Kampfjetpilotin, Reserveastronautin, Unternehmensberaterin: Nicola Winter hatte schon viele spannende Jobs. Wir haben die 39-Jährige zu ihrer Ausnahmekarriere befragt. Ihr Top-Tipp, um Träume zu verwirklichen: den richtigen Partner wählen.
Courage: Frau Winter, Sie waren 14 Jahre als Kampfjetpilotin bei der Bundeswehr. Nicht gerade ein 08/15-Job – wie kam es dazu?
Nicola Winter: Es gab ein Schlüsselerlebnis. Ich wollte schon mit neun Jahren Pilotin bei der Lufthansa werden. Aber da gibt es ein Größenlimit von 1,65 Meter – und ich bin nur 1,60. Deshalb hätte ich keine Chance gehabt. Aber als ich 15 war, kam mein Stiefvater mit nur 40 Jahren beim Fliegen eines Ultraleichtflugzeugs ums Leben …
… und das war der Moment, in dem Sie beschlossen, doch Pilotin zu werden?
Ja. Das Fliegen hat meinem Stiefvater unglaublich viel Freude gemacht. Sein Motto war: Lieber kurz und leidenschaftlich leben als lang und langweilig. Ich sehe das genauso. Also habe ich nach Alternativen gesucht. Und da sah ich Videos mit Jets, die durch Alpentäler düsen und auf dem Rücken fliegen. Das war so cool!
Dann lieben Sie das Risiko?
Die Leute denken: Eine Jetpilotin muss ein Adrenalinjunkie sein. Das ist überhaupt nicht so. Ich mache kein Bungee Jumping und kein Fallschirmspringen. Als Pilotin versuche ich eher, das Risiko akribisch zu managen. Ich habe Piloten kennengelernt, die später beim Fliegen ums Leben gekommen sind. Das flößt mir jeden Tag aufs Neue Respekt ein.
Was haben Ihre Eltern dazu gesagt, dass Sie Jetpilotin werden wollen?
Meine Mutter war Deutsche Meisterin im Drachenfliegen. Das Fliegen war also kein Problem. Ich habe mich nach dem Abitur 2004 aber erst mal heimlich beworben. Denn bundeswehraffin war meine Familie überhaupt nicht. Als meine Eltern es erfahren haben, fanden sie es ganz schön „strange“. Ich bin natürlich trotzdem hin.
Und wie war es?
Extrem spannend. Auch wenn ich in den ersten sechs Monaten Grundausbildung nicht mal in die Nähe eines Jets kam. Nach einem Jahr begann die fliegerische Ausbildung. Erst in Phoenix, Arizona, dann in Nord-Texas an der Sheppard Air Force Base, der größten Flugschule der NATO. Jedes Jahr werden dort 200 Flugschüler ausgebildet.
Aber nicht viele Frauen, oder?
Ich war erst die zweite Kampfpilotin aus Deutschland dort. Die Amis hatten mehr Flugschülerinnen und auch Fluglehrerinnen. Damals lag der Frauenanteil bei etwa fünf, heute vielleicht bei 15 Prozent.
Frauen müssen im Job oft mehr leisten als Männer, um erfolgreich zu sein. Ging es Ihnen auch so?
Nein. In der Jetfliegerei kommt man nur mit 100 Prozent Leistung durch. Die Ausbildung dauert 55 Wochen. Da wird man vom Fußgänger zum fertigen Piloten, der jedes Flugmanöver bei jedem Wetter beherrscht. Das ist maximal intensiv. Das ganze Leben ist voll darauf ausgerichtet – bei Männern und Frauen gleichermaßen.
Was ist die wichtigste Eigenschaft, die eine Kampfpilotin mitbringen muss?
Kritikfähigkeit! Beim Fliegen läuft auch mal was schief, etwa wenn Sie im Tiefflug die Orientierung verlieren. Das tischt einem der Fluglehrer dann in einem Zwei-Stunden-Gespräch detailliert auf. Das ist sehr persönlich. Wie alle bin ich dabei durch ein Tal der Tränen gegangen. Aber das empowert mich heute total. Egal welche Kritik kommt, ich kann das gut annehmen.
Was war das Heikelste, was Sie beim Fliegen erlebt haben?
Das war 2017 im Baltikum. Deutschland ist dort im Verbund mit allen NATO- und EU-Nationen regelmäßig mit Kampfjets präsent, weil sich die Baltischen Staaten nicht selber schützen können. Über der Ostsee fliegen auch die Russen. Manchmal sind sie ohne Identifizierung unterwegs. Dann sind wir rangeflogen und haben Fotos gemacht. Da war die Lage ja eigentlich entspannt, Jahre vor dem Ukraine-Krieg. Als ich in so einem Fall mit einem Kollegen aufgestiegen bin, haben sich die russischen Jets unerwartet aggressiv verhalten.
Was heißt das?
Sie sind gleich hinter uns geflogen. Das ist aggressiv, weil man da einen taktischen Vorteil hat. Dann haben sie versucht, uns fast aus dem Himmel zu rammen. Wenn wir nicht ausgewichen wären, wäre es vielleicht schiefgegangen. Wahrscheinlich haben sie sich einen Spaß draus gemacht, uns so richtig Angst einjagen zu wollen. Das hat natürlich nicht geklappt – wir sind ruhig geblieben. Aber überraschend war es schon.
Das war aber nicht der Grund, warum Sie ein Jahr später aus der Bundeswehr ausgetreten sind, oder?
Nein. 14 Jahre waren einfach genug. Für mich wäre es im Stab und am Schreibtisch weitergegangen. Nichts, was ich in der Bundeswehr tun wollte. Also bin ich ein Jahr als Beraterin zu McKinsey, habe meinen Master als Ingenieurin gemacht, war vier Jahre beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und habe auf eigene Rechnung als Speakerin gearbeitet. Währenddessen habe ich eine Tochter bekommen, die jetzt vier ist. Und ich habe meinen Hubschrauberschein gemacht. Am 1. Dezember starte ich in meinem neuen Job als Hubschrauberrettungspilotin für den ADAC. Da freu ich mich riesig drauf, weil ich Menschen helfen kann. Das ist ein großer Zufriedenheitsfaktor für mich.
Hat Ihnen der bei der Bundeswehr gefehlt?
Nein. Unsere Freiheit zu beschützen war mir sehr wichtig. Nur war das im Alltag recht abstrakt.
Für viele Deutsche ist der Dienst an der Waffe aber ein No-Go.
Ja, leider. Wir haben einen fast absolutistischen Pazifismus im Land. Schon in der Schule haben wir gelernt, dass alles, was mit Militär zu tun hat, schlecht ist. Das stimmt aber nur, wenn man wie die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg im Dienst eines Diktators steht, der alles Menschliche mit Füßen tritt. Pazifistisch zu sein, wenn unter einem fremden Diktator Tod und Zerstörung herrscht, bringt gar nichts. Ich denke mir dann immer, was ich als Deutsche heute für ein großes Privileg habe. Ich kann meinen Beruf frei wählen und meinen Ehemann, wenn ich überhaupt einen will. Ich kann mich scheiden lassen, bin mental und finanziell unabhängig. Das alles ist nicht selbstverständlich. Dafür haben andere Menschen hart gekämpft. Damit meine Tochter dieses Privileg auch hat, muss ich bereit sein, Aggressoren in die Schranken zu weisen – auch militärisch.
Das Abenteuer hat Sie nach der Bundeswehr nicht losgelassen. Sie wollten ins All und sind ESA-Reserveastronautin geworden. Wie stehen die Chancen, dass Sie starten dürfen?
Welches Land wie viele Astronauten ins All schickt, ist ein politisches Thema. Deutschland stellt zurzeit nur zwei Astronauten, Alexander Gerst und Matthias Maurer. Unter der noch amtierenden Bundesregierung hat die bemannte Raumfahrt gar keine Priorität. Ausgerechnet jetzt, wo zwei deutsche Frauen für die Reserve ausgewählt wurden, die Biotechnologin Amelie Schönenwald und ich. Deutschland hat weltweit mit Abstand das schlechteste Geschlechterverhältnis in der Raumfahrt. Zwölf deutsche Männer waren schon im All, aber keine Frau. Selbst Saudi-Arabien hatte schon eine Frau im All. Meine Chancen liegen jetzt vielleicht bei 20 bis 25 Prozent. Und nur, wenn es zu einem Umdenken kommt.
Wenn Ihre Tochter in zehn Jahren sagt: „Mama, ich will Astronautin werden“, was raten Sie ihr dann?
Es ist eine Art Lottogewinn, wenn man ins All fliegen darf – nicht planbar. Nur 700 Menschen waren bisher überhaupt im All. Deshalb würde ich ihr raten, ihr Leben nicht stur auf dieses Ziel auszurichten. Das wäre ein perfektes Rezept, um unglücklich und verbittert zu werden.
Und wenn sie eine andere Leidenschaft entwickelt? Was ist entscheidend, damit man seinen Traum verwirklichen kann?
Da hätte ich drei Tipps. Erstens: sich gut vorbereiten. Die wenigsten stolpern zufällig in ihr Glück! Zweitens: ein netter Mensch sein. Je mehr Leute mich schätzen, desto größer wird mein Netzwerk. Das klappt nicht, wenn man der beste Manipulator oder Selbstdarsteller ist. Und drittens, und das ist das Wichtigste: den richtigen Partner wählen. Egal, ob als Mann oder Frau – der falsche Partner kann einen im Leben und im Beruf brutal zurückwerfen und ausbremsen.
Wie wichtig ist Ihnen das Gehalt für Zufriedenheit im Job?
Wenn wir ehrlich sind, braucht es ein gewisses Minimum an Geld, damit man ein entspanntes Leben frei von Existenzängsten führen kann. Wenn das erreicht war, war ich immer völlig flexibel – mal habe ich sehr gut, mal weniger verdient. Von der McKinsey-Beraterin und Keynote-Speakerin bis hin zur Rettungssanitäterin und Angestellten im öffentlichen Dienst war schon alles dabei. Nur über einen Luxus kann ich mich jetzt sehr freuen: eine private Krankenversicherung.
Da liegt die Einkommensgrenze zurzeit bei knapp 70.000 Euro brutto im Jahr.
Ja. Da muss man sich schon bemühen – mit den verschiedenen Spezialisierungen, die ich erworben habe, geht das aber gut. Aus meiner Sicht ist die Zweiklassenmedizin schlecht für uns als Gesellschaft – aber solange wir sie haben, ist mir dieser Teil meiner Versorgung wichtig.
Was verdient man denn als Jetpilotin oder Astronautin?
Das sind Angestellte im öffentlichen Dienst. Wobei es für Jetpiloten sehr nette Gefahrenzulagen gibt. Ich bin mit etwa 4000 Euro netto im Monat nach Hause gegangen. Astronauten fangen mit 6500 bis 7000 Euro brutto für netto an und landen mit Sonderbezügen bei 8000 bis 9000 Euro. Dazu muss man wissen: Die ESA ist eine europäische Organisation, deshalb zahlt man dort keine Steuern. Als Hubschrauberpilotin verdiene ich künftig auf jeden Fall weniger.
Denken Sie auch ans Alter? Sorgen Sie finanziell vor?
Ja, ich bin ein Fan von Immobilien. Wir haben gerade eine Doppelhaushälfte am Wörthsee gebaut, westlich von München, wo wir jetzt wohnen. Wenn wir wieder Geld frei haben, werden wir erneut investieren.
Und wie wär’s mit Aktien zur Diversifikation?
Die finde ich auch spannend. Aber da bin ich völliger Laie und hab schon draufgezahlt.
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