Ukraine lobt Merz für neue Geheimhaltung bei Waffenhilfe

Die Ukraine bittet Deutschland schon lange um den Marschflugkörper Taurus. (Archivbild)
Die Ukraine bittet Deutschland schon lange um den Marschflugkörper Taurus. (Archivbild) Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Bundeskanzler Friedrich Merz bekommt für seine neue Geheimhaltungspraxis bei den Waffenlieferungen in die Ukraine Unterstützung aus dem von Russland angegriffenen Land. “Ein guter Schachspieler denkt mehrere Züge voraus. Was er nicht tut, ist, diese Züge seinem Gegner vorherzusagen”, sagte Botschafter Oleksii Makeiev der Deutschen Presse-Agentur zur Begründung.

Es gibt aber auch Kritik an der neuen Strategie. Makeievs Vorgänger Andrij Melnyk sprach von einer “sehr merkwürdigen” Praxis, die “böse Erinnerungen” an die Ampel-Regierung wecke. Damals sei Zurückhaltung bei Waffenlieferungen durch Geheimhaltung verschleiert worden. Die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger nannte die neue Geheimhaltungsstrategie “wenig glaubwürdig bis verlogen”.

Merz hatte gleich nach seinem Amtsantritt in Abstimmung mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) entschieden, die detaillierte Veröffentlichung aller Waffenlieferungen in die Ukraine inklusive genauer Stückzahlen zu stoppen. Damit kehrt er zu einer Praxis zurück, die es in den ersten Monaten nach der russischen Invasion in der Ukraine von Februar bis Juni 2022 unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegeben hatte.

Merz kritisierte Geheimhaltung als Oppositionsführer

Merz hatte das damals als Oppositionsführer scharf kritisiert. “Wir werden hingehalten, es gibt Ausflüchte, es gibt keine präzisen Angaben darüber, was Deutschland eigentlich liefert. Und das Ganze wird dann noch begründet damit, dass es geheim gehalten werden müsste aus Sicherheitsgründen”, hatte er im April 2022 in einem Interview von n-tv und RTL gesagt.

Auf die Nachfrage, was er denn anders machen würde, wenn er Bundeskanzler wäre, sagte Merz damals: “Ich würde die Öffentlichkeit besser informieren.” Es sei richtig, Transportwege für Waffen geheim zu halten. “Aber wir müssen doch die Öffentlichkeit darüber informieren, was geliefert wird. Wir müssen die Öffentlichkeit darüber informieren, woran es liegt, dass bestimmte Dinge noch nicht geliefert worden sind. Also die Bundesregierung setzt sich ohne Not dem Verdacht aus, dass sie ihre Zusagen nicht einhält.”

Melnyk spricht von “Hinhaltetaktik”

Zwei Monate später beugte sich die Regierung Scholz dem öffentlichen Druck und veröffentlichte eine detaillierte Liste mit allen Waffenlieferungen im Internet, die bis zum Regierungswechsel am 6. Mai regelmäßig aktualisiert wurde. Diese soll jetzt nicht mehr ergänzt werden. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums betonte aber, dass immer noch gelieferte Waffensysteme genannt würden. Es würden aber keine Details wie Stückzahlen mehr veröffentlicht.

Melnyk, der zu Beginn des Krieges Botschafter in Deutschland war, ist das zu wenig. Die Veröffentlichung der Waffenlieferungen wäre auch ein starkes Signal an Russland und hätte Präventivwirkung, sagt er. “Putin muss genau wissen, was konkret die neue Bundesregierung militärisch tun wird, um ihn zu einem gerechten und dauerhaften Frieden zu zwingen.”

Regierung will Russland nicht in die Hände spielen

Im Umfeld von Merz argumentiert man anders. Dort wird die Kehrtwende zur Geheimhaltung damit begründet, dass man eine “strategische Ambiguität” herstellen wolle. Das bedeutet, dass man den Gegner über das eigene Handeln im Unklaren lässt, um ihm keine militärischen Vorteile entstehen zu lassen. Es gehöre zur “Taktik in der Kriegsführung”, öffentliche Debatten über Waffenlieferungen zu reduzieren, heißt es.

Diese Argumentation unterstützt der ukrainische Botschafter Makeiev. “Als Botschafter der Ukraine bin ich in solche Geheimnisse eingeweiht”, sagte er der dpa. Nach dem Antrittsbesuch Merz in Kiew könne er daher sagen: “Deutschland wird liefern. Und wir wissen genau, was und wann. Und wir sind zufrieden.”

Taurus spielte bei Entscheidung eine Rolle

Regierungssprecher Stefan Kornelius bestätigte, dass die neue Praxis auch etwas mit der öffentlichen Diskussion über die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus zu tun hat, für die Merz sich offen gezeigt hat. “Das war der Wunsch des Bundeskanzlers, die Kommunikation über Einzelwaffen-Systeme zu reduzieren”, sagte er. “Das hat auch mit dem Waffensystem Taurus zu tun.”

Die neue Praxis stößt aber auch bei den Grünen auf Kritik. “In der Opposition wollte die Union immer noch mehr und mehr Infos zu Waffenlieferungen bis hin zu jeder Schraube haben”, sagte Vizefraktionschefin Brugger der dpa. Gerade in der wichtigen Taurus-Frage gebe die Regierung “ein Bild maximaler Unklarheit ab” und erinnere an Ex-Kanzler Scholz. “Man fragt sich, ob die markigen Worte, die sowohl Friedrich Merz als auch Boris Pistorius gewählt haben, mehr Show waren.” (dpa-AFX/cw)

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