Sandra Bindler: „Führung ist auch in Teilzeit möglich“

Foto: Sandra Bindler, Vorstandsvorsitzende der Münchner Bank © Stefan Heigl
Foto: Sandra Bindler, Vorstandsvorsitzende der Münchner Bank © Stefan Heigl

Sandra Bindler ist Vorstandsvorsitzende der Münchner Bank. Die Genossenschaftsbank, 1862 gegründet, ist die älteste ihrer Art in Bayern. Gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Dr. Sonja Lechner rief die gebürtige Münchnerin 2019 das „Kunstforum Münchner Bank“ ins Leben. Im Herbst 2023 findet bereits die zehnte Ausstellung statt. Die Idee: Junge Künstlerinnen und Künstler bekommen die Gelegenheit, auf Publikum zu treffen – die Bank bringt sie im Herzen der Stadt zusammen. Seitdem bietet die Bank Diplomanden oder Meisterschülern der Akademie der Bildenden Künste eine Ausstellungsfläche im gesamten Stammhaus am Frauenplatz in München – ohne selbst an den Erlösen zu partizipieren. Jungkünstler werden von Sonja Lechner ausgewählt, die kuratorisch die „Münchner Meisterklasse“, wie das Ausstellungsformat getauft wurde, betreut.

Ein Gespräch mit Sandra Bindler, in dem sich nicht alles nur ums Geld dreht.

Courage: Im industriellen Zeitalter waren es in Deutschland meist wohlhabende Familien, die sich um die Kunstförderung verdient machten – und es zum großen Teil auch heute noch tun: Krupp und Röchling, Siemens, Villeroy & Boch, Burda, Würth, Weishaupt und viele anderen. Die meisten Mäzene wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Diese Tradition wird von vielen Unternehmen im 21. Jahrhundert fortgesetzt.

Was ist Ihr Antrieb und was versprechen Sie sich von Ihrem Engagement?

Sandra Bindler: Der Ansatz unserer Münchner Bank eG ist ein wenig anders, denn als regionale Genossenschaft sind wir seit jeher eine Gemeinschaft von Menschen, die ihre Stadt lieben und dieselben Werte teilen. Wir sind füreinander da! Unser Gründungsgedanken „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ ist unser Antrieb. Er begeistert seit über 160 Jahren und macht uns zu so viel mehr als „nur“ einer Bank. Auch Kunst hat die magische Kraft, Menschen zusammenzuführen, Brücken zu schlagen und Verbindung zu schaffen. Entsprechend ist die „Münchner Meisterklasse“ für uns eine echte Herzensangelegenheit. Denn ich bin davon überzeugt: Junge Künstlerinnen und Künstler brauchen Gelegenheit, um sich und ihre vielfältigen Werke zu zeigen. Die Besonderheit bei der „Münchner Meisterklasse“ ist dabei das Zusammenbringen von kunstinteressierten Menschen, vielfältigen Künstlern und Kunstsammlern im Herzen unserer Stadt. So wird unsere „Münchner Meisterklasse“ zu einem echten Gemeinschaftserlebnis – ganz im Sinne unserer genossenschaftlichen Idee. Der große Vorteil für die Künstler selbst: Mit diesem Format ermöglichen wir den Kunstschaffenden ein Ausstellungsformat, ohne selbst am Erlös zu partizipieren. So erhalten die jungen Meister einhundert Prozent vom Verkauf ihrer Bilder – ganz ohne Abzüge. Dabei sind wir Förderer und Sammler zugleich, denn wir tätigen von jeder einzelnen Ausstellung auch Ankäufe und unterstützen die jungen Künstler so auf zweierlei Art. Auf diese Weise vergrößert sich unsere Sammlung Stück für Stück und auch unsere Mitglieder profitieren, denn dank unserer „Münchner Meisterklasse“ wird unser Stammhaus immer wieder zum spannenden Erlebnis: Bereits im Foyer überraschen wir mit großformatigen Werksdrucken, während in den oberen Stockwerken Originale die Wände zieren und für Überraschungsmomente sorgen. Kunst im Herzen von München, die jederzeit präsent und für jeden zugänglich ist – das ist unser einzigartiges Konzept, das unsere Mitglieder und alle Freunde unserer Genossenschaft gleichermaßen begeistert.

Courage: Die Münchner Bank engagiert sich sehr für Menschen in München und der Region. Soziale Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema. Sie sind seit neun Jahren im Vorstand der Münchner Bank, und man sagt Ihnen nach, dass Sie das Unternehmen sozial mitgeprägt haben und die Bank Ihre Handschrift trägt; persönliches Miteinander ist Teil der Unternehmenskultur.

Sind soziale Kompetenzen eigentlich Frauensache?

Sandra Bindler: Ich bin überzeugt, dass soziale Kompetenz ganz unabhängig von Geschlechtern ist. Für mich heißt soziale Kompetenz, dass man Menschen und die Begegnungen mit Menschen liebt und gut zuhört, was Menschen bewegt. Entsprechend ist die genossenschaftliche Idee, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden ist, heute so aktuell. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Mitgestaltung, Zusammenhalt, Nachhaltigkeit und Regionalität eine sehr große Rolle spielen. Auf dieser menschlichen und werteorientierten Basis haben wir uns seit 1862 zu einer der größten „Plattformen“ oder „Crowds“ Münchens entwickelt. Unsere Genossenschaft gehört ca. 60.000 Münchnerinnen und Münchnern. Sie alle bestimmen die Geschäftspolitik und die Kultur unserer Genossenschaft mit. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass ich Vorstandsvorsitzende dieser starken und traditionsreichen Gemeinschaft sein darf und die Geschäftspolitik getreu unserer Werte heimatverbunden, unabhängig, partnerschaftlich und ehrlich gestalten kann.

Courage: Von den Chefetagen der 100 größten Genossenschaftsbanken sind 82 immer noch rein männlich besetzt. Und nur zwei haben eine Vorstandsvorsitzende: Neben Ihnen ist das Eva Wunsch-Weber, die die Frankfurter Volksbank führt. Bei den Top-100-Sparkassen ist die Frauenquote geringfügig höher; bei den Privatbanken liegt die Quote bei 14,9 Prozent.

Warum sind weibliche Vorstände in der Finanzbranche immer noch die Ausnahme?

Sandra Bindler: Das ist eine sehr spannende Frage. Denn grundsätzlich hat die Finanzbranche einen sehr hohen Frauenanteil. Dieser wird aber immer geringer, je weiter die Führungsstufe nach oben schreitet. Ich kann hier die Frauen nur aufrufen: Traut Euch Führungsaufgaben zu und verlasst Euch auf Eure Stärken. Frauen konzentrieren sich gerne darauf, was sie vermeintlich nicht können oder was vermeintlich schwierig werden könnte, wenn man eine Führungsaufgabe übernimmt. Damit sollten wir schnell aufhören. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass sich Familie und Führungsaufgabe gut organisieren lassen. Wenn man wirklich will…

Courage: Zentral für finanzielles Wohlergehen ist die Fähigkeit, selbstsichere, gut informierte Geldentscheidungen treffen zu können. Im Lehrplan der Schulen steht dazu häufig nur wenig. Wie erreicht man finanzielles Wohlergehen? Es ist nicht das Geschäftsmodell von Banken, finanzielle Bildung zu vermitteln. Doch wie können Banken ihre Kunden – insbesondere junge Menschen – dabei unterstützen?

Wie integrieren Banken finanzielles Wohlergehen in ihr Angebot?

Sandra Bindler: Finanzielle Bildung ist oberstes Ziel der Genossenschaftsbanken und Teil unserer genossenschaftlichen Philosophie. Wer mehr über das Thema Geld und Finanzen erfahren möchte, ist bei uns genau richtig. So öffnen wir beispielsweise jedes Jahr am 3. Oktober – in Kooperation mit der „Sendung mit der Maus“ – die Türen eines unserer Bank-Erlebnis-Zentren am Frauenplatz oder in Pasing und geben Kindern Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen einer Bank zu werfen. Hier erfahren bereits die Kleinsten, was uns ausmacht, wie der Umgang mit Geld am besten funktioniert, wie jedes einzelne Mitglied von unserem bunten Netzwerk profitiert und wie wir als Genossenschaft andere Menschen in der Region unterstützen.

Mit dem „Münchner Kindl“ bieten wir zudem ein Girokonto, das finanzielle Bildung im konkreten Tun ermöglicht: Für Kinder bis 6 Jahren in der Funktion eines Ansparkontos eingerichtet, unterstützt es seine kleinen Besitzer ab dem 7. Lebensjahr beim frühzeitigen Umgang mit Geld. Ab 12 Jahren wächst das Konto Stück für Stück zu einem Girokonto mit allen Funktionen heran und ist ab Volljährigkeit für Schüler, Studenten und Auszubildende bis zum Alter von 25 Jahren in Verbindung mit Online-Banking kostenfrei. Ein wesentlicher Vorteil: Die Eltern entscheiden, welche Möglichkeiten ihr Nachwuchs mit dem Konto haben soll. So lernen bereits Kinder spielerisch den Umgang mit dem Geld, und Jugendliche werden Schritt für Schritt an das selbstständige Haushalten mit ihren Finanzen herangeführt.

In der Weltsparwoche macht das Sparen bei uns gleich doppelt Spaß: Jeden Oktober helfen unsere Mitarbeiter den kleinen Zukunftshelden eine Woche lang, ihr Geld zu zählen, zeigen ihnen, wie das Geld vom Sparschwein aufs Konto kommt und wie man es vermehrt.

Unser Jugendmarkt-Team – bestehend aus jungen Bankberatern – ist speziell für unsere Mitglieder im Alter von 14 bis 26 Jahren zuständig und kommuniziert immer direkt auf Augenhöhe. Neben dieser besonderen Ansprache profitieren unsere jugendlichen Kunden von exakt auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Netzwerkveranstaltungen wie Bewerbungstrainings, Steuerveranstaltungen sowie dem Format „Geldanlage für junge Mitglieder“. Für unsere Damen gibt es die erfolgreiche Reihe „Dirndl, Dax und Diridari“ und für alle Mitglieder spezielle Generationenberater.

Mit zahlreichen weiteren Netzwerkveranstaltungen zum Thema „Finanzielle Bildung“ schaffen wir immer wieder neue Möglichkeiten, damit unsere Mitglieder immer bestens informiert sind.

Courage: Mit der zunehmenden Akademisierungsrate gibt es auch immer mehr sogenannte Dual-Career-Paare. Trotzdem funktioniert eine faire Teilung der Familienarbeit noch immer selten.

Warum ist es immer noch so schwierig, unbezahlte Arbeit fair aufzuteilen?

Sandra Bindler: Ich weiß nicht, ob meine Antwort sehr populär ist. In einer modernen Beziehung, die auf Gleichberechtigung und Augenhöhe aufgebaut ist, sollte das kein Thema mehr sein. Ich weiß aber natürlich, dass es oft ein Thema ist. Diese Fragestellung wird aber weder Politik, noch Gesetzgebung noch der Arbeitgeber regeln können. Dafür müssen wir alle selbst einstehen.

Courage: Einige Soziologen behaupten, dass Frauen, die den Großteil des Einkommens in einem Haushalt beisteuern, trotzdem die meiste „unbezahlte Arbeit“ erledigen. Der Grund liege darin, dass wenn man schon nicht die traditionelle Mutterrolle übernehme, dies durch mehr Sorgearbeit wettmache. Umgekehrt machten Männer besonders wenig unbezahlte Arbeit, wenn sie nicht der Familienernährer sind – um so zumindest doch noch dem traditionellen Bild zu entsprechen.

Ist demnach die genetische Ausstattung der entscheidende Faktor bei der gerechten Aufteilung der Hausarbeit und Kinderbetreuung? Und nagt der Erfolg von Ehefrau oder Freundin unterschwellig am männlichen Selbstwertgefühl?

Sandra Bindler: Das ist eine sehr komplexe Frage, die ich nicht wissenschaftlich beantworten kann. Ich kann es mit einer Antwort aus meiner Lebenserfahrung versuchen. Frauen sind oft Macherinnen. Sei es im Haushalt, sei es im Beruf. Der Haushalt – wird gemacht. Die Wäsche – wird gemacht. Kinder von der Schule abholen und zum Training fahren – wird gemacht. Oft fragen wir unsere Partner nicht nach Unterstützung, sind aber dann unzufrieden, weil wir alles allein machen müssen. Mein Rat lautet: Miteinander sprechen und sagen, wo man sich Unterstützung wünscht und vielleicht einfach mal etwas „nicht machen“. Ob der Erfolg der Frau oder Freundin unterschwellig am männlichen Selbstwertgefühl nagt, hängt meiner Ansicht nach davon ab, ob die Liebe stark genug ist. In einer großen und schönen Liebe ist meiner Ansicht nach kein Platz für Neid.

Courage: Frauen haben viele Aufgaben im Leben außerhalb ihres Berufes, und nicht alle Tätigkeiten lassen sich delegieren.

Kann man eine Führungskraft werden, ohne rund um die Uhr verfügbar zu sein. Wirkt sich das auf die Auswahl von Personen für Führungspositionen aus? Ist Führung auch in Teilzeit möglich?

Sandra Bindler: Wer als Führungskraft rund um die Uhr verfügbar ist, ist aus meiner Sicht keine gute Führungskraft, sondern mit der Aufgabe überfordert. Eine gute Führungskraft sorgt für ausgeglichene Aufgabenverteilung im Team, hat Freude an der Entwicklung von Menschen, gibt Richtung und ehrliche Unterstützung. Da hat nichts mit der Anzahl an Arbeitsstunden zu tun. Deshalb ist Führung auch in Teilzeit möglich.

Courage: Eine Leserin erzählte kürzlich von einer Freundin, die sich auf eine Stelle beworben hat. Die Anforderungsliste der Ausschreibung umfasste zehn Punkte. Ihrer eigenen Einschätzung nach konnte sie nur sechs davon erfüllen. Entsprechend sah sie davon ab, sich zu bewerben. Zeitgleich bewarb sich ein Freund auf exakt die gleiche Stelle. Er stellte fest, dass er eigentlich nur zwei der zehn Anforderungen erfüllen konnte– und erhielt den Job.

Haben Sie in Bewerbungsgesprächen ähnliche Erfahrungen gemacht? Männer konzentrieren sich auf ihre Stärken – und Frauen hadern mit ihren Schwächen?

Sandra Bindler: Ja. Punkt. (lacht). Ich appelliere hier noch einmal an die Damen. Hören Sie damit auf. Vertrauen Sie auf Ihre Stärken, und suchen Sie nicht nach Ihren Schwächen. Und lassen Sie sich von niemandem etwas Anderes einreden. Mit Mut und Ehrlichkeit kann Vieles gelingen.

10. Jubiläumsausstellung mit Stillleben von Annemarie Faupel und Steffen Kern

Die Ausstellung ist bis Mai bei freiem Eintritt werktags von 9 bis 16 Uhr zu besichtigen – jeder Besucher erhält kostenfrei einen ausstellungsbegleitenden Katalog.

Noch nicht das passende Weihnachtsgeschenk gefunden? Verschenken Sie doch etwas “Menschlichkeit“. Über die Crowdfunding-Plattform „Viele schaffen mehr“ (www.viele-schaffen-mehr.de) der Genossenschaftlichen FinanzGruppe finden gemeinnützige Projekte und helfende Menschen zusammen. (ml)

Diesen Artikel teilen

Schreibe einen Kommentar

Anzeige

Jetzt neu

Sie hat eine Achterbahnfahrt hinter sich – beruflich und mental. Ein Interview mit Sophia Thiel über Körpergefühl, Kalorien und Kapitalanlagen.