Sondereffekt sorgt für Wachstum auf dem deutschen Neuwagenmarkt

VW verdoppelt E-Auto-Auslieferungen, Tesla halbiert sie.
VW und Tesla Foto: Ronald Bonß;Patrick Seeger/dpa

Die Zahl der Neuzulassungen entwickelt sich aktuell auf den ersten Blick sehr positiv: plus elf Prozent im Juli, plus fünf Prozent im August. Allerdings ist das starke Wachstum vor allem auf einen Absatzeinbruch im Vorjahr zurückzuführen. Seit Anfang Juli 2024 sind in der EU für neu zugelassene Fahrzeuge einige zusätzliche Assistenzsysteme vorgeschrieben, zudem trat im Juli 2024 eine neue Cybersecurity-Richtlinie in Kraft. Viele Hersteller und Händler ließen vor dem Stichtag Fahrzeuge zu, die den neuen Vorschriften nicht mehr entsprachen. Diese vorgezogenen Neuzulassungen führten im Juni 2024 zu einem überdurchschnittlich hohen Absatzniveau – und zu mehreren schwachen Folgemonaten, in denen die vorgezogenen Neuzulassungen fehlten.

Im bisherigen Jahresverlauf liegt das Absatzniveau in Deutschland trotz des jüngsten Marktwachstums 1,7 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Zudem liegt es 25 Prozent niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorkrisenjahres 2019. Allein im August wurden in Deutschland etwa 105.000 Neuwagen weniger verkauft als im August 2019.

„Auf dem deutschen Neuwagenmarkt geht es nicht voran, die erhoffte Trendwende lässt auf sich warten“, sagt Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West. „Es spricht derzeit wenig für eine durchgreifende Erholung, Privatkäufer und Unternehmen halten sich weiterhin mit Bestellungen zurück. Die konjunkturelle und geopolitische Unsicherheit ist und bleibt sehr hoch, inzwischen nehmen auch die Arbeitsplatzsorgen wieder zu. Angesichts dieser Rahmenbedingungen sollte die Branche nicht auf eine baldige Erholung des Neuwagenmarktes rechnen, sondern sich auf eine lange Durststrecke einrichten.“ Gall rechnet für das laufende Jahr mit einem Absatzniveau etwa auf dem niedrigen Vorjahresniveau.

Pkw-Neuzulassungen in Deutschland im August

Im laufenden Jahr kletterten die Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland um 39 Prozent, im August sogar um 46 Prozent. Allerdings ist auch hier das niedrige Vorjahresniveau zu berücksichtigen: So wurden im August 2024 in Deutschland nur etwa 27.000 Elektroautos neu zugelassen, im Vorjahr (August 2023) waren es hingegen mehr als 86.000. Der starke 2023er Wert ist darauf zurückzuführen, dass es im Jahr 2023 noch die Umweltprämie für Privatkäufer gab. Zudem lieg im September 2023 die Umweltprämie für gewerbliche Käufer aus, was zu erheblichen Vorzieheffekten und einem sehr starken Elektroabsatz im August 2023 führte.

Im Folgejahr 2024 brach der Absatz von Elektroautos ein – die aktuell starken Zuwachsraten sind also vor diesem Hintergrund zu interpretieren, betont Gall: „Im vergangenen Monat lag der Absatz von Elektroautos zwar deutlich höher als im Vorjahr, aber ebenso deutlich unter dem Niveau von 2023. Das Auslaufen der staatlichen Kaufförderung hat im vergangenen Jahr zu einem Einbruch der Absatzzahlen bei Elektroautos geführt, von dem der Markt sich gerade erholt. Ein echter Elektro-Boom ist das aber nicht.“

Der Absatz von Elektroautos sei vor allem auf die steuerliche Förderung von Dienstwagen und teils erhebliche, von den Herstellern gewährte Rabatte zurückzuführen, so Gall: „Der Elektromarkt steht noch nicht auf eigenen Beinen. Die teils beeindruckenden Zuwachsraten sind teuer erkauft – sie gehen auf Kosten der Margen der Hersteller und belasten die Staatskasse.“ Der Marktanteil von Elektroautos kletterte im August von 13,7 auf 19,0 Prozent, nachdem er im August 2023 sogar bei knapp 32 Prozent gelegen hatte.

Blick ins Ausland: Elektro-Wachstum hält in den meisten Märkten an

Auch in einigen anderen größeren europäischen Märkten entwickelte sich der Absatz im August überwiegend positiv. So stiegen die Neuzulassungen in Norwegen und Österreich um mehr als ein Viertel, in Spanien und Portugal immerhin um mehr als zehn Prozent. Rückläufige Absatzzahlen wurden hingegen vor allem in Belgien und Finnland verzeichnet. Bei Elektroautos wurde in der Mehrheit der Märkte ein Wachstum von mindestens zwanzig Prozent verzeichnet, nur in der Schweiz und Belgien war der Absatz rückläufig.

Tesla-Neuzulassungen rückläufig

Nachdem die Neuzulassungen von Tesla-Fahrzeugen in den Vormonaten in den meisten europäischen Ländern teils deutlich gesunken waren, zeigte sich auch im August ein Abwärtstrend – mit einigen wenigen Ausnahmen. So stieg der Tesla-Absatz in Norwegen und Portugal und vor allem in Spanien (um 161 Prozent).

In Deutschland hingegen setzte sich der Abwärtstrend der Vormonate hingegen im August fort: Die Zahl der Neuzulassungen von Tesla-Fahrzeugen sank in Deutschland im August im Jahresvergleich um 39 Prozent, der Anteil am deutschen Elektro-Markt ist von 7,7 auf 3,0 Prozent eingebrochen, der Anteil am Gesamtmarkt schrumpfte von 1,0 auf 0,5 Prozent.

In Summe schrumpfte die Zahl der neu zugelassenen Tesla-Fahrzeuge in den 14 westeuropäischen Ländern, für die entsprechende Angaben vorliegen, um 29 Prozent. (Quelle: EY)

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