Edinburgh (dpa) – J.K. Rowling erinnert sich noch genau, wie sie zum ersten Mal eines ihrer Bücher in einer Buchhandlung entdeckte. «Es war einer der besten Momente meines Lebens», sagt die britische Erfolgsautorin in einem Podcast vor einigen Jahren.
«Harry Potter und der Stein der Weisen» wird 1997 mit einer Auflage von gerade einmal 500 Exemplaren gedruckt. Damals ist sie «so arm wie man im modernen Großbritannien abgesehen von Obdachlosigkeit nur sein kann», erzählt sie der «Times» später. Inzwischen gehört die Schriftstellerin, die am 31. Juli ihren 60. Geburtstag feiert, zu den reichsten Menschen des Landes. Das «Forbes»-Magazin schätzt ihr Vermögen auf 1,2 Milliarden US-Dollar (rund eine Milliarde Euro).
Die Geschichte der J.K. Rowling gleicht einem Märchen
Zu verdanken hat es Rowling dem Zauberlehrling Harry Potter, um den sie einen wahren Kosmos erschaffen hat. Sie füllt damit sieben Romane und weitere Bücher, acht Kinofilme, sowie drei weitere Filme, die an die Geschichten angelehnt sind und ein Theaterstück, das unter anderem in London, New York, Hamburg und Tokyo zu sehen ist. Hinzu kommt eine Serie beim US-Sender HBO, die im Jahr 2027 anlaufen soll. Unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlicht sie zudem Krimis. Ihre Fans verehren sie zeitweise wie ein Idol.
Die Geschichte der J.K. Rowling gleicht einem Märchen. Es ist beinahe wie in ihrer eigenen Erzählung, in der ein verwaister elfjähriger Junge plötzlich übermenschliche Kräfte in sich entdeckt, die ihm die Tür zu ungeahnten Möglichkeiten eröffnen.
Sie muss noch mal ganz von vorn anfangen
Rowling, die eigentlich nur Joanne mit Vornamen heißt – die Initialen-Kombination J.K. verordnete ihr ein Verleger – lebt Anfang der 90er-Jahre mit einem gewalttätigen Ehemann in Portugal zusammen. Die Kontrolle geht so weit, dass ihr der eigene Hausschlüssel und der Zugang zum Manuskript ihres ersten Buchs teilweise vorenthalten werden. Sie schafft es, mit ihrer ältesten Tochter, damals noch ein Baby, diesen Verhältnissen zu entkommen. Doch muss sie noch mal von ganz vorn anfangen.
Unterschlupf findet Rowling bei ihrer Schwester in Edinburgh, ihre Mutter ist bereits vor dem Umzug nach Portugal im Alter von nur 45 Jahren an den Folgen einer Multiple-Sklerose-Erkrankung gestorben. Inzwischen lebt Rowling dort in einem stattlichen Anwesen – wenn sie nicht auf ihrer knapp 90 Meter langen Luxusjacht «Samsara» in der Karibik unterwegs ist.
Darsteller ihre Helden wenden sich ab
Das Märchen könnte hier also enden. Doch so einfach ist es nicht. Denn J.K. Rowling entscheidet sich im Jahr 2020 in eine öffentliche Auseinandersetzung mit Aktivisten für Transrechte zu treten, die bis heute anhält. Auf ihrem X-Account kann man regelmäßig ein Nachrichtengeplänkel verfolgen, das sie sich mit Nutzerinnen und Nutzern liefert.
Rowling selbst betrachtet sich als Verfechterin feministischer Werte, die sie durch Transrechte gefährdet sieht. Vor allem die Nutzung von Damentoiletten und -umkleiden durch Transfrauen sieht sie kritisch. Dafür muss sie nicht nur viel sachliche Kritik, sondern in sozialen Medien auch schlimmste Beleidigungen und Gewaltdrohungen über sich ergehen lassen.
Die Darsteller ihrer Helden wie Daniel Radcliffe (Harry Potter), Emma Watson (Hermine Granger) und Rupert Grint (Ron Weasley) distanzieren sich von ihr. Auch viele Fans wenden sich ab. Von anderen kommt Zuspruch.
Dass die politisch eher linksstehende Autorin nun aus dem eigenen Lager schwer angegriffen wird, setzt ihr zu. «Das trifft, das trifft natürlich», sagt Rowling im Podcast «The Witch Trials of J.K. Rowling». Den Vorwurf, sie habe ihr Lebenswerk zerstört, weist sie aber zurück. Ihrer Auffassung nach verkörpert eine aus den Fugen geratene Transrechtsbewegung die Gefahren, vor denen sie schon in den Potter-Büchern gewarnt hat. Sie meint damit eine Unfähigkeit zum Dialog und die Überzeugung von der absoluten Richtigkeit des eigenen Standpunkts, die sie den Aktivisten vorwirft. In sozialen Medien gilt sie jedoch oft nur noch als «Terf» (trans-exclusionary radical feminist). Der Begriff steht für Trans-ausschließende radikale Feministin.
Ein Ende ihres Feldzugs ist nicht abzusehen
Doch Rowling teilt auch kräftig aus und ist dabei nicht wählerisch. Nicht nur Transfrauen geraten ins Visier, sondern auch Menschen wie die algerische Boxerin und Olympiasiegerin Imane Khelif, die bei ihrer Geburt als Mädchen identifiziert wurde und nie in einem anderen Geschlecht gelebt hat. Das hindert Rowling aber nicht daran, die Boxerin als Mann zu bezeichnen, «der sich am Leid einer Frau erfreut, der er gerade auf den Kopf geschlagen hat».
Als das oberste britische Gericht im April in einem Grundsatzurteil feststellt, dass Transfrauen keinen Anspruch auf Gleichstellung geltend machen können, weil sie im biologischen Sinne keine Frauen seien, triumphiert Rowling. Zu einem Foto, das sie mit Drink und Zigarre auf ihrer Jacht zeigt, schreibt sie auf X: «Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.» Ein Ende ihres Feldzugs ist aber nicht abzusehen.