Marktausblick: Von Zinsen, Gold – und Selbstverleugnung

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Foto: Andrii Yalanskyi/iStock

Das beherrschende Thema momentan ist die Zinssenkung der US-Notenbank. Vor allem aber die Aussicht, dass es in diesem Jahr noch zwei weitere Schritte nach unten gehen kann. Benzin für die Börse.

Dabei kam der Zinsschritt selbst alles andere als überraschend. Im zuletzt schwächelnden DAX zog er dennoch wieder Käufer an, mehr jedenfalls als in den USA. Sinkende Zinsen machen Kredite günstiger, Unternehmen können somit leichter investieren, die Wirtschaft kommt in Schwung. Immobiliendarlehen – in den USA oft variabel verzinst – werden ebenfalls billiger. Der US-Leitzins steht jetzt bei 4,0 bis 4,25 Prozent. In Europa sind wir bei der Hälfte.

Innerhalb der Notenbank waren sich alle Gouverneure einig über den Zinsschritt um 25 Basispunkte – bis auf einen: Trumps Wirtschaftsberater Stephen Miran, der nur vorübergehend dem entscheidenden Gremium angehört. Der Abweichler plädierte für eine Zinssenkung um 50 Basispunkte. Der US-Präsident verlangt bekanntlich seit längerem, dass die Notenbank den Zins kräftig senkt. Das würde die Wirtschaft anschieben, aber sehr wahrscheinlich eben auch die Inflation. Die Marktbeobachter rechnen jetzt mit zwei weiteren Senkungen bis Silvester. Im nächsten Jahr könnte der Leitzins dann sogar auf drei Prozent sinken.

Das Leben in den USA ist schon jetzt verdammt teuer. Eine Dose Bier bei einer Sportveranstaltung kostet 15 Dollar. Kommenden Freitag erfahren wir Neues über die Konsumausgaben der Amerikaner, ein bevorzugtes Maß der Notenbank für die Einschätzung der Inflationsentwicklung. Tags zuvor kommen noch die Daten zur Verbraucherstimmung in Deutschland. In den vergangenen drei Monaten hat sie sich immer weiter eingetrübt.

Der Motor stottert

In Sachen US-Zinssenkung gibt es eine Nachricht hinter der Nachricht: Der Motor der US-Wirtschaft stottert, er muss durch günstiges Geld auf Touren gebracht werden. Es entstehen viel weniger neue Jobs als erwartet, die Arbeitslosigkeit steigt, die Inflationsgefahr bleibt bestehen. Trumps Politik voller Wirrungen und Wendungen haben die heimische Wirtschaft verunsichert. Auch wenn die meisten Konzernlenker ihm bis zur Selbstverleugnung huldigen. Diese Verunsicherung schlägt auch bei uns durch. Denn trotz Zöllen sind die USA nach wie vor der größte Handelspartner Deutschlands.

Solidität zählt

So gesehen hat sich die Börse bislang wacker gehalten. Es gilt das Prinzip Hoffnung. Das haben Investorinnen und Investoren offenbar bei der Schwelle von 23.000 Punkten im DAX entdeckt. Dort setzten die Käufe wieder ein. Uns Normalsterblichen bleibt nicht viel anderes, als auf Sicht zu fahren. Und möglichst solide zu investieren. Europäische ETFs, Fonds und Dividendenaktien sind angesagt.

Änderungen im DAX

Ein Kuriosum am Rande: Am Donnerstag hatte der DAX 41 Mitglieder. Conti spaltete seinen Autozulieferer Aumovio in die Selbstständigkeit ab. Nach Handelsschluss wurde dieser wieder aus dem Leitindex entfernt. Letzteres gilt ab Montag auch für Porsche und Sartorius. Dann treten die angekündigten Indexänderung in Kraft, der Anlagenbauer Gea und das Internetunternehmen Scout24 steigen in die erste Börsenliga auf. Das kann zu spürbaren Kursausschlägen bei den Aktien führen, denn Fonds, die den DAX und den MDAX abbilden, müssen die jeweiligen Papiere dann kaufen bzw. verkaufen.

Der Run auf Gold

Szenenwechsel: Viele haben ihr Heil in Gold gesucht. Zu Recht: Rund 40 Prozent hat es in diesem Jahr bereits zugelegt, in US-Dollar gerechnet. In Euro sind es immerhin noch 24 Prozent. Die fundamentalen Aussichten für das Edelmetall bleiben angesichts der angespannten Weltlage positiv. Dennoch gibt es auch Anzeichen für eine Überhitzung. Gold ist aus charttechnischer Sicht so überkauft wie seit 45 Jahren nicht. Da steigt die Rückschlagsgefahr. Wer jetzt erst einsteigt, sollte also gute Nerven mitbringen.

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