Hektischer Aktionismus: Gerade einmal drei Monate ist es her, dass Donald Trump seine Präsidentschaft angetreten hat. An den Wertpapiermärkten fühlt es sich schon wie eine halbe Ewigkeit an. Mit einer nie dagewesenen Flut an Dekreten wurde die Politik überschwemmt. Gerade so, als gäbe es in den noch folgenden fast vier Jahren keine Zeit mehr. Jeder Amerikaner sollte sehen, dass er – Trump – es mit seinen Wahlversprechen ernst meint.
Was auf Europäer wie hektischer Aktionismus wirkt, ist in der US-Politszene verständlich. Viele Amerikaner sind von der Politik der vergangenen Jahrzehnte desillusioniert. Das ländliche Amerika empfindet sich als der Verlierer einer Globalisierung, die Arbeitsplätze in Asien geschaffen, jedoch in Kentucky abgebaut hat. Den am „Liberation Day“ geschwungenen merkantilistischen Zollhammer nehmen sie als Befreiung wahr. Endlich soll das riesige Loch in der Handelsbilanz beseitigt werden und Arbeitsplätze sollen nach Amerika zurückkommen.
Dabei liegen die Ursachen tiefer. Amerika konsumiert über seine Verhältnisse und kauft chinesische Billigwaren wie im Rausch. China, Südostasien und immer öfter auch Indien fertigen für US-Firmen Massenware in einer Qualität, die in den USA zu bezahlbaren Kosten unerreichbar wäre.
Mit „reziproken“ Zöllen versprach Trump in einem mit viel Pathos aufgebauschten Auftritt im „Rose Garden“ des Weißen Hauses am 2. April 2025 ein radikales Gegensteuern.
Strafzölle als Heilsbringer
Auf einer großen Tafel wurde der Welt verkündet, welche Zollsätze zukünftig für eine Einfuhr von Waren in die Vereinigten Staaten gelten sollten. Die Festlegung der sogenannten „tariffs“ wirkte willkürlich, da auch Handelshemmnisse wie Subventionen oder Regularien in die Kalkulation mit einbezogen wurden.
Hohn und Spott waren die Folge, weil auch kleine Inselgruppen, die noch nie etwas in die USA exportiert haben oder auf denen nur Pinguine leben, mit Zöllen belegt wurden.
Für die großen Exportnationen der Welt baute sich ein Schreckensszenario auf. Dies gilt für die EU und Deutschland mit seinen Autos, aber vor allem für die Volkrepublik China.
Verwerfungen an den Aktienmärkten
An den Aktienbörsen regiert seit der Zollankündigung die Angst. Vergleiche zu den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts mit dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise machen die Runde. Besonders verunsichert sind die Wertpapiermärkte durch das ständige Hin- und Her bei Trumps Zollankündigungen.
Erfahrene Börsianer wissen, dass Unsicherheit im Wertpapiergeschäft meist das schlimmste Szenario darstellt. Auf Unsicherheit kann man sich nicht einstellen oder reagieren. Schon nach einem Tag kann eine Entscheidung zum Kauf oder Verkauf eine grobe Fehleinschätzung sein. Für viele Marktteilnehmer ist es deshalb rational, zunächst zu verkaufen, dem Geschehen von der Seitenlinie zu folgen und erst bei gesicherten Marktverhältnissen wieder einzusteigen.
In der Folge erlitten die Weltaktienmärkte die größten Verluste seit der Corona-Krise. Auch Kryptowährungen wie der Bitcoin verloren parallel zur Nasdaq an Boden, während die Krisenwährung Gold einen Höchststand nach dem anderen erklimmen konnte.
Dollar im Sinkflug
Von vielleicht noch größerer Bedeutung sind die Kursverluste des US-Dollar. Getrieben von Inflationsangst hat die Leitwährung gegenüber dem Euro 10 Prozent an Wert verloren und auch gegenüber anderen Weltwährungen sieht die Kursentwicklung kaum besser aus.
Dieser Kurseinbruch geht einher mit enormen Schwankungen bei US-Staatsanleihen. Stellen die T-Bonds genannten Staatspapiere in normalen Börsenzeiten einen sicheren Hafen dar, konnten sie aufgrund der hohen Unsicherheit nicht profitieren. Offenbar führten große Abgaben aus dem Ausland zeitweise zu schnellen Kursverlusten.
Für Amerika eine besorgniserregende Entwicklung. Wenn die Welt nicht mehr bereit ist, das amerikanische Zwillingsdefizit in Haushalt und Handelsbilanz zu finanzieren, muss der Gürtel enger geschnallt werden. Auch damit sind einige der schnellen Rücknahmen von Zollankündigungen zu erklären.
Konsequenzen für die Geldanlage
Amerika hat an Verlässlichkeit eingebüßt. Aktiengesellschaften mögen solche Probleme durch Erträge ausgleichen können. Anleihen können dies nicht. Sie sind auf das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des Landes angewiesen. Dieses Vertrauen auf das alte Niveau zurückzubringen, wird schwierig. Denn neben der erratischen Wirtschaftspolitik hat Amerika die Werte, für die es seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1776 steht, in Frage gestellt.
Das Anlegen von Geld ist komplizierter geworden. Spätestens jetzt reicht es nicht mehr, in einen ETF auf den MSCI World zu investieren. Notwendig ist die Gewichtung auch anderer Anlageklassen wie internationaler Anleihen, Kryptowährungen, Edelmetallen und Rohstoffen. Ein professioneller Depotaufbau mit durchdachtem Währungsmix ist unerlässlich, wenn man an den Anlagemärkten mittel- und langfristig erfolgreich sein will.
Zur Person: Dieter Lendle war zehn Jahre im Handel und Sales derivativer Wertpapiere bei Citigroup, Goldman Sachs und CSFB tätig. Er war Vorstandsmitglied der Euwax Broker AG sowie Gründer und Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Instituts e.V. Heute ist er IHK-Sachverständiger und Vorstand der Anlagematrix AG und als Kolumnist für Courage tätig. Er hat gemeinsam mit Frank Langer und der Redaktion von Courage die Kurse für den Courage Campus entwickelt und ist auch dort als Referent tätig. Einmal im Monat – immer am ersten Mittwoch – beantwortet Dieter Lendle im Wertpapier-Check, der Sprechstunde von Courage, eure Fragen rund um das Thema Wertpapiere.