Ökonomen-Stimmen zur Inflation in Deutschland

Viele Verbraucher haben mit der Preiswelle der vergangenen Jahre an Kaufkraft verloren (Archivbild)
(Archivbild) Foto: Jan Woitas/dpa

Günstigere Energie und geringere Preissteigerungen bei Lebensmitteln: Die Inflationsrate in Deutschland ist überraschend auf den niedrigsten Stand seit über einem halben Jahr gesunken. Im Juni lagen die Verbraucherpreise um 2,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Montag mitteilte. So niedrig war die Teuerung zuletzt im Oktober. Im Mai hatte die Rate noch 2,1 Prozent betragen.

Einschätzungen von Ökonomen:

Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust:

“So wie die Außentemperaturen bleibt auch das Preisklima in Deutschland auf hohem Niveau. Mit einem Anstieg von 2,0 Prozent ist kaum Abkühlung gegenüber dem Mai eingetreten. Die Urlaubszeit bringt keine Erholung von der Teuerung. Vor allem im Dienstleistungsbereich steigen die Preise weiter. Wer verreist, spürt es bei der Buchung vom Hotelzimmer – wer daheim bleibt, in der Eisdiele. Der Preisanstieg zeigt dabei die gleichen Muster: Energiepreise haben im Vorjahresvergleich zur Entlastung der Verbraucher beitragen, Nahrungsmittel und Dienstleistungen sind deutlich teurer als vor einem Jahr, auch wenn die Inflationsraten hier allmählich zurückgehen.”

Ulrich Kater, Chefvolkswirt Dekabank:

“Die Inflation ist weiterhin auf Schmusekurs. Die hohen Rohölpreise während der Eskalation des Israel-Iran-Konflikts haben die Inflationsrate hierzulande nicht beeinträchtigt, denn mittlerweile sind die Ölpreise bereits wieder deutlich gefallen. Die Europäische Zentralbank wird in den kommenden Monaten genau hinschauen, ob die gerade wieder gebändigte Inflation auch weiterhin so zahm bleibt. Ihre Geldpolitik hat sie bereits wieder auf den Normalbetrieb umgestellt. Die Zinsen sind gefallen, die akute Inflationsbedrohung ist vorbei.”

Ralph Solveen, Volkswirt Commerzbank:

“Die deutsche Inflationsrate ist im Juni auf 2,0 Prozent gefallen und lag damit genau auf dem EZB-Ziel. Die Kernrate ohne die häufig sehr volatilen Preise für Nahrungsmittel und Energie ist leicht gefallen, war mit 2,7 Prozent aber immer noch höher. Auch für die kommenden Monate ist hier nur mit einem allmählichen Rückgang zu rechnen.”

Ralf Umlauf, Volkswirt Landesbank Hessen-Thüringen, Helaba:

“Sowohl die monatliche Veränderungsrate als auch die Jahresrate liegen im Juni den vorläufigen Daten zufolge unterhalb der Erwartungen. Zwischenzeitliche Benzinpreisanstiege wurden durch einen schwachen Preisdruck in den Kernpreisen überkompensiert. Die Kerninflation ist um ein Zehntel auf 2,7 Prozent gesunken. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte sich zuletzt in einer eher abwartenden Haltung gezeigt. Sollte sich der schwache Preisanstieg auch auf europäischer Ebene zeigen, dürften die Zinssenkungserwartungen aber wieder forciert werden.”

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING:

“Zumindest auf kurze Sicht dürfte die deutsche Inflation ihren Abwärtstrend fortsetzen und in den kommenden Monaten wahrscheinlich unter 2 Prozent fallen. Diese Einschätzung wird durch die jüngsten Verkaufspreiserwartungen sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungssektor bestätigt, die auf den niedrigsten Stand seit mehr als einem Jahr gefallen sind. Es versteht sich von selbst, dass die aktuelle Inflationsprognose zu einem großen Teil von den künftigen Ölpreisen abhängt. Strukturell gesehen wird die künftige Entwicklung der zugrunde liegenden Inflation von zwei gegenläufigen Trends geprägt sein: Einerseits dürfte die Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt den Lohndruck und damit den Inflationsdruck verringern, andererseits dürften die staatlichen Konjunkturmaßnahmen den Inflationsdruck gegen Ende des Jahres und darüber hinaus erhöhen.”

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:

“Die Europäische Zentralbank dürfte sich in ihrem Kurs bestätigt fühlen. Die Zinssenkung im Juni erwies sich rückblickend als richtig. Der noch immer deutliche Anstieg der Dienstleistungspreise dürfte die EZB aber vorerst vor weiteren Zinssenkungen abhalten. Für einen weiteren geldpolitischen Lockerungskurs müssten auch im Bereich der Service-Preise die Ampeln auf Grün stehen. Auf der nächsten Zinssitzung wird es eine Pause im Zinssenkungszyklus geben.” (dpa-AFX/la/mis/cw)

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