München (dpa) – T. C. Boyle ist immer wieder für Überraschungen gut. Der 76-jährige US-Autor hat keine Angst vor großes Stoffen und großen Namen: Über den Cornflakes-Erfinder John Harvey Kellogg hat er ebenso schon geschrieben wie über den Sexualforscher «Dr. Sex» Alfred Kinsey. Zuletzt widmete er sich in «Blue Skies» der Klimakatastrophe. Bei seinem neuen Roman «No Way Home» hat sich Boyle für ein klassisches Thema entschieden und erzählt gekonnt wie üblich die Geschichte einer Frau, um die zwei Männern buhlen.
Im Hanser Verlag erscheint «No Way Home» jetzt auf Deutsch. Die amerikanische Ausgabe ist erst für April 2026 angekündigt. In Deutschland hat Tom Coraghessan Boyle seit Jahren eine große Leserschaft und will das Buch bei einer Lesereise im Spätherbst in fünf deutschen Städten von Hamburg bis Düsseldorf vorstellen.
Boyle hat den Roman vor der US-Wahl geschrieben
Boyle zählt zu den wichtigsten US-Autoren der Gegenwart und zu denen, die wie in «Blue Skies» immer auch politische Themen aufgegriffen haben. Wäre da nicht ein Roman zu US-Präsident Donald Trump fällig gewesen vor dem Hintergrund aktueller Krisen und Kriege?
Er habe das Buch vor der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr geschrieben, sagte Boyle der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb habe er natürlich auch über Politik nachgedacht. «Aber jedes Buch muss seinen eigenen Weg finden.»
Anfangs sei er davon ausgegangen, dass Umweltthemen wieder eine Rolle spielen würden. «Und natürlich sind diese Themen auch vorhanden.» Aber schließlich habe doch die Geschichte über eine Frau zwischen zwei Männern den Vorrang bekommen.
Zwei Männer können sich nicht ausstehen
Der eine, Terrence, ist ein chronisch überarbeiteter Arzt in Los Angeles, der nach dem Tod seiner Mutter klären muss, was mit deren Haus in Boulder City passieren soll. In der Stadt in Nevada lernt er Bethany kennen, die schon bald dort einzieht. Und schnell landen die beiden zusammen im Bett.
Der andere ist Jesse, Bethanys Ex, der viel Zeit damit verbringt, mit seinem Kumpel Thomas in den Bars von Boulder City abzuhängen und mit dem Motorrad durch die Gegend zu brettern. Jesse hat auch eine andere Seite: Er ist ein verhinderter Künstler, der davon träumt, einen Roman zu schreiben, aber nie sehr weit damit kommt.
«Ich sehe Terry und Jesse als natürliche Antagonisten. Das Einzige, was sie gemeinsam haben, ist das Objekt ihrer sexuellen Begierde, Bethany», sagte Boyle über seine Hauptfiguren. «Ohne sie wären sie beide weiter ihre eigenen Wege gegangen.»
Was Terry und Jesse zumindest gemeinsam haben, ist ihre Ich-Bezogenheit und ihre Rücksichtslosigkeit Bethany gegenüber. Beide erheben Anspruch auf sie, wollen über sie verfügen. Beide haben keine Skrupel, ihre Macht über sie auszunutzen.
«No Way Home» lässt sich auch als Roman über toxische Männlichkeit lesen. Terry und Jesse haben eine dunkle Seite: Ihnen fällt es schwer, ihre Wut zu kontrollieren. Wenn sie aufeinandertreffen, kommt es immer wieder zu bedrohlichen Situationen.
Kein Happy End in «No Way Home»
Einmal ist Terry abseits der Stadt unterwegs, als Jesse auf seinem Motorrad auftaucht, dicht an ihm vorbeifährt und ihm einen Stoß gibt. Terry stürzt einen Hang hinunter, kann nicht mehr aufstehen und bleibt stundenlang in der Hitze liegen – er hätte genauso gut tot sein können. Zunächst ist nicht sicher, ob er je wieder laufen kann.
Die Szene wiederholt sich später in frappierend ähnlicher Weise, als Terry im Auto Jesse auf dem Motorrad von der Straße abdrängt. Jesse kann seine Maschine nicht mehr kontrollieren, stürzt und muss ebenfalls ins Krankenhaus. Beide Männer sind bereit, weit zu gehen, um dem anderen zu schaden.
Boyle steht nicht in dem Ruf, in seinen Romanen regelmäßig auf ein Happy End zuzusteuern. Das ist auch in «No Way Home» so. Immerhin: Wie die Dreiecksgeschichte zwischen Bethany, Terry und Jesse ausgeht, bleibt offen – und spannend ist es die ganze Zeit.