Im Business müssen sich Frauen oft gegenüber männlichen Entscheidern behaupten. Wie das gelingt, weiß unsere Gastautorin. Hier verrät sie ihre Tipps für mehr Durchsetzungskraft
Ein Gastkommentar von Sabrina Rizzo
Die Situation kennt ihr vielleicht: Management-Meeting, ihr seid top vorbereitet, zeigt eine Präsentation, die den Fortschritt eures Projekt vermitteln soll. Auch euer Outfit habt ihr perfekt gewählt. Dann kommen Fragen aus der Gruppe, die mal wieder überwiegend aus Männern besteht. Unerwartete Fragen. Bissige Fragen vielleicht. Die Diskussion läuft so gar nicht nach euren Vorstellungen. Ihr werdet unsicher …
Solche Situationen erleben meine Coachees zuhauf. Und viele lassen sich recht einfach vermeiden. Ob Pitch, Verhandlung oder Teammeeting: Es gibt ein paar Spielregeln dafür. Gerade in männlich dominierten Gruppen. Diese Spielregeln müsst ihr nicht mögen. Aber wenn ihr sie kennt und eure (Körper-)Sprache richtig einsetzt, fällt es euch viel leichter, sich zu behaupten. Ich weiß aus Erfahrung: Die meisten Männer lieben es, in solchen Situationen zu „spielen“. Sie spielen übrigens auch unter sich. Aber sie kennen die Regeln. Wir Frauen nicht. Sprache, Gestik, Mimik: Auf diese drei Komponenten kommt es an. Hier verrate ich euch meine 3 x 3-Quicktipps, mit denen ihr sofort mehr Souveränität und Fachkompetenz ausstrahlt.
Sprache
Tipp 1: Verunsicherungstaktik durchschauen
Männer, die verunsichern wollen, stellen besonders gern die fachliche Kompetenz ihres Gegenübers infrage. Die meisten Frauen reagieren darauf irritiert und können nicht mehr souverän kontern. Wenn ihr euch erklärt, entschuldigt oder rechtfertigt, wirkt ihr zickig, sensibel oder bestätigt den Zweifel. Antwortet deshalb nicht mit einer Erklärung, sondern reagiert immer auf gleicher Ebene. Heißt: Kontert seine Bemerkung ebenfalls mit fachlichen Zweifeln. Das kann in etwa so klingen:
Der Kollege sagt: „Wie kommen Sie denn zu solch komischen Ergebnissen?“
Ihr antwortet: „Mich wundert es, dass Sie diese Frage überhaupt stellen!“
Wichtig ist jedoch: Wendet diese Technik nur dann an, wenn ihr merkt, dass wirklich eine Verunsicherung das Ziel der Frage ist. Ist die Frage tatsächlich inhaltlich gemeint, dann erweckt ihr mit der Antwort womöglich eher den Eindruck mangelnder Kritikfähigkeit.
Tipp 2: Fehler finden
Stellt euch vor, ihr müsst zwei eurer Teammitglieder bewerten, weil sich diese auf eine Führungsposition im Unternehmen beworben haben. Beide sollen eine perfekte Projektarbeit bewerten.
Der erste Kollege urteilt: „Die Arbeit ist Ihnen allen großartig gelungen. Wenn Sie aber diesen einen Punkt noch angepasst hätten, wäre die Arbeit nahezu perfekt.“
Die zweite Kollegin zieht ihr Fazit so: „Die Arbeit ist Ihnen allen großartig gelungen, und ich finde sie perfekt.“
Wem von beiden würdet ihr mehr Fachkompetenz bescheinigen? Wahrscheinlich dem Kollegen. Weil er einen Fehler gefunden hat. Gerade Männer wissen: Wenn sie Fehler finden, stellen sie sich automatisch als fachkompetenter dar. Denn sie hätten den Fehler „natürlich“ noch vor der Abgabe bemerkt. Zudem profitiert er vom Assoziationsprinzip. Und das geht so: Wenn er da einen Fehler findet, gelingt es ihm sicher, auch in anderen Bereichen Fehler rechtzeitig zu vermeiden. Findet also bitte immer einen Fehler! So wirkt ihr kompetenter.
Tipp 3: Sagen statt fragen
Deborah Tannen, eine renommierte amerikanische Sprachwissenschaftlerin, hat herausgefunden, dass Männer häufig die vertikale Sprache benutzen und Frauen eher die horizontale. Was heißt das? Zum Beispiel, dass Männer oft etwas anordnen, während Frauen tendenziell eher fragen. Und es ist ein feiner Unterschied, ob jemand sagt: „Machen Sie das bitte!“ Oder fragt: „Können Sie das bitte machen?“
Wenn ihr es mit vertikal sprechenden Personen zu tun habt – darunter sind natürlich auch Frauen –, dann solltet ihr ebenfalls vertikal sprechen. Viele meiner Coachees sagen: „Aber Frau Rizzo, das bin ich nicht.“ Ich entgegne dann: „Wenn Sie Chinesisch lernen müssten, um ein großes Projekt in Shanghai zu leiten, würden Sie auch nicht sagen, dass Sie nicht in dieser Sprache kommunizieren wollen.“
Gestik
Tipp 1: Nicken für mehr Überzeugung
Wenn ich vor Publikum einen Vortrag halte, sehe ich schnell, wie viele Menschen ich bereits erreicht habe. Ich erkenne das am Nicken. Ich nicke während der Rede. Wenn die Zuhörer dann ebenfalls nicken, ist das nicht nur ein Zeichen von Sympathie, sondern zeigt auch, dass ich diese Personen überzeugt habe. Das ist gut so, denn wenn ihr sprecht und dabei nickt, nickt euer Gegenüber innerlich mit und kann in diesem Moment kein „Nein“ denken. Frauen nicken im Übrigen bis zu 70 Prozent häufiger als Männer. Nutzt diesen körpersprachlichen Trick immer dann, wenn es darum geht, jemanden von euch und eurer Position zu überzeugen.
Tipp 2: Schieflage vermeiden
Viele Frauen neigen dazu, ihren Kopf während eines Gesprächs leicht schief zu halten. Gehört ihr dazu? Davon kann ich nur abraten. Ihr verliert an Autorität.
Tipp 3: Auf allen Kanälen kommunizieren
Stellt euch eine Person vor, die überzeugen will, aber die Mimik bleibt unbewegt, der Körper starr oder die Stimme monoton. Komisch, oder? Wenn ihr etwas glaubhaft rüberbringen wollt, dann kommuniziert nicht nur auf einem Kanal, sondern mit Mimik, Körper und Stimme. Gestikuliert! Unterstreicht eure Argumente durch eine souveräne Körperhaltung und passende Handbewegungen! Je mehr Kanäle ihr parallel für eure Botschaft nutzt, desto höher ist eure Authentizität.
Mimik
Tipp 1: Nur lächeln, wenn es angebracht ist
Lächeln ist ein soziales Zeichen. Es ist wichtig, wenn es darum geht, Vertrauen aufzubauen und Freundschaft zu erkennen. Aber: Nicht immer ist das Lächeln im Businesskontext passend. Besonders gegenüber männlichen Kollegen signalisiert ihr damit, dass ihr eher sozial- als fachkompetent seid.
Ein Beispiel: Vor vielen Jahren, als ich noch Leiterin der Ausbildungsabteilung eines Unternehmens war und wir externe Unterstützung suchten, luden wir den Geschäftsführer einer Akademie ein. Er begrüßte mich mit den Worten: „Ah, Sie sind also Frau Rizzo. Von Ihnen habe ich schon viel gehört.“ Das war ein klassischer Einschüchterungsversuch, um mich in die Subordination zu drücken. Ein Lächeln wäre hier völlig unangebracht gewesen, auch wenn es bei einer Begrüßung intuitiv vielleicht als passendes Signal empfunden wird. Ich begrüßte ihn ebenfalls, blickte ihm direkt in die Augen und sagte: „Ich von Ihnen auch, Sie dürfen sich setzen.“ Verunsicherungsversuch versus Verunsicherung! Der Punkt ging an mich.
Tipp 2: Die Mimik eures Gegenübers spiegeln
Wir alle können mimisch sprechen, denn noch bevor wir Menschen die Sprache entwickelten, mussten wir den Gemütszustand unserer Mitmenschen sehr schnell am Gesicht erkennen, um zu wissen, ob alles okay ist. Wenn ihr mit einem Menschen redet und dieser euch mimisch zum Beispiel Trauer zeigt, dann ist es gut, wenn ihr ebenfalls mimisch kurz in die Trauer geht. Denn damit signalisiert ihr eurem Gegenüber: Ich verstehe deine Situation und fühle mit dir. Das funktioniert bei fast jeder Emotion: Angst, Wut, Ekel, Freude oder Überraschung.
Tipp 3: Einfach mal nichts tun
Ich liebe diese Technik, weil sie Männer, die versuchen, Frauen zu verunsichern, total aus dem Konzept bringt. Wenn ein Kollege das nächste Mal versucht, euch zu verunsichern, dann macht einfach mal: nichts – außer ihn anzusehen. Richtig gelesen, macht nichts! Kein Kopfnicken, kein Lächeln kein „mmh“, kein „ja“ – nur ansehen! Ich nenne diese Ebene „No Reaction“. Damit irritieren ihr ihn enorm. Denn er braucht unbedingt Feedback. Und wenn der Kollege das einfordert, aber auch wirklich nur dann, antwortet: „Dazu sage ich nichts“ – und geht. Ihr könnt auch ein Buch aufschlagen, ein Glas nehmen und trinken, in einen Apfel beißen oder euch mit etwas anderem beschäftigen. Ich kann aus Erfahrung sagen: Das Euch-testen-Wollen hat damit ein Ende! Er wird künftig alles dafür tun, um eine andere Reaktion von euch zu bekommen.
Zum Schluss noch ein allgemeiner Tipp, der alle drei Ebenen – Sprache, Gestik und Mimik – betrifft: Reduzieren euer Ihr Tempo! Egal ob beim Sprechen, Laufen oder Handeln: Tut alles mit der Hälfte eurer gewohnten Geschwindigkeit. Langsamkeit strahlt Macht und Kontrolle aus. Oder habt ihr mächtige Persönlichkeiten schon einmal rennen sehen? Und stapelt bitte nicht tief. Ihr seid gut in dem, was ihr macht und wie ihr es macht. Ihr habt es drauf! Und jetzt geht ruhig raus und spielt ein wenig mit! (ag)
Den ganzen Artikel von Sabrina Rizzo findet ihr in der Courage 06/23.