Greifswald (dpa) – Die Vogelgrippe ist in Deutschland auf dem Vormarsch. In Baden-Württemberg werden in einem Geflügelbetrieb 15.000 Tiere getötet, Tausende Kraniche sterben, die Agrarminister nehmen sich der Krise an. Zwar ist die Tierseuche in Deutschland inzwischen ganzjährig verbreitet, doch mit dem Vogelzug im Herbst gewinnt das Infektionsgeschehen deutlich an Fahrt – und erreicht derzeit ein neues Ausmaß.
Inzwischen wurden auch Großbetriebe mit Legehennen und Mastputen von dem Virus erfasst. Das zuständige Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) spricht unter Hinweis auf die aktuell hohe Dichte an Wildvögeln in den Zugkorridoren von einer dynamischen Entwicklung. Das Risiko für weitere Ausbrüche in Geflügelhaltungen und auch für die Verbreitung unter Wildvögeln wurde auf die Stufe «hoch» heraufgesetzt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist das überhaupt für eine Krankheit?
Aviäre Influenza, abgeleitet vom lateinischen Begriff für Vogel (avis), ist eine durch Viren ausgelöste Infektionskrankheit, die vor allem bei wildlebenden Wasservögeln anzutreffen ist. Gefährlich ist nach Angaben des Loeffler-Instituts die hochansteckende Virusvariante HPAIV, die derzeit als H5N1 grassiert. Sie führt bei infizierten Tieren in der Regel zu schweren Verläufen und endet oft tödlich. Umgangssprachlich wird die Geflügelpest meist Vogelgrippe genannt.
Ist die Vogelgrippe auch für Menschen gefährlich?
Bei einer hohen Infektionsdosis ist das Virus prinzipiell auch auf Menschen übertragbar. Doch besteht für die Bevölkerung laut FLI derzeit kein besonderes Risiko, dass es zu schwerwiegenden Erkrankungen kommt. Kontakt zu toten Vögeln sollte vorsorglich aber in jedem Fall vermieden werden. Damit lasse sich auch verhindern, dass das Virus eventuell durch den Menschen verbreitet wird. In den USA etwa hatten sich in der Vergangenheit Mitarbeiter von Geflügelbetrieben infiziert.
Kann das Virus durch Geflügelprodukte übertragen werden?
Das ist nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung grundsätzlich nicht auszuschließen. Doch lägen bisher keine Erkenntnisse vor, die belegen, dass sich Menschen über Lebensmittel mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert haben. Das Institut empfiehlt, Fleisch gut durchzubraten, da das Virus empfindlich gegenüber hohen Temperaturen ist. Auch im Kern solle eine Temperatur von mindestens 70 Grad erreicht werden. Bei gekochten Eiern sollte darauf geachtet werden, dass sowohl Eiweiß als auch Eigelb fest sind.
Inwieweit sind Wildvögel betroffen?
Das FLI erfasste bundesweit bislang 29 Ausbruchsherde bei Wildvögeln. Dabei zeigte sich, dass in dieser Saison vor allem Kraniche betroffen sind. Eine solche Häufung verendeter Tiere sei bislang noch nicht beobachtet worden, hieß es. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass bisher etwa 2.000 Kraniche auf dem alljährlichen Vogelzug nach Süden in den deutschen Rastgebieten an der Geflügelpest verendeten.
Allein in Nordbrandenburg wurden nach Behördenangaben zwischenzeitlich mehr als 1.000 tote Kraniche geborgen, die Suche hält an. An einem Stausee an der Landesgrenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt wurden mehr als 500 tote Tiere gefunden, etwa 100 in der Mecklenburgischen Seenplatte. Der Höhepunkt der Kranichrast wird erst noch erwartet, sodass Fachleute mit einer deutlich höheren Zahlen toter Tiere rechnen.
Wildenten indes zeigen laut FLI bei einer Geflügelpest-Infektion inzwischen nicht mehr unbedingt schwere Krankheitssymptome oder sterben daran. Da verschiedene Arten bereits in den zurückliegenden Jahren betroffen gewesen seien, könne es in deren Populationen bereits eine teilweise Immunität geben.
Welche Folgen hat die Vogelgrippe für kommerzielle Tierhalter?
Am Donnerstagabend meldete Baden-Württemberg einen betroffenen Geflügelbetrieb im Alb-Donau-Kreis südöstlich von Stuttgart, in dem rund 15.000 Tiere getötet werden. Für den Monat Oktober registrierte das FLI bislang bereits 17 Ausbrüche in Nutzgeflügel-Haltungen, ob der jüngste Ausbruch mitgezählt ist, war zunächst unklar. Besonders folgenschwer waren auch zwei Fälle in Mecklenburg-Vorpommern. Dort mussten nach Angaben des Schweriner Landwirtschaftsministeriums in zwei Großbetrieben mit Legehennen knapp 150.000 Tiere vorsorglich getötet werden. Bereits Mitte Oktober waren im niedersächsischen Landkreis Cloppenburg 20.500 Puten gekeult worden. Den finanziellen Schaden können Halter bei der Tierseuchenkasse geltend machen.
Die derzeit hohe Viruslast bei Wildvögeln erhöhten das Risiko eines Eintrags in Geflügelbestände bundesweit erheblich, heißt es vom FLI. Das Institut schätzt, dass in diesem Herbst bislang mehr als 200.000 Hühner, Gänse, Enten und Puten nach Geflügelpestausbrüchen in den jeweiligen Haltungen getötet und entsorgt wurden, um die Ausbreitung der Seuche einzudämmen. Die Gesamtzahl der seit Jahresbeginn wegen Vogelgrippe getöteten Nutztiere liege jedoch höher, hieß es.
Was können Betriebe zur Minderung der Infektionsgefahr tun?
Die Behörden appellieren an Geflügelhalter, zur Eindämmung der Tierseuche die Hygieneregeln penibel umzusetzen, insbesondere Desinfektionsmaßnahmen und Kleidungsvorschriften. Kontakte des Hausgeflügels zu Wildvögeln und deren Ausscheidungen sollen vermieden, die eigenen Tiere möglichst in Ställen untergebracht werden. Die Fütterung solle nur an Stellen erfolgen, die für Wildvögel unzugänglich sind. In den vom Ausbruchsgeschehen bereits betroffenen Regionen werden temporär Schuttzonen eingerichtet, in denen strengere Regelungen.
Gibt es Impfstoffe gegen die Vogelgrippe?
Solche Impfungen waren innerhalb der EU lange nicht zugelassen. Nach Angaben des FLI gibt es aber Impfstoffe für Geflügel, die insbesondere in Frankreich mit einer Sondergenehmigung bei Enten und Gänsen schon zum Einsatz kommen. Die Impfung von Geflügel sei allerdings mit umfangreichen Überwachungsmaßnahmen verbunden und eigne sich daher aus Sicht des FLI nur für bestimmte Geflügelarten, Enten und Gänse in Freilandhaltung etwa oder für Zoovögel. Ungeeignet sei sie für die Masthähnchenproduktion.




