Paragraf 218: Schwarz-Rot debattiert über Koalitionsvertrag

Wie sind die Vereinbarungen zum Paragrafen 218 zu interpretieren? (Archivbild)
Wie sind die Vereinbarungen zum Paragrafen 218 zu interpretieren? (Archivbild) Foto: Kay Nietfeld/dpa
Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf wird auch wegen ihrer Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen kritisiert. Sie kontert mit dem Hinweis auf den Koalitionsvertrag. Der sorgt nun für Differenzen.

Berlin (dpa) – In Union und SPD werden die Festlegungen zum Thema Schwangerschaftsabbruch im schwarz-roten Koalitionsvertrag unterschiedlich interpretiert. «Eine Veränderung bei Paragraf 218 ist nicht vereinbart und stünde im klaren Widerspruch zur Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Ungeborenen und zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes», sagte die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker der «Welt». 

In der SPD wird dies anders gesehen. «Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir die Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen über die aktuelle Regelung hinaus erweitern. Für mich bedeutet das, dass wir diese zu einer Kassenleistung machen wollen», sagte Rechtsexpertin Carmen Wegge. «Dafür wäre es tatsächlich erforderlich, den Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase zu legalisieren, weil rechtswidrige Eingriffe nicht über die Krankenkassen finanziert werden können. Hier hat Frau Brosius-Gersdorf recht.»

Festlegung im Koalitionsvertrag

Hintergrund der Debatte ist eine Festlegung im Koalitionsvertrag, auf die die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf hingewiesen hat, die von der SPD für das Bundesverfassungsgericht nominiert worden ist. Dort heißt es, man wolle für Frauen in Konfliktsituationen den Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung ermöglichen. «Wir erweitern dabei die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus.»

Nach Ansicht von Brosius-Gersdorf macht diese Formulierung eine Legalisierung von Abtreibungen in der Frühphase der Schwangerschaft nötig, da eine Leistungspflicht der Krankenkassen nur für rechtmäßige Abbrüche bestehe. Die Juristin hat mit dem Hinweis auf den Koalitionsvertrag auf den Vorwurf reagiert, sie sei beim Thema Abtreibungen zu liberal. Aktuell gilt in Deutschland: Abtreibungen sind rechtswidrig, in den ersten zwölf Wochen aber unter bestimmten Bedingungen straffrei möglich.

Union sieht keine Notwendigkeit zur Änderung des geltenden Rechts 

Die Union weist diese Interpretation zurück: Mit der Formulierung sei lediglich die Verbesserung der finanziellen Unterstützung für bedürftige Frauen gemeint, so Winkelmeier-Becker. «Bei geringem Einkommen werden die Kosten schon heute von den Bundesländern aus Steuermitteln übernommen. In dem Antragsverfahren sind die Krankenkassen das Scharnier, sie leiten die Anträge an die staatlichen Stellen weiter.» Nichts anderes sei gemeint, wenn von einer Erweiterung der Kostenübernahme die Rede sei. 

Ihre SPD-Kollegin Wegge widerspricht. Mit ihrem fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf, Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase zu legalisieren, hätten sich SPD, Grüne und Linke vor der Bundestagswahl zwar nicht durchsetzen können – auch weil die Zeit gefehlt habe, sagte die Rechtspolitikerin der «Welt». CDU-Chef Friedrich Merz habe aber im Zuge der Debatte gesagt, dass er dazu bereit sei, nach der Wahl über eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zu reden. «Daran werden wir ihn auch messen.» 

Merz schließt Notwendigkeit zu rechtlichen Änderungen nicht aus 

Der Bundeskanzler hatte am Freitag bei seiner Sommerpressekonferenz gesagt, die Verabredungen aus dem Koalitionsvertrag sollten ohne Abstriche kommen. «Welche Rechtsfolgen das hat, möglicherweise auch auf den Paragrafen 218 des Strafgesetzbuches, kann ich jetzt nicht abschließend beurteilen», so der Kanzler. Er wies darauf hin, dass Schwangerschaftsabbrüche derzeit rechtswidrig seien, aber unter bestimmten Umständen straffrei blieben. 

«Ob diese Konstruktion geändert werden muss, wenn wir im Sozialrecht und im Krankenkassenrecht etwas ändern, vermag ich im Augenblick nicht zu beantworten. Meine Vermutung ist, wir werden daran, jedenfalls deswegen, nichts ändern müssen», so Merz.

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