Richtig bewerben 50+: Darauf kommt es an

Sind Ältere bei der Jobsuche chancenlos? Keineswegs
Sind Ältere bei der Jobsuche chancenlos? Keineswegs, ©fizkes/iStock

Sind Ältere bei der Jobsuche chancenlos? Keineswegs. Auch mit 50 plus kann ein Stellenwechsel oder Wiedereinstieg gelingen – frau muss nur wissen, wie.

Von Sabine Hildebrandt-Woeckel

Eigentlich sollte die Sache ganz einfach sein, schließlich ist sie gleich im ersten Paragrafen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geregelt: „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ sind zu verhindern oder zu beseitigen. Eine ältere Bewerberin, so will es das AGG, muss in einem Unternehmen die gleichen Chancen haben wie eine junge Frau. 

Qualifikation gut verkaufen

Doch genauso wie Frauen auch heute noch häufiger an gläserne Decken stoßen als Männer und die Herkunft bei vielen Fragen eben doch eine Rolle spielt, gilt bei Bewerbungen: Mit zunehmendem Alter werden die Hürden bei der Jobsuche höher. Allerdings, stellt Barbara Motschenbacher vom „Karrierecoach“-Team in München klar, heißt das nicht, dass Bewerbungen mit 45, 50 oder 55 plus aussichtslos sind. Tatsächlich hat frau es selbst in der Hand, sich und die eigene Qualifikation gut zu verkaufen.

Das Wichtigste dabei: nicht selbst den Vorurteilen aufsitzen, die man anderen unterstellt. „Jetzt nimmt mich doch eh keiner mehr.“ Sätze wie diese hören Motschenbacher und ihre Kollegen oft. „Aber sie stimmen einfach nicht“, so die Expertin. Und das umso weniger, je höher die zu besetzende Position angesiedelt ist, findet auch der Frankfurter Personalberater Heiner Thorborg. Er ist seit 40 Jahren im Geschäft und besetzt vornehmlich die erste Führungsebene internationaler Konzerne. 

Dort ist das Alter von 50 kein Problem, sagt er. Schwierig wird es erst, wenn die 60 näher rückt. Auf nachgeordneten Führungsebenen kann es zwar schon mal enger werden. Aber wer zeigt, dass er bereit ist, sich weiterzuentwickeln, hat auch mit 50 plus gute Chancen.

Oft sind es die Frauen selbst, denen ihr Alter als Handicap gilt. Inge Zimmermann, geschäftsführende Vorständin der Stuttgarter Kontaktstelle „Frau und Beruf“, sieht es wie Motschenbacher. Selbst topqualifizerte Frauen, so ihre Erfahrung, scheuen mitunter davor zurück, sich für den nächsten Karriereschritt noch einmal nach einem neuen Arbeitgeber umzusehen – und harren lieber auf ungeliebten Positionen oder mit missgünstigen Kollegen aus.

Dabei sieht die Realität in vielen Unternehmen inzwischen anders aus. Wohl auch gedrängt durch demografische Entwicklung und zunehmenden Fachkräftemangel, zeigen sich immer mehr Arbeitgeber offen gegenüber älteren Kandidaten und Kandidatinnen. Und schon länger gibt es sogar Jobmessen wie Job40-plus, die sich nur an Menschen mit nennenswerter Berufserfahrung richten, oder Onlineportale wie silverworker-online.de und perspektive50plus.de, auf denen Personaler gezielt nach sogenannten Mid-Agers Ausschau halten. 

Trotzdem, das weiß auch Laura Brändle, Coach und Texterin bei der Bochumer Firma Die Bewerbungsschreiber, gilt es gerade für Silver- oder Gold-Ager, wie sie gern bezeichnet werden, einiges zu beachten, wenn sie einen Jobwechsel oder sogar einen Wiedereinstieg nach längerer Familienpause planen. Angefangen bei der ganz praktischen Frage „Wie gehe ich mit einem langen Lebenslauf um?“ bis hin zum Umschiffen eben doch noch vorhandener Vorurteile.

Zweifel im Keim ersticken

Vorbehalte gegenüber älteren Bewerberinnen und Bewerbern gibt es weiß Gott mehr als genug: Sie seien nicht mehr so leistungsfähig, nicht flexibel genug, warteten nur noch auf die Rente; ihnen fehle die Motivation, sich den aktuellen Jobherausforderungen zu stellen; sie seien von der zunehmenden Digitalisierung gnadenlos überfordert. 

Wer alle Zweifel im Keim ersticken will, muss offensiv gegensteuern, rät Brändle. Schon im Anschreiben muss drinstehen, was an derlei Thesen faul ist. Wer also bereits umfassende Umstrukturierungen erlebt und vielleicht sogar begleitet hat, sollte dies hervorheben. Ebenso, wer sich in neue IT-Systeme eingearbeitet oder deren Einführung offensiv eingefordert hat. Dass dieses Wissen auch im Ehrenamt, Sportverein oder Elternbeirat erworben worden sein kann, versteht sich von selbst.

Ebenfalls eine Möglichkeit, seine Offenheit gegenüber der technischen Entwicklung zu zeigen, erläutert Karrierecoach Motschenbacher, ist die Onlinepräsenz in einem Businessnetzwerk. Wer ein gutes und gepflegtes Profil hat und darauf auch agiert, vermittelt nebenbei, dass er up to date ist – und sehr effektiv. Denn rund zwei Drittel aller offenen Positionen, zeigen heutige Studien, werden über Onlinenetzwerke vergeben.

Aus ebendiesem Grund wird gerade der Generation Gold gern geraten, Messen oder Fachkonferenzen zu besuchen, um dort den direkten Kontakt zu Unternehmen zu suchen – und erst im Nachgang Unterlagen einzureichen. Wer sich geschickt anstellt, vermeidet, dass seine Dokumente im allgemeinen Bewerbungsstapel untergehen. Im direkten Gespräch geht es nämlich um Kompetenz – und nicht um Formalien wie das Geburtsdatum.

Aber noch einmal zurück in die Onlinewelt. Wer den Bewerbungsprozess mit Xing und LinkedIn pushen will, legt sein Profil frühzeitig an – also schon zu Zeiten, in denen man sich im Job oder in der Familienzeit noch wohlfühlt. Viele machen den Fehler, erst dann online aktiv zu werden, wenn die Jobsuche tatsächlich ansteht. „In ein paar Tagen oder Wochen lässt sich aber kein Netzwerk aufbauen“, so Motschenbacher. Hier am Geld zu sparen hält die Expertin ebenfalls für keine gute Idee. Wird ein Premium-Account benötigt, um aktiv Kontakt aufnehmen zu können, ist das allemal eine gute Investition.

Nicht auf flippig machen

Für das Onlineprofil – ebenso wie für die Bewerbungsunterlagen – ist es wichtig, modern aufzutreten. Weder Rechtschreibung noch Design sollten ältlich rüberkommen, sagt Texterin Brändle. Auch das Foto will mit Bedacht gewählt sein. Aber Vorsicht: Zu verspielt zu formulieren oder auf dem Foto auf flippig zu machen, das kommt auch nicht gut. Entscheidend ist, authentisch zu wirken. „Stehen Sie zu sich.“

Eine Formulierung, der auch Berufsbegleiterin Zimmermann zustimmt. Es kommt ihrer Ansicht nach nicht darauf an, jünger zu wirken, sondern das Alter und die damit verbundenen Kenntnisse und Fähigkeiten selbstbewusst darzustellen. Das heißt, gerade jene Dinge hervorzuheben, die ältere Jahrgänge den Jüngeren voraushaben: große Routine im Job beispielsweise oder persönliche Reife. Und es bedeutet, sich nicht für sein Alter zu entschuldigen. Sätze wie „Ich bin zwar schon 52, aber …“ sind in einer Bewerbung wie im persönlichen Gespräch tabu. 

Lebenslauf kurz halten

Ein heikler Punkt hingegen ist der Umgang mit längeren Krankheitszeiten. Eine Erwähnung im Anschreiben, darin sind sich Personaler einig, ist meist nicht sinnvoll. In den Lebenslauf aber gehört so etwas schon. Die Formulierung „Krankheitsphase mit anschließender vollständiger Regeneration“ kommt allemal besser als eine Lücke, so Beraterin Motschenbacher. Irrelevante Stationen dürfen Best Ager in ihrer Vita allerdings bewusst weglassen – gerade wenn sie lange zurückliegen. 

Denn ein zu langer Lebenslauf ist ebenfalls ein No-Go, vor dem alle Karriereprofis erfahrene Jobsuchende warnen. Für alles, was mehr als zehn Jahre zurückliegt, braucht es keine Tätigkeitsbeschreibung mehr, vielleicht nicht mal eine Erwähnung. Es sei denn, es ist für den Job von Bedeutung, auf den man sich bewirbt. „Zwei Seiten und nur in absoluten Ausnahmefällen drei“, so lautet das Credo von Headhunter Thorborg für den Lebenslauf. Und er stellt klar: Zehn Seiten (die er durchaus bekomme) „liest niemand.“ Auch Bewerbungen per Post brauche heute keiner mehr.

Das sehen aber nicht alle so streng. Allerdings, darüber besteht Einigkeit, sollte immer der Weg gewählt werden, der in einer Ausschreibung angegeben ist. Fordert man dort den Eingang per E-Mail oder über ein Bewerberportal, dann führt auch nur dieser Weg zum Ziel. Wobei auch hier einiges zu beachten ist. Thorborg erlebt es oft, dass zwar die E-Mail des Kandidaten personalisiert ist, das angehängte Anschreiben aber mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ beginnt. Solche Bewerbungen, die sich schnell als Rundschreiben entpuppen, finden keinen Anklang. 

Misstrauisch wird der Profi auch dann, wenn ein Lebenslauf zu glatt daherkommt – und das umso mehr, je älter ein Bewerber oder eine Bewerberin ist. Ein Leben ohne Rückschläge? Wer soll das glauben?

Jetzt wird nachgefragt

Und noch ein Tipp: Am vorläufigen Ende eines Bewerbungsprozesses steht das Vorstellungsgespräch. Wer es mit gutem Anschreiben und gestrafftem Lebenslauf so weit geschafft hat, muss jetzt damit rechnen, dass detailliert nachgefragt wird. Sich hier gute Antworten zurechtzulegen ist ein Muss. Ganz wichtig: Was vorher weggelassen wurde, sollte auch jetzt nicht ausschweifend gerechtfertigt werden.

Und ebenso muss frau auch spätestens jetzt gut kontern können, wenn sich der eine oder andere Personaler doch eine Anspielung auf ihr Alter erlaubt. Auch deshalb, sagt Expertin Zimmermann, ist es wichtig, sich selbstbewusst mit dem eigenen Alter zu arrangieren. Und den dadurch erworbenen Erfahrungsschatz auch wirklich als solchen zu verkaufen.

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