Im Herbst 2019 wurde Shannon Knapp zur CEO von The Leading Hotels of the World (LHW) gewählt – als erste Frau in der 95-jährigen Unternehmensgeschichte. Anfang 2020 trat sie den Posten an. Sicher kein idealer Zeitpunkt für den ultimativen Karriereschritt in diesem Teil der Branche. Kurz darauf hatte die Pandemie die Welt im Griff und zwang gerade die Beherbergungsbranche zu drastischen Maßnahmen. Doch sie hat die Krise meisterhaft gemanagt. Die Auslastung ihrer Mitgliedshäuser ist besser, die erzielten Raten sind signifikant höher als vor Corona.
Shannon Knapp steht für Wandel in einer Branche, in der Frauen in Führungspositionen noch selten sind. Mit klaren Werten – Gleichberechtigung, Mitbestimmung und Transparenz – will sie weibliche Talente gezielt fördern und die Luxushotellerie langfristig als attraktiven Arbeitsplatz für Frauen etablieren. Ihre Überzeugung: „Das Geschlechterverhältnis wird sich verändern, indem wir es leben. Das beginnt mit mir als Führungskraft.“
Im Interview mit Courage spricht Shannon Knapp über ihren Karriereweg und gibt einen Einblick in die Welt besonderer Hotels, die für Individualität und Exzellenz stehen.
Courage: Was hat dich dazu bewegt, eine Karriere in der Hotellerie einzuschlagen?
Shannon Knapp: Zwei Schlüsselmomente haben meine Leidenschaft für Reisen und Gastfreundschaft entfacht. So hatte ich während meines Studiums die Möglichkeit, in Europa zu studieren – eine Erfahrung, die meine Begeisterung fürs Entdecken neuer Orte und Kulturen nachhaltig geprägt hat. Und einige Jahre später erkannte ich, dass sich diese Faszination auch beruflich verwirklichen lässt: beim Consumer-Travel-Team von American Express. Dort betreute ich sieben Jahre lang exklusive Reiseleistungen für Platinum- und Centurion-Kunden.
War Dein Karriereweg von Anfang an durchgeplant – oder hat sich vieles eher spontan ergeben?
Ich wünschte, ich könnte sagen, es war alles Teil eines ausgeklügelten Plans – aber mein Karriereweg verlief alles andere als geradlinig. Ich habe nie einen starren Kurs verfolgt. Ursprünglich studierte ich Internationale Beziehungen, mit dem Ziel, in den diplomatischen Dienst zu gehen. Doch das Leben hatte andere Pläne: Ich nahm eine Gelegenheit im Marketingbereich wahr, blieb aber offen für Veränderungen und nutzte Chancen, um mich weiterzuentwickeln – auch durch Positionen, die nicht automatisch einen Aufstieg bedeuteten, mir aber neue Perspektiven eröffneten. Eine dieser Stationen führte mich 2013 als Chief Marketing Officer zu LHW, 2019 übernahm ich die Rolle der CEO.
Wie sieht das wirtschaftliche Modell von LHW aus?
LHW wurde 1928 mit der Mission gegründet, Hoteliers zu vernetzen und sie dabei zu unterstützen, wirtschaftlich erfolgreich und zugleich unabhängig zu bleiben. Heute repräsentieren wir über 400 Hotels in mehr als 80 Ländern – fast 80 Prozent davon sind familiengeführt. Etwa 60 Mitgliedshotels sind zugleich Anteilseigner von LHW. Sie erhalten keine Dividenden, sondern investieren alle Gewinne in die operative Weiterentwicklung. So sichern wir den langfristigen Erfolg unserer Mitglieder und des unabhängigen Luxushotel-Segments.
Welchen konkreten Mehrwert bietet eine Hotelgruppe wie LHW – für Hotels wie für Gäste?
LHW stärkt die globale Sichtbarkeit unabhängiger Luxushotels und unterstützt sie mit exzellenten Leistungen in Vertrieb, Marketing und Distribution. Zudem bringen wir enge Beziehungen zu Reiseberatern sowie fundierte Expertise in Bereichen wie Digitalisierung, Einkauf, HR und KI ein. In den letzten vier Jahren haben wir für unsere Mitglieder Rekordergebnisse erzielt. Reisende profitieren von einer kuratierten Auswahl an Hotels, die für außergewöhnliche Qualität, gelebte Gastfreundschaft und authentische Erlebnisse stehen.
Jedes Hotel hat einen eigenen Charakter – wie lässt sich dieser bewahren, wenn alle Hotels Teil eines gemeinsamen Netzwerks sind und immer mehr Hotels dazukommen?
Genau das macht LHW aus: Wir wachsen gezielt und mit Bedacht. Jährlich erhalten wir über 600 Mitgliedsanfragen, doch nur etwa 5 Prozent werden angenommen. Es geht uns nicht um Größe, sondern um Qualität, Gästezufriedenheit und eine gemeinsame Wertebasis. Wir suchen Gastgeber, die tief in ihrer Region, Kultur und Vision verwurzelt sind. Unsere Aufgabe ist es, diese Individualität zu stärken – nicht zu vereinheitlichen. So bleibt der Charakter jedes Hauses erhalten, während gleichzeitig eine starke Gemeinschaft entsteht.
Luxus bedeutet heute oft mehr als nur Komfort – welche Trends prägen aktuell das Luxusreisensegment?
Wir sehen einen klaren Trend zu „Quiet Luxury“: Reisende suchen nach Authentizität, durchdachtem Design und echten menschlichen Begegnungen – nicht nach bloßem Überfluss. Gleichzeitig verändern sich Reisegewohnheiten: Aus Sorge um Klima und Overtourism gewinnen alternative Ziele und Reisen außerhalb der Hauptsaison an Bedeutung. Das Interesse an kulturell geprägten Destinationen und nachhaltigem Reisen wächst stetig – Nachhaltigkeit ist längst keine Kür mehr, sondern Voraussetzung.
Aus Gästeperspektive: Wenn man in traumhaften Luxushotels wohnt und rundum verwöhnt wird – erlebt man da überhaupt noch etwas vom echten Leben im Reiseland?
In einem Leading Hotel geht es nicht um abgeschirmten Luxus. Der wahre Luxus liegt darin, die Kultur und das Leben vor Ort wirklich kennenzulernen. Unsere Häuser ermöglichen es Gästen, tief in die lokale Welt einzutauchen – etwa durch kulinarische Erlebnisse mit regionalen Köch:innen oder Begegnungen mit Menschen, die ihre Kultur authentisch vermitteln – individuell vom Concierge organisiert.
Weißt du eigentlich, wie viele Reisen Du im Laufe Deiner Karriere schon gemacht hast? Und wie oft bist Du heute noch unterwegs?
Ehrlich gesagt, habe ich längst den Überblick verloren – aber ich habe über 100 unserer Hotels weltweit besucht, und jedes einzelne hat bleibende Eindrücke hinterlassen. Reisen ist ein zentraler Bestandteil meiner Rolle, denn nur so bleibe ich nah an den Hoteliers und kann die Perspektive unserer Gäste nachvollziehen. Etwa ein Drittel des Jahres bin ich unterwegs – und ich möchte es auch gar nicht anders.
Welcher Ort fehlt LHW noch auf der Landkarte – und steht auf deiner Wunschliste?
Ich bin besonders begeistert von aufstrebenden Regionen, in denen sich Kultur und Kreativität gerade entfalten. Kürzlich haben wir neue Mitglieder in Georgien, Subsahara-Afrika und weniger bekannten Regionen Südamerikas aufgenommen. Wir suchen gezielt nach Destinationen, die Potenzial für nachhaltige Entwicklung haben – und eine Seele, die man spürt.
Du bist viel unterwegs: Wie gehst Du mit der Doppelrolle als CEO und Mutter um?
Man muss wendig sein und schnell umschwenken können. Als CEO und Mutter versuche ich, in beiden Rollen hundertprozentig präsent zu sein, zu Hause mit meiner Familie ebenso wie im Office. Natürlich versage ich andauernd. Und das ist okay, wir sind nur Menschen. Aber Frauen entschuldigen sich dauernd dafür. Sie fühlen sich schuldig, daheim und im Job zu wenig zu leisten.
Wie kann die Hotelbranche weibliche Talente gezielter fördern?
Wir Frauen in dieser Branche müssen proaktiver sein, Frauen besser zu unterstützen. Zumal es hier so viele von uns gibt. Der erste Schritt: Wir müssen als Branche überlegen, wie wir junge weibliche Führungskräfte rekrutieren, wie wir sie durch das System bringen und wie wir sie nicht durch mangelnde Flexibilität einschränken.
Was ist entscheidend, um im Job langfristig zufrieden zu sein?
Man sollte versuchen, eine Firma zu finden, die wertschätzt, was du wertschätzt. Das erleichtert dir, Kompromisse zu machen. Und wenn das nicht gelingt? Dann verlass das Unternehmen. Du wirst dort niemals glücklich werden.