Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin. So hieß es früher. Heute gilt: Stell dir vor, es ist Handelskrieg, und die Börse ignoriert ihn. So läuft es inzwischen. Das Zollschwert Donald Trumps wird vom Markt zunehmend als stumpf betrachtet.
Der Geschäftsmann Trump ist schon fünfmal in die Insolvenz gerutscht. Aber laut eigenem Bekunden natürlich trotzdem ein fabelhafter Geschäftsmann. „Ich habe einen super Job gemacht. Ich bin im Geschäft“, sagte er damals. Dass er heiße Luft produziert, gehört bei ihm jedenfalls zum Alltag. Das scheint zunehmend auch die Börse so zu sehen. Von 25 auf 50 Prozent hat Trump die Zölle auf europäischen Stahl kurzerhand erhöht. Doch die Aktienkurse sind dieses Mal nicht wie zuvor abgestürzt. Die Börse hat die Nachricht mehr oder weniger ignoriert.
Weil klar ist, dass selbst in den USA Stahlwerke nicht in zwei Wochen aufgebaut werden können und die US-Industrie von Importen abhängig ist. Und weil die Amerikaner zwar Stahlwerke in ihrem Land schätzen, aber kaum jemand dort arbeiten möchte. Es gibt jede Menge Produkte aus Europa (und noch viel mehr aus China), auf die die Industrie in den USA angewiesen ist. Und ohne die innerhalb kürzester Zeit die Bänder dort stillstehen. Der US-Arbeitsmarkt stagnierte im Mai und zeigte sich so schwach wie seit zwei Jahren nicht mehr, das ist ein Warnsignal für die Konjunktur. Kurzum: Langsam gewöhnen sich die Investorinnen und Investoren an das Zoll-Getöse. Es wirkt wie inzwischen eher wie ein groß inszeniertes Kasperltheater.
Dünne Handelsumsätze
Auf der anderen Seite gehen zusehends die Gründe aus, warum DAX & Co. weiter steigen sollten. Am Donnerstag markierte der deutsche Leitindex wieder mal einen neuen Rekordstand – auch das wird inzwischen fast schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Es braucht schon eine Menge Fantasie, um auf dem aktuellen Niveau noch ein hinnehmbares Chance-Risiko-Profil für Zukäufe zu sehen. Daher sind auch die Handelsumsätze dünn geworden. Die Landesbank Hessen-Thüringen spricht von einem hohen Korrekturrisiko. In das mag kaum mehr jemand hineininvestieren.
„Geliefert“ hat indes die Europäische Zentralbank (EZB). Erwartungsgemäß hat sie den Leitzins am Donnerstag erneut um 0,25 Basispunkte gesenkt, um Kredite für Unternehmen billiger zu machen und so die Wirtschaft anzukurbeln. Bei 2,0 Prozent steht der maßgebliche Einlagensatz jetzt. Es war die achte Senkung seit Mitte 2024. Weil mit dem Schritt gerechnet worden war, verlieh er dem Aktienmarkt keine wesentlichen Impulse mehr. Mindestens noch eine weitere Zinssenkung wird für dieses Jahr erwartet.
Neue Wirtschaftsdaten
Die kommende Woche startet mit Wirtschaftsdaten aus China, unter anderem zur Inflation. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt kämpft mit deflationären Tendenzen, also mit sinkenden Preisen. Das ist nett für Verbraucher, aber übel für die Wirtschaft. In der Schweiz entwickelt sich die Lage übrigens ähnlich. Dazu kommen noch die Export- und Importzahlen vom Mai. Im April stiegen die chinesischen Ausfuhren in Dollar gerechnet um 8,1 Prozent gegenüber Vorjahr, die Importe schrumpften um 0,2 Prozent.
Auch die Handelsbilanz des Euroraums für April wird nächste Woche veröffentlicht. Im März waren die Ausfuhren um 13,6 Prozent gegenüber Vorjahr gestiegen, die Einfuhren um 8,8 Prozent. Der Handelsüberschuss legte von 22,8 auf 36,8 Milliarden Euro zu. Zurückzuführen ist das zum Teil auf Vorzieheffekte von Bestellungen aus den USA, um Trumps Zöllen zuvorzukommen.
Und noch etwas in Sachen Konjunktur erwartet uns: Die Sommerprognose des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Die Berichte erscheinen viermal im Jahr. Beim letzten Mal gingen die Ökonomen von einem stagnierenden deutschen Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr aus und von 1,5 Prozent Wachstum 2026. Für die USA erwarteten sie nachlassende Dynamik, für China fehlenden Schwung und für Europa eine leichte Erholung. Mal sehen, ob sich daran etwas geändert hat…