umsatzrückgang seit mehr als vier Jahren. Analysten hatten zwar mit einer negativen Entwicklung gerechnet, wurden aber von deren Ausmaß überrascht. Auch der für das laufende Quartal avisierte weitere Rückgang fiel heftiger als befürchtet aus. Am Vortag hatte bereits Branchenkollege Estee Lauder mit der Gewinnprognose enttäuscht.

Im Zollstreit zwischen den USA und der EU zeigte sich EU-Handelskommissar Maros Sefcovic am Donnerstagnachmittag sichtlich erleichtert, als er in Brüssel vor die Medien trat. „Wir haben die Ziellinie überschritten”, erklärte er und verwies darauf, dass er persönlich mit dem amerikanischen Amtskollegen „Sicher 120, 130 Stunden“ gefeilscht habe. In der am Donnerstag veröffentlichten Erklärung verpflichten sich die USA, die Importzölle auf europäische Autos auf 15 Prozent zu senken – und dies gar rückwirkend per 1. August. Umsetzbar ist das allerdings nur, wenn die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten und dem Parlament noch in diesem Monat einen formellen Gesetzesvorschlag unterbreitet. Sefcovic versprach, den Legislativprozess schnellstmöglich in Gang zu setzen.

Im Vergleich zu den einst angedrohten 30 Prozent Zoll kommen die europäischen Staaten besser weg. Sefcovic gab sich – auch mit Blick auf das amerikanische Publikum – alle Mühe, die Vereinbarung als „fair, ausgewogen und für beide Seiten vorteilhaft” zu preisen. Unter dem Strich täuscht aber auch sein Zweckoptimismus nicht darüber hinweg, dass die EU im Zollstreit mit den USA als Verliererin vom Platz geht. Während die USA auf fast alle europäischen Produkte 15 Prozent Zoll draufschlagen, verpflichtet sich die EU, die Zölle auf sämtliche US-Industriegüter abzuschaffen und einer breiten Palette von amerikanischen Lebensmitteln einen präferenziellen Zugang zu ihrem Markt zu verschaffen. Vor Trumps Amtsantritt galt auf europäische Autos ein Zollsatz von 2,5 Prozent. Bitter ist das Abkommen auch für die Hersteller von Wein, Bier und Spirituosen. Sie hatten bis zuletzt gehofft, mit einem deutlich tieferen Zollsatz davonzukommen. 

Fun-Fact: Eine Textanfrage bei Googles KI-Software Gemini verbraucht nach Berechnungen des Internetkonzerns im Schnitt so viel Strom wie knapp neun Sekunden Fernsehen. Die konkrete Energiemenge bezifferte Google auf 0,24 Wattstunden. Vom ChatGPT-Erfinder OpenAI hieß es im Juni, eine durchschnittliche KI-Anfrage verbrauche bei 0,34 Wattstunden so viel Strom wie gut eine Sekunde Backofenbetrieb.

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