Mit „Le Smoking“ sorgte Yves Saint Laurent 1966 für eine modische Zeitenwende. Sein ikonischer Entwurf hat Frauen von der einseitigen Wahl zwischen Kleid und Rock befreit. Und ein Hosenanzug gilt heute sogar als „das“ Job-Outfit.
von Annalena Graudenz
Seine Karriere beginnt 1957 in Paris, als kein Geringerer als Christian Dior sein Talent entdeckt und ihn, gerade 21 Jahre alt, zu seinem Nachfolger ernennt. Eine Sensation! Aber Yves Henri Donat Mathieu-Saint-Laurent, kurz Yves Saint Laurent, will mehr, als nur textile Schönheit kreieren: Er will Grenzen sprengen, Frauen durch Mode eine neue Form von Freiheit und Stärke schenken. So wird er zum Visionär und Revolutionär, der die Modegeschichte neu schreibt und noch 16 Jahre nach seinem Tod zu den bedeutendsten Designern der Welt zählt.
Pierre Bergé, als Lebens- und Geschäftspartner über 40 Jahre an Saint Laurents Seite, sagt später: „Coco Chanel gab den Frauen Freiheit, Saint Laurent gab ihnen die Power.“ Diese Macht findet 1966 in einem Kleidungsstück Ausdruck, das bis heute politische Botschaften sendet: Yves Saint Laurent macht den Hosenanzug für Frauen populär, auch bekannt als „Le Smoking“.
Und der ist viel mehr als bloß ein Kleidungsstück, er ist ein Statement. Vor allem in den späten 1960er-Jahren. Inspiriert von der Androgynität der Männergarderobe, entwirft Saint Laurent einen Anzug, der die feminine Eleganz nicht negiert, sondern neu definiert. Und das in einer Zeit, in der der Minirock und damit ein ganz anderes Frauenbild en vogue ist. Auch wenn sich Marlene Dietrich schon 1933 in einem Hosenanzug gezeigt hat, setzt ihn erst Saint Laurent als modisches Must-have durch.
Die 23-jährige Catherine Deneuve, damals Frankreichs größter Filmstar und später Saint Laurents langjährige Muse, ist 1967 seine erste Kundin. Bald folgen Superstars und High-Fashion-Trendsetter wie Liza Minnelli, Bianca Jagger und Lauren Bacall. Bianca heiratet 1971 in einem weißen YSL-Smoking schlagzeilenträchtig Mick Jagger in Saint-Tropez. Quel scandale!
Le Smoking polarisiert weltweit. Nan Kempner, einer bekannten Angehörigen der New Yorker High Society, wird 1968 der Zutritt zu einem Restaurant verwehrt, weil sie einen Anzug trägt. Gerüchten zufolge soll Kempner kurzerhand die Hose ausgezogen und den Blazer als Minikleid getragen haben. Kurz darauf beschwert sich im „Life“-Magazin ein Kolumnist, dass Saint Laurents Hosenanzüge zur „Zerstörung der Geschlechternormen“ beitrügen, während seine Kollegin erklärt, dass der Hosenanzug „hervorragend für die urbane Garderobe geeignet“ sei. Als Reaktion auf Nan Kempners Erlebnis schreibt sie: „Eher würde ich mein Restaurant wechseln als meine Kleidung!“
Doch bis zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Looks vergeht noch viel Zeit. So ist es Frauen im US-Senat erst seit 1993 offiziell gestattet, Hosen zu tragen – Jahrzehnte nachdem Pat Nixon, die Ehefrau des US-Präsidenten, 1972 als erste First Lady im Hosenanzug fotografiert worden war. Mit den Jahren wandelt sich der Hosenanzug vom feministischen Statement zum festen Bestandteil der Mode, gilt in den frühen 2000ern vorübergehend sogar als angestaubt und zu konservativ. Doch sein Comeback kommt schnell: Im Winter 2015/16 erobert der Hosenanzug die Laufstege endgültig zurück. Auch auf der politischen Weltbühne hat er sich als Standardlook etabliert – von Hillary Clinton und Angela Merkel bis zu Annalena Baerbock und Kamala Harris.
Yves Saint Laurent hat der Modewelt ein Vermächtnis hinterlassen: „Ich möchte, dass Frauen dieselbe Kleidung tragen können wie Männer. Blazer, Hosen und Anzüge. Sie sind so funktionell. Ich dachte, Frauen wollten dies, und ich behielt recht.“

Original: Der komplette Saint-Laurent-Look
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Lippenstift „Nr R3 – Rouge Libre“ von YSL Beauty
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Bluse aus Seiden-Charmeuse von Saint Laurent
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Handschuhe „Cassandre“ aus Leder von Saint Laurent
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Hose aus Grain de Poudre von Saint Laurent
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Shopper „Y Tote“ aus Leder von Saint Laurent
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Stiefelette „Josie“ aus Leder von Saint Laurent
Kopie: Von Saint Laurent inspirierter Look
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Blazer aus Twill in Baumwolle von Massimo Dutti
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Lippenstift „Red Volume“, vegan, von & Other Stories
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Schleifenbluse aus Biobaumwolle von Thinking Mu
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Handschuhe „Gloves City“ aus Lammleder von Högl
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Hose mit Gürtelschlaufen aus Crêpe von Massimo Dutti
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Stiefelette „Kitty Black“ aus Kalbsleder von Scarosso