Sag laut, was du willst: Wie Frauen in die Machtgebiete kommen und auch dort bleiben!

Foto (von li. nach r.). Christina Sontheim-Leven, Bettina Weiguny und Anna Sophie Herken
Foto (von li. nach r.). Christina Sontheim-Leven, Bettina Weiguny und Anna Sophie Herken {© Patrycia Lukas)

Dienstag, 10:12 Uhr. Glaswand, langer Tisch, zwölf Führungskräfte – elf Männer, eine Frau. Die Top-Managerin im Raum stellt ihr wichtiges Projekt vor und möchte auf den Markt, die Marge und die wichtigen Meilensteine eingehen. Doch nach kurzer Zeitfällt ihr ein Kollege dreist ins Wort, recycelt ihren Punkt in etwas anderen Worten und mit dem feinen Unterschied, dass das Projekt (‘sein’ Projekt) nun in seinen Verantwortungsbereich fällt.

Ein Gastbeitrag von Christina Sontheim-Leven, Bettina Weiguny und Anna Sophie Herken

Die Managerin spürt das bekannte Kribbeln aus Wut und Zweifel in sich aufsteigen, dass sie jedes Mal erfasst, wenn Männer sie unterbrechen, ihr die Welt erklären oder sich ihre Ideen aneignen wollen. Sie hat – mühsam – gelernt, damit umzugehen. Ruhig richtet sie sich auf, hebt deutlich sichtbar die Hand und fixiert den Unterbrecher: „Bitte, lass mich ausreden.“ Dann setzt sie nach: „Es ist schön, dass Du an meinen Punkt anknüpfst, aber ich möchte meinen Vorschlag jetzt gerne weiter skizzieren. Danach bist Du dran.“ Ein kurzer Blick in die Runde. Der Kollege gibt Ruhe, elf Männer hören ihr zu. Am Ende ihrer Ausführungen segnet der CFO ihr Projekt ab. 

Situationen wie diese wurden uns in Interviews mit 50 Top-Managerinnen immer wieder geschildert. Der Tipp mit dem Handzeichen, den wir in unserem fiktiven Beispiel verwenden, stammt von der ehemaligen Bayer-Vorständin Sarena Lin. Sie gibt jungen Führungskräften eine ihrer wichtigsten Lehren mit auf den Weg: „Hole Dir immer Dein Rederecht zurück! Notfalls per Handzeichen.” Das klingt banal, ist es aber nicht. Es entscheidet mit über die Karriere einer Frau. Denn Männer unterbrechen Frauen drei Mal so häufig wie umgekehrt. Sie reden in gemischten Gruppen deutlich länger, auch wenn sie inhaltlich nicht mehr zu sagen haben als die Frauen. Und sie wiederholen gerne die Ideen einer Frau und verkaufen sie als ihre eigenen.

In unserem Buch “Machtgebiete – was Managerinnen erleben und wie sie gegenhalten” teilen über 50 erfolgreiche Top-Frauen erstmals offen ihre Erlebnisse. Sie berichten, was ihnen, die es an die Spitze geschafft haben, dort oben und auf dem Weg dorthin begegnet ist – von Mansplaining über unfaire Allianzen bis hin zu übergriffigen Grenzfällen. Die Fülle der Einzelfälle verdeutlicht dabei anschaulich das zugrundeliegende Problem: Es geht nicht darum, dass eine einzelne Frau „nicht passt“, sondern die Strukturen behindern die Wirkung der Top-Frauen. 

Gemeinsam mit den Spitzenmanagerinnen decken wir Autorinnen auf, wo die Sollbruchstellen im System liegen. Headhunter geben zweifelhafte Karriereratschläge. Aufsichtsräte statten die Rolle der ersten Vorständin im Team nicht mit ausreichend Mitteln aus. Kollegen und Teams wehren die „Neue“ und die von ihren erwarteten Veränderungen ab. Organisationen schreiben die alten Machtlogiken fort. Die Medien wiederholen die immer wieder die gleiche Erzählung über „gescheiterte Frauen“. Die Politik geht gesellschaftlichen Themen wie das Ehegattensplitting, die Kinderbetreuung oder die Elternzeitregelung nicht mutig genug an.

Bevor wir die von uns zusammengetragenen Lösungen skizzieren wir einen kurzen Reality-Check: Wer hat denn heute die Macht? Die harten Fakten sind wenig erfreulich:

  • 96 % der CEOs in den 160 börsennotierten Unternehmen sind Männer.
  • Im Mittelstand stagniert der Anteil der Chefinnen bei 16,5 %.
  • Und bei den 100 größten deutschen Familienunternehmen werden nur zwei von Frauen geführt.

Diese Zahlen sind ein Auftrag an uns, das zu verändern. Frauen stellen 50% der Bevölkerung und sollten entsprechend repräsentiert sein und mitentscheiden!

Leider haben wir festgestellt, dass der moralische Imperativ viele der Entscheider nicht überzeugt. Das ist kaum verwunderlich, denn wenn du an Privilegien gewöhnt bist, fühlt sich Gleichberechtigung wie Benachteiligung für dich an. Einige werden vielleicht durch die offenen persönlichen Geschichten in unserem Buch berührt und motiviert, etwas in ihrem Wirkungskreis zu ändern. Andere müssen wir mit Zahlen davon überzeugen, dass sich der Einsatz für mehr Gleichstellung für alle auszahlt.

Gleichstellung ist kein „Nice-to-have“, sondern knallharte Wirtschaftspolitik: Nach unseren Berechnungen über alle Dimensionen des Themas hinweg, lässt Deutschland jährlich 372 Milliarden Euro sprichwörtlich auf der Straße liegen, weil Frauen noch immer nicht gleichgestellt sind. Diese Summe ergibt sich durch vier Hebel: mehr Erwerbstätigkeit und Arbeitsstunden, transparente Pay- & Bonus-Systeme, mehr Frauen in Führung mit Sponsoring sowie vielfältige Teams, die bessere Entscheidungen und höhere Renditen bringen. Damit ist klar: Gleichstellung ist Wachstumspolitik, sowohl national als auch persönlich.

Was du heute schon tun kannst

Unser Buch begnügt sich aber nicht damit, transparent zu machen, wie reale Machtspiele funktionieren. Wir geben Dir darin zusätzlich am Ende jedes Kapitels viele Lifehacks an die Hand, mit denen Du diese Spiele für Dich nutzen kannst.

Fünf dieser Tipps, die unsere erfahrenen Interviewpartnerinnen mit uns geteilt haben, geben wir Dir hier weiter, damit Du mit sofortiger Wirkung loslegen kannst:

„Sagt immer laut, was ihr werden wollt.“ – Simone Menne

Formuliere konkret: Deine gewünschte Rolle, den Zeitpunkt, was Du verdienen willst, die Bandbreite und die Wirkung, die das auf die Ziele des Unternehmens haben wird. Dein Satz, der bleibt, könnte zum Beispiel folgender sein: „Ich übernehme ab Q1 die Bereichsleitung mit Budgetverantwortung und Reporting an die Geschäftsführung. Das ist der logische nächste Schritt, weil …“

„Frauen sollten sich mit ihren Ideen und Kompetenzen nicht verstecken.“ – Gabriele Willems

Steuere Deine Sichtbarkeit. Sichtbarkeit ist Strategie, nicht Zufall. Präsentiere Deine Erfolge selbst, dokumentiere KPIs und verabrede vor Meetings mit Verbündeten, wer was sagt. Dein Satz für „Ich-habe-das-gesagt“-Signale: „Ich knüpfe an meinen Vorschlag von eben an …“

„Was wir dulden, wird oder bleibt halt leider Standard.“ – Miriam Sternitzky

Setze Grenzen professionell. Bei Grenzübertritten nimm sie nicht einfach hin, sondern wende den Dreiklang an aus: spiegeln, präzisieren, stoppen. Dein Satz, der sitzt: „So kommen wir nicht weiter. Wie genau war das gemeint?“ – „Lass uns auf die Sachebene zurückkommen.“ Und im übergriffigen Fall auch einmal ganz klar: „Das klären wir zu dritt mit HR/Compliance.“

„Zielgerichtetes Networking ist für mich essenziell.“ – Deepa Gautam-Nigge

Manage dein Netzwerk wie eine Portfolio-Managerin: Nimm intern regelmäßig an funktionsübergreifenden Lunches und kurzen Sparrings teil, besuche extern Branchen-Events und zeige auf LinkedIn Expertise und vernetze Dich. Ergänze gezielt eine Mentorin oder einen Mentor und auch männliche Allies. Das sind Menschen, die Türen für Dich öffnen können und wollen und deinen Namen mit Chancen verbinden.

„Ohne Macht kein Machen.“ – Ricarda Hauke

Denke beim Verhandeln in einem Gesamtpaket. Es geht nicht nur um Fixgehalt, die Bonus-Logik, LTI/Equity und die Weiterbildung. Kläre auch Dinge wie Teamgröße, Budget und Titel, denn auch dies sind Macht- und Wirksamkeitshebel.

Frauen reden oft nicht gerne über Macht, da dies für sie ein komisches und vielleicht sogar unangemesses Gefühl ist. Doch je höher die Hierarchie, desto mehr wird Macht zur Währung. Wer sie nicht aktiv einfordert, übt, schützt und teilt, bekommt sie selten zufällig. Damit kann sie auch keine andere Welt als die heutige mitgestalten.

Und jetzt bist du dran: Sag laut, was du willst!

Über die Autorinnen:

Anna Sophie Herken, Ex-Allianz-Managerin, Multi-Aufsichtsrätin; ist seit Sommer 2023 Vorständin bei der GIZ.

Christina Sontheim-Leven, Ex-SDAX-Vorständin, Karrierementorin, Aufsichtsrätin und anerkannte Multiplikatorin für Female Empowerment.

Bettina Weiguny, freie Wirtschaftsjournalistin, Publizistin und F.A.S.-Kolumnistin; hat zuletzt ein Buch über junge Rebellinnen aus aller Welt veröffentlicht.

Anna Sophie Herken und Christina Sontheim-Leven gehört zu den 262 Top-Managerinnen des Netzwerks Generation CEO e. V.

Generation CEO e. V. ist ein etabliertes Frauennetzwerk für Top-Führungskräfte im deutschsprachigen Raum. Es wurde 2007 von dem Personalberater Heiner Thorborg, Ehrenvorsitzender von Generation CEO e. V., gegründet und ist seit 2019 als Verein organisiert, der mittlerweile 262 Mitglieder zählt.

Generation CEO e. V. setzt sich gezielt für die Verbesserung der Situation von weiblichen Führungskräften im oder auf dem Weg ins Top-Management ein. Ziel des Vereins ist die Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Konkret stärkt und fördert der Verein das berufliche Interesse, die Aufstiegschancen, die Entwicklung und das Engagement von Frauen in Wirtschaftsunternehmen und wirtschaftsnahen Institutionen sowie in Gesellschaft und Öffentlichkeit (z. B. Stiftungen). Dadurch soll der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Unternehmen erhöht und das Bewusstsein für bisher ungenutzte Führungspotenziale geschärft werden.

 

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