Susanne Gräfin von Moltke im Interview: “Der oder die Bessere soll gewinnen!”

Susanne Gräfin von Moltke
Susanne Gräfin von Moltke

Die Führungsetage der Hotellerie ist von Männern dominiert. Aber die Frauen holen auf. Bestes Beispiel ist Susanne Gräfin von Moltke, seit 2020 erstes weibliches Vorstandsmitglied bei Relais & Châteaux. Gemeinsam mit ihrem Mann besitzt sie das 50 Hektar große Relais & Château Gut Steinbach in Reit im Winkl in den bayerischen Alpen. Das Gut wurde aufwendig renoviert, mit einem nachhaltigen Ansatz 2011 wiedereröffnet und weiterentwickelt.  

Courage: Die Hotelbranche hat in der Pandemie stark gelitten und befindet sich im harten Wettbewerb. Die Hotellerie war die erste Branche, die in den Lockdown gegangen ist und die letzte, die wieder öffnen durfte. Wo steht die Hotelbranche jetzt? Hat sich das Geschäft erholt?  

Susanne Gräfin von Moltke: Ja, die Hotellerie war sehr stark betroffen in Pandemiezeiten. Ein Hotel ohne Gäste gleicht einem Geisterort. Die Fördergelder flossen, jedoch zögerlich. Wichtig war, die Mitarbeiter in dieser schweren Zeit nicht zu verlieren. Wir auf Gut Steinbach haben die Fürsorge für unsere Mitarbeiter sehr ernst genommen und haben – für viele unerwartet – zum Beispiel das 13. Monatsgehalt gezahlt. Das haben uns die Mitarbeiter sehr hoch angerechnet, viele sind geblieben.

Da die Jahre 2021 und 2022 keine vollen Geschäftsjahre waren, vergleicht die Branche 2023 mit 2019. Unser Haus liegt sowohl bei Umsatz als auch bei den Übernachtungen über dem Niveau von damals. Die meisten anderen Hotels ebenso. Einerseits bemerken wir, dass der Drang der Deutschen, wieder ins Ausland zu reisen, groß ist, andererseits führt die Inflation dazu, dass die Leute nur zögerlich buchen.  Grundsätzlich bucht der Gast heute immer kurzfristiger, was die Planung im Hotelbetrieb natürlich erschwert. Dabei sind die Preise in Deutschland im weltweiten Vergleich relativ günstig.

Was ist in den Coronajahren auf Gut Steinbach passiert?

Mein Mann und ich haben die Zeit genutzt und unseren neuen Heimat & Natur SPA und unser Salettl gebaut. Zudem haben wir das Thema Digitalisierung vorangetrieben.

Das Gastgewerbe leidet unter großem Personalmangel. Der Pressesprecher eines Münchner Hotels hat im Scherz gemeint, dass er nach wie vor überzeugt sei, dass „irgendwo eine andere Welt aufgemacht wurde“, wo jetzt alle arbeiten. Wie ist die Situation bei Ihnen? 

In der Tat ist das Recruiting schwierig geworden. Dabei ist das Hotelgewerbe eine wahnsinnig faszinierende Branche. Sehr vielseitig, abwechslungsreich, kein Tag gleicht dem anderen, und die Mitarbeiter bekommen immer sofort Feedback. Mit einer qualifizierten Ausbildung werden Sie überall auf der Welt gebraucht. Auch wir werden weiter Mitarbeiter aus dem Ausland rekrutieren. Aber in Deutschland müssen endlich die Genehmigungen beschleunigt werden, damit diese Menschen schnell ihre Arbeit aufnehmen können.

Während der Pandemie haben die Deutschen wieder vermehrt Urlaub im eigenen Land gemacht. Wird sich diese Entwicklung fortsetzen?  

Aktuell bemerken wir, dass die Gäste wieder zunehmend ins Ausland reisen. Wir können ihre Sehnsucht nach Sonne, Strand und Meer hierzulande nicht durchgängig stillen. Allerdings sind die Übernachtungspreise in ganz Europa seit Corona gestiegen – um circa 18 Prozent im Schnitt. Die Gäste müssen also tiefer in die Tasche greifen, egal wohin sie reisen; von den Flugpreisen ganz zu schweigen. Und die deutsche Hotellerie bietet wirklich ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, das Land ist sicher, und viele Ziele sind mit der Bahn oder dem Pkw zu erreichen, auch mit einem elektrischen.

Für die Top-Destinationen Südtirol, Schweiz oder Österreich wird sehr viel Werbung gemacht. Gerade von den Tourismusverbänden. Die Werbung für deutsche Urlaubsziele verblasst daneben. Woran liegt das? 

In vielen anderen europäischen Ländern hat der Tourismus einen höheren Stellenwert. Die Politik fördert die Tourismusbranche. Wir haben noch nicht einmal einen Tourismusminister und es scheint beschlossen, den gesenkten Mehrwertsteuersatz für Speisen und Getränke wieder nach oben zu setzen. Unsere Branche ist im Politikbetrieb zu schlecht vertreten. Dabei ist sie mit rund 450 Millionen Übernachtungen pro Jahr und etwa drei Millionen Beschäftigen ein bedeutender Wirtschaftszweig.

Wo sehen Sie die Hotellerie in zehn Jahren?  

Ich glaube, dass die Sehnsucht des Reisens nie verschwinden wird. Aber es eine Verschiebung hin zu mehr Nachhaltigkeit gibt. Menschen werden sich mehr über ihr Reiseziel informieren und nach Erlebnissen suchen, die sie als nachhaltig einstufen; etwa, wenn sie mit einem Fahrzeug die Umgebung erkunden oder das regionale Genusserlebnis auf dem Teller suchen. Die Frage, wie komme ich zu meinem Ziel, wird dabei ebenso eine große Rolle spielen. 

Was braucht man, um als Frau im Gastgewebe erfolgreich zu sein?

Man braucht eine Top-Ausbildung, große Freude an der Begegnung mit anderen Menschen und ein hohes Maß an Führungskompetenz. Denn Sie haben es in unserer Branche mit Menschen aus allen Bildungsniveaus zu tun.

Führen Frauen anders als Männer?

Ja. Aus meiner Erfahrung führen sie häufig empathischer, setzen mehr auf Teambuilding und sprechen Themen direkter an. Es geht eher um das große Ganze und nicht um die eigene Dominanz. Bei Relais & Châteaux haben wir heute in der Führungsebene schon einen Frauenanteil von 42 Prozent.

Sind Sie für eine Frauenquote, um noch mehr Frauen an Top-Positionen zu bringen.

Nein. Bei uns ist der Frauenanteil nur deswegen vergleichsweise hoch, weil diese Frauen einfach die bessere Besetzung waren. Ich würde mich immer gern für eine Frau als Hotelmanagerin entscheiden, aber nicht qua Quote, sondern, wie im Sport: Der oder die Bessere soll gewinnen! Frauen sind heute top ausgebildet, das Thema Familie und Beruf müssen wir allerdings noch besser in den Griff bekommen.

In den sozialen Medien sieht man immer häufiger Influencer, die fröhlich aus Hotelbetten winken oder grinsend ihren Nachtisch verputzen. Ist das eine für Hotels nachhaltige Werbung, wenn ein Popsänger wie Marc Terenzi in Ihrem Pool planscht? 

Es gibt sicherlich solche und solche Influencer. Aber Influencer mit Format wissen genau, wie sie sich verkaufen und dass sie für ihren Aufenthalt auch eine Gegenleistung bringen müssen. Man muss, wie bei allen anderen Medien einfach genau schauen, dass es zusammenpasst. Dann profitieren beide Seiten. Anhand des jeweiligen Mediakits und der Accounts kann man das sehr schön nachvollziehen. Wir haben nur positive Erfahrungen gemacht.

Wo machen Sie selbst Urlaub? 

Privat segeln wir gerne mit Freunden im Sommer. Das ist ein Urlaub, den ich besonders genieße – unkompliziert, naturnah mit schönen Gesprächen und erinnerungswürdigen Momenten. Ansonsten fahren wir als Familie gerne an die Côte d‘Azur.

Haben Sie ein Lebensmotto, einen Spruch oder Ähnliches, der Sie geprägt hat?

Carpe diem – nutze den Tag! Das sag ich mir wirklich jeden Tag! Ich wache auf, bin dankbar, in einem so privilegierten Land wie Deutschland leben zu dürfen, eine tolle Familie und Freunde zu haben und unser Gut Steinbach mit meinem Mann und unseren engagierten Mitarbeitern ganz im Sinne unseres Nachhaltigkeitsgedankens für nächste Generationen weiterentwickeln zu können.

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