Schlaf dich reich – Gründerin Kathrin Hamm

Foto: Bearaby/Stefanie Urban, Annabell Stoll
Foto: Bearaby/Stefanie Urban, Annabell Stoll

Kathrin Hamm war erfolgreiche Ökonomin, als sie beschloss, alles auf eine Karte zu setzen und das Start-up Bearaby zu gründen. Der Auslöser: chronische Schlafstörungen – und der Zufallsfund einer Gewichtsdecke.

Courage: Frau Hamm, wie beginnt eine Gründungsgeschichte – mitten in einem sicheren Job bei der Weltbank?

Kathrin Hamm: Mit schlaflosen Nächten. Ich hatte jahrelang mit massiven Schlafproblemen zu kämpfen. Ich war in meinem alten Job ständig unterwegs – jede Woche im Flugzeug, alle zwei Jahre auf einem neuen Kontinent. Ich war bei der Weltbank dafür zuständig, kleinen und mittelständischen Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern den Zugang zu Krediten zu erleichtern. Das viele Reisen hat an meiner Substanz gezehrt. Ich bin nie gut eingeschlafen, nachts ständig aufgewacht – und wenn ich um drei Uhr morgens wach war, konnte ich bis sechs nicht mehr einschlafen. Ich wollte aber keine Medikamente nehmen. Also habe ich nach Alternativen gesucht.

Da sind Sie sind auf Gewichtsdecken gestoßen?

Ja, eher zufällig. Diese Decken kommen ursprünglich aus dem medizinischen Bereich – sie werden bei ADHS oder Angststörungen eingesetzt. Die Idee ist simpel: Durch das gleichmäßig verteilte Gewicht beruhigt sich das Nervensystem. Ich war skeptisch, aber irgendwann habe ich mir eine bestellt. Sechs Wochen später kam ein riesiger Plastiksack aus der Apotheke. Optisch eine Katastrophe, aber ich habe sie ausprobiert – und habe sofort tief und durchgeschlafen. Das war ein Schlüsselmoment.

Wie haben Sie den Absprung aus dem sicheren Job geschafft?

Ich habe mich ein paar Monate neben dem Job mit der Idee beschäftigt – abends nach der Arbeit, an Wochenenden. Irgendwann habe ich mir ein Herz gefasst und bin 2017 zu meiner Chefin gegangen. Ich habe ihr gesagt: „Ich habe da eine Idee, die ich gern ausprobieren möchte.“ Sie meinte: „Klar, probier es ein Jahr lang – wenn es nicht klappt, kommst du zurück.“ Das war eine enorme Rückendeckung. Es hat mir die Angst genommen, dass ich beim Scheitern alles verlieren könnte. Im Gegenteil – sie hat sogar gesagt, dass wir eine Case Study daraus machen könnten. Schließlich haben wir bei der Weltbank ja selbst mit Gründerinnen und Gründern gearbeitet. Bis ich mit dem Produkt live gegangen bin, hat es aber zwei weitere Jahre gedauert.

Wie haben Sie die Gründung finanziert?

Ich habe 120.000 Dollar aus meinem privaten Rentenfonds investiert – das war mein persönlicher Beitrag zum Start. Parallel dazu habe ich eine internationale Crowdfunding-Kampagne gestartet. Über die Kampagne kamen weitere 250.000 Dollar zusammen. Das war unsere Startfinanzierung – und gleichzeitig ein Markttest. Die Community war extrem engagiert. Rund 80 Prozent der Bestellungen kamen aus den USA – das war ein starkes Signal. Die Rückmeldungen haben mir geholfen, das Produkt weiterzuentwickeln. Investorinnen und Investoren habe ich erst später dazugenommen – als wir bereits im achtstelligen Umsatzbereich waren. 

War der Gesundheitsmarkt in den USA weiter als der deutsche, als Sie gegründet haben?

Ja, definitiv. In den USA war das Thema Schlaf damals schon viel stärker in der Öffentlichkeit. Es gab mehr Bewusstsein, mehr Medienberichte, mehr Influencer, die darüber gesprochen haben. Auch Bücher wie „Why We Sleep“ von Matt Walker haben das Thema gepusht – das wurde ein Bestseller. In Deutschland war die Kurve bei Google-Suchanfragen nach „guter Schlaf“ oder „Gewichts­decke“ flach – in den USA ist sie explodiert. Das hat uns in der Entscheidung bestärkt, dort zu starten.

Wie sahen die ersten Monate nach der Gründung aus?

Sehr intensiv. Ich war allein, habe alles selbst gemacht. Nach drei Monaten hatte ich meinen ersten Teilzeit-Grafikdesigner – ich hatte keinen kreativen Background. Mein Rat an Gründerinnen und Gründer: Holt euch früh Leute ins Team, die ergänzen, was euch fehlt. Heute sind wir rund 30 Mitarbeitende im New Yorker Büro und etwa 200 in der Produktion in Indien und Sri Lanka.

Wann wussten Sie, dass es funktioniert?

Als wir die erste Million Umsatz gemacht haben. Das war für mich der Moment, in dem ich sagen konnte: Wir haben Product-Market-Fit. 

Bearaby ist inzwischen ein echtes Lifestyle-Produkt. Wie haben Sie das geschafft?

Wir haben uns bewusst gegen den medizinischen Look entschieden. Die meisten Gewichtsdecken waren grau, funktional, technisch. Unser Ansatz war: Farben, Materialien, Bildsprache – alles so gestalten, dass man die Decke nicht versteckt, sondern gerne zeigt. Dazu kamen Awards wie der Red Dot Award, der uns verliehen wurde.

Das Stichwort Sichtbarkeit also.

Richtig. Ein weiterer Gamechanger kam 2019 dazu: Wir wurden in „Oprah’s Favorite Things“ aufgenommen – ihre berühmte Liste mit ihren zehn Lieblingsprodukten des Jahres. Oprah Winfrey stellte die Decke im US-Fernsehen vor – was eine riesige Nachfrage ausgelöst hat. Händler, die zuvor gezögert hatten, nahmen Kontakt auf. Das Produkt hatte plötzlich Promistatus. Dazu kam unsere Strategie, gezielt Set-Designerinnen und -designer von Netflix-Produktionen zu kontaktieren. Wir schickten unsere Decken kostenlos an verschiedene Teams, weil wir wussten: Sie brauchen Requisiten, von Kissen bis zu Wohnaccessoires. Unsere Hoffnung war, dass die Decken beiläufig auf Sets auftauchen, und genau das ist passiert. Das war wie ein Sechser im Marketinglotto – Sichtbarkeit ohne klassisches Budget.

Was ist Ihre Vision für die Marke?

Ich möchte, dass Bearaby weltweit zur Referenzmarke für Gewichtsdecken wird. Wenn jemand „Gewichtsdecke“ hört, soll automatisch „Bearaby“ in den Kopf kommen. Dafür arbeiten wir an neuen Produktlinien, an internationalem Wachstum – und an der Vision von Schlaf als Teil eines gesunden Lebensstils.

Im Jahr 2024 haben Sie mit Ihren Produkten den Schritt in den deutschsprachigen Raum gewagt. Warum
gerade jetzt?

Wir sind mittlerweile Marktführer in den USA. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, ein neues Kapitel aufzuschlagen. 

Was hätten Sie gern früher über das Gründen gewusst?

Dass es zehn Jahre dauert, nicht drei. Und dass Bescheidenheit wichtig ist. Ich denke oft an Warren Buffett, der noch immer sein altes Auto fährt. Wenn man Erfolg hat, sollte man trotzdem unter seinen Möglichkeiten leben und in Sub­stanz investieren, nicht in Statussymbole. Man sollte nicht nach ein paar Erfolgen gleich zum Porsche greifen – bleib bei deinem Toyota, bau dir lieber dein finanzielles Polster auf!

Wie finden Sie heute Ausgleich?

Ich achte strikt auf Schlaf – acht Stunden sind Pflicht. Ohne Schlaf funktioniere ich nicht. Und ich habe gelernt: Gründen ist kein Sprint, sondern ein Marathon. 

Wird Gründen oft romantisiert?

Absolut. Vor allem die Anfangsphase ist alles andere als glamourös. Ich war Mitte 30, hatte einen sicheren Job, und plötzlich dachten alle: Was macht sie da – Decken im Internet verkaufen? Im Laufe der Jahre habe ich mehr Flexibilität bekommen. Man kann mitbestimmen, mit wem man arbeitet, welche Werte man im Unternehmen leben möchte. Aber dass es einfacher wird, ist ein Mythos. Nur ein Beispiel: Gerade wenn wir neue Produktkategorien entwickeln, ist es mir wichtig, selbst vor Ort zu sein. Als Gründerin habe ich den umfassendsten Überblick über das Unternehmen – das lässt sich nicht vollständig delegieren. Sobald die Richtung klar ist, kann man Aufgaben ab­geben. Aber in der Anfangsphase bin ich gern ein paar Tage selbst in der Fabrik – und fliege daher in wenigen Tagen nach Sri Lanka.

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