Ausgerechnet Beschäftigte in Berufen mit Fachkräftemangel kehren häufiger ihrem Job den Rücken und wechseln in Bereiche mit weniger Personalengpässen. Wechsel in die andere Richtung sind dagegen seltener. Damit geht dringend benötigtes Fachwissen verloren und der Fachkräftemangel verschärft sich. Um den Trend umzukehren, braucht es höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Aufstiegschancen in den Mangelberufen.
Der Fachkräftemangel in Deutschland verschärft sich, weil es nicht gelingt, die Fachkräfte in den Engpassberufen, also in Bereichen mit ausgeprägter Personalknappheit, zu halten. Von 2022 bis 2023 verließen – unter anderem wegen schlechter Arbeitsbedingungen und zu geringen Löhnen – etwa 191.000 Personen den Engpassbereich zugunsten von Jobs ohne Fachkräftemangel. Nur rund 167.000 kamen aus diesen Bereichen neu dazu. Unterm Strich fließt Personal ab – die Verbleibquote in Mangelberufen liegt 1,7 Prozentpunkte unter der in Jobs ohne Fachkräftemangel.
“Die aktuelle Wechseldynamik zwischen Jobs verschärft die ohnehin schon schwierige Situation in Bereichen wie der Pflege oder dem Handwerk. Wenn wir 24.000 Fachkräfte in einem Jahr verlieren, dann entspricht dies der Einwohnerzahl einer Kleinstadt. Wir müssen diesen Trend umkehren”, kommentiert unsere Arbeitsmarktexpertin Luisa Kunze die Ergebnisse einer Untersuchung des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in unserem Auftrag.
Durch die Jobwechsel geht dem Arbeitsmarkt Kompetenz verloren
Die Situation wird noch dadurch verschärft, dass Menschen aus Engpassberufen häufig in für sie fremde Berufe wechseln. Mehr als ein Drittel ändert die berufliche Ausrichtung beim Wechsel komplett. Das gilt ganz besonders für Beschäftigte, die den Gesundheits- und Pflegebereich verlassen. Dort orientieren sich sogar rund zwei Drittel komplett um. “Damit gehen besonders im Pflegebereich für den Arbeitsmarkt wichtige Kompetenzen vollständig verloren”, sagt Kunze.
183 von 522 besonders relevanten Berufen hat die Bundesagentur für Arbeit 2023 als Engpassberufe eingestuft, rund 40 Prozent der Beschäftigten arbeiten derzeit in solchen Berufen mit messbarem Fachkräftemangel – besonders häufig in der Kranken- und Altenpflege, in vielen Bau- und Handwerksberufen sowie in der IT. Arbeitnehmer:innen im Engpassbereich sind tendenziell jünger als Beschäftigte in anderen Berufen. Angesichts des demografischen Wandels könnten sie also in den betroffenen Berufen eine solide Fachkräftebasis bilden, wenn es gelingt, sie dort zu halten.
Was hilft? Höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und Aufstiegschancen
Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Entspannung der Situation könnte eine bessere Bezahlung sein. Derzeit ist das Lohnniveau im Engpassbereich im Schnitt niedriger als in anderen Berufen. Die Untersuchung zeigt: Liegt der eigene Lohn um fünf Prozent unter dem beruflichen Durchschnitt, ist die Wahrscheinlichkeit, im Job zu bleiben, drei Prozentpunkte niedriger als bei anderen Arbeitnehmer:innen. “Hier haben Unternehmen Gestaltungsmöglichkeiten: Mit dem richtigen Mix aus höheren Löhnen, Entwicklungsperspektiven und reduzierter Arbeitsbelastung können sie Mitarbeitende halten. Möglichkeiten zur Aufstiegsqualifizierung helfen, dass Arbeitnehmer:innen ihre Kompetenzen ausbauen und in Mangelberufen bleiben”, sagt Kunze. (Quelle: Bertelsmann Stiftung)





