Miltenberg (dpa/tmn) – Radler lieben das Maintal, Wanderer die Wege durch dichten Forst, Weinkenner die Silvaner und Spätburgunder. Man atmet Frischluft in der Natur, kehrt in Häckerwirtschaften ein, bestaunt Kirchen und Fachwerk. Das ist Churfranken, und es hat augenscheinliche Reize. Die Tourismusregion zwischen Spessart und Odenwald ist ein romantischer Flecken Deutschlands.
Doch es gibt auch Spannendes im Verborgenen. Und kaum jemand kennt die anderen, die dunklen und manchmal unterirdischen Seiten der Gegend.
Klingeln, und dann geht’s in den Eiskeller
Wer dieses Gewölbe betreten will, das sich einhundert Meter in den Greinberg erstreckt, muss Johann A. Geiger am Eingang per Knopfdruck herbeiklingeln. Dann öffnet der 61-jährige Besitzer der St. Kilian Kellerei in Miltenberg den Zugang in den einstigen Eiskeller, der seit 1482 dokumentiert ist.
Die Temperatur stürzt auf sechs Grad – im Sommer eine vielleicht schon zu heftige Abkühlung, Jacke oder Pulli nicht vergessen!
Die Strecke ist leicht geneigt. So konnte das Schmelzwasser früher nach außen ablaufen. Früher – das sind die Zeiten, als es noch keine Kühlschränke gab. Der Keller diente der Bevölkerung als Eisvorratskammer. Hier deckte man sich mit den dort gelagerten Eisbrocken ein, um damit zu Hause Lebensmittel zu kühlen. Geiger hat den schlauchförmig engen Gang für die Gäste von heute mit Lichteffekten in Rot, Gelb und Blau versetzt.
- Infos: st-kilian-kellerei.de; Eintritt kostenlos
Feucht und kühl ist’s in der Schatzkapelle
Mitten im Sandstein, der für die alten Teile der Brauerei Faust in Miltenberg ausgehöhlt wurde, steckt das Allerheiligste: die Schatzkapelle. Es ist feucht und kühl. Drei Deckenlampen spenden schummriges Licht.
Brauer Johannes Faust, 60 Jahre alt, taucht ab in die Historie: «Im Dreißigjährigen Krieg versteckten Zisterziensermönche hier Silbermünzen.» Die heutigen Schätze bestehen aus umfunktionierten Cognac- und Whiskyfässern. Im Eichenholz reifen Biere zu sagenhaften Tropfen heran. Das Paradies setzt sich im «Bier-Himmel» fort, der Dachterrasse der Brauerei mit Blick auf den Main.
- Infos: faust.de; Führungen ab 12,90 Euro. Im Angebot sind auch Brau-Workshops
Whisky statt Munition im Ex-Schutzbau
Top secret! Es war einmal ein Nato-Gelände namens Hainhaus, wo die US-Streitkräfte geheime Munitionsdepots unterhielten. Mittlerweile nutzt man die Bunker neu. Nun lagern dort tausende Fässer von St. Kilian Distillers, die sich «Deutschlands größte Whisky-Destillerie» nennt. Beim Zutritt kippt die Luft des Odenwalds in Whiskyduft.
Das Mutterhaus der Destille liegt im nahen Rüdenau. Rundgänge führen zu den Gärbottichen, den Brennblasen, in einen Keller mit besonderen Fässern. «Whiskys haben bei uns eine erhöhte Trinkstärke, mindestens 46 Volumenprozent», sagt Besuchsmanager Udo Käsmann, 54, und lacht. Die Grundausrichtungen lauten: mild oder rauchig. Bei der Kostprobe schmeckt man Birnen, Waldfrüchte, Pfirsiche, Torfrauch, Nuancen von Vanille heraus.
Letztlich hängt alles am Fass. Ist es Eiche, Kastanie, Buche, Zeder? Haben vorher Rotweine, Sherrys, Rum dringesteckt? «Jedes Fass ist eine Wissenschaft für sich», sagt Käsmann.
- Infos: www.stkiliandistillers.com; Führung mit Degustation in Rüdenau kosten 20 Euro; regelmäßige Einblicke in den ehemaligen Bunker sind ab 2026/27 geplant
In die Unterwelt der Henneburg
Gespenstisches Dunkel. Im matten Lichtschein glitzert Feuchtigkeit an den Wänden. Tropfen von der Decke treffen den Nacken. «Die Kasematte ist das geheimnisvollste Stück der Henneburg», so Führerin Petra Werthmann, 59, über die Festung, die seit dem Mittelalter gebieterisch über dem Maintal thront.
Die Kasematte, mit Schießscharten für die Verteidigung konzipiert, ist ein schmales Gewölbe. Eine Wendeltreppe führt hinab in die Unterwelt, wo man knapp einhundert Meter über festgestampften Boden geht. Besser als durch die engen Schießscharten ist der Blick von den Aussichtsplattformen der Burg, der das Maintal zu Füßen liegt.
- Infos: stadtprozelten.de; Zufahrt ab Stadtprozelten, Eintritt gratis; Türme und Wehrgänge sind nur von Anfang April bis Mitte Oktober zugänglich. Anderthalbstündige Burgführungen kosten für bis zu zehn Personen 45 Euro.
Wo die «Wunderwaffen»-Forschung scheiterte
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wollten die Nazis eine «Wunderwaffe» entwickeln, das «Röntgenstrahlbündelflakgerät». Die Idee war, mit gebündelten Röntgenstrahlen die Bordelektronik feindlicher Bomber auszuschalten und die Besatzungen zu töten. Schauplatz der Forschungen war der Bunker am Nordring in Großostheim, über dem eine Halle als Tarnung diente.
«Letztlich kam nichts dabei raus und war zu Ende, bevor es angefangen hatte», blickt Edith Magin, 76, von der Kulturinitiative Ringheim e.V. zurück. Nach dem Krieg nutzte ein Hersteller von Holzspielzeug die Bunkerräume als Produktionsstätte, ab den 1970er-Jahren standen sie leer. Heute pflegt der Verein das Zeitzeugnis als Mahnmal für den Frieden, Begegnungs- und Dokumentationsstätte.
- Infos: bunker-ringheim.de; Öffnungszeiten auf der Homepage, Führungen kostenlos
Im Keller der frühen Klimaanlage
Jürgen Kuhn muss schmunzeln, wenn er sagt: «Wir gehen zum Lachen in den Keller.» Für ihn, den Gründer der Kellerfreunde Schneeberg, sind die historischen Räume seines Heimatorts Plätze der Geselligkeit und lokales Kulturgut. Der 54-Jährige fügt hinzu: «Jeder Keller ist ein Stück Heimat.» Knapp fünf Dutzend, die ursprünglich alle als Weinlager dienten, haben sich aus dem 16. bis 19. Jahrhundert erhalten.
Typisch sind Tonnengewölbe und sogenannte Kellerschieber, bewegliche Sandsteinplatten als Fensterersatz. «Kellerschieber fungierten zusammen mit Lehmböden wie eine Klimaanlage. Im Sommer ließ sich damit die Temperatur regeln», erklärt Kuhn. Bei Führungen fahren die Freunde einen Mix aus Geschichte, Geschichten, Happen und Eigenerzeugnissen auf: Apfelsaft und reichlich Apfelwein.
- Infos: kellerfreunde-schneeberg.de; vierstündiges Programm mit Kellerführung und Verkostung 22,50 Euro, Termine meist freitags und samstags, Ende April bis Mitte September
Links, Tipps, Praktisches:
Reiseziel: Churfranken ist die Bezeichnung einer Tourismusregion im Nordosten Bayerns. Sie besteht aus einer Reihe unterfränkischer Städte und Gemeinden beidseits des Mains. Der Fluss trennt Spessart und Odenwald.
Beste Reisezeit: Frühling bis Herbst
Anreise: am besten im eigenen Fahrzeug. Alternative: im Zug bis Miltenberg, aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist es in der Region kompliziert.
Unterkunft: Hotels finden sich vor allem in Miltenberg und Bürgstadt.
Weitere Auskünfte: churfranken.de