Ein Gastbeitrag von Annabella Bassler
Führung braucht heute mehr als Macht: Sie braucht Haltung und Herz. In einer komplexen Welt wirkt Leadership nur, wenn Power und Love zusammenkommen – für Klarheit und Menschlichkeit, Struktur und Verbindung. EqualVoice zeigt, warum genau das der Schlüssel zu wirksamer Führung ist.
Führung bedeutet heute weit mehr als nur Entscheidungen zu treffen, Budgets zu steuern oder Strategien umzusetzen. In einer Welt, die sich rasant verändert – geprägt von technologischen Umbrüchen, künstlicher Intelligenz, geopolitischen Spannungen und gesellschaftlicher Polarisierung – verändern sich auch die Erwartungen an Leadership grundlegend. Menschen suchen keine Führungspersönlichkeiten, die nur stark auftreten, sondern solche, die Orientierung geben und zugleich Mensch bleiben. Die Klarheit schaffen und dennoch zuhören. Die Haltung zeigen, ohne zu dominieren. Die Verantwortung übernehmen – nicht nur für Ergebnisse, sondern für das Ganze. Genau hier liegt der Schlüssel: in der bewussten Verbindung von Power und Love.
Power steht dabei für die Fähigkeit, klare Entscheidungen zu treffen, Strukturen zu schaffen und auch in Zeiten von Unsicherheit Orientierung zu geben. Sie ist die Kraft, die Organisationen handlungsfähig macht, Prioritäten setzt und Ziele konsequent verfolgt. Power bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – auch dann, wenn Entscheidungen unpopulär oder riskant sind. Sie gibt Richtung, sorgt für Stabilität und schafft den Rahmen, in dem Teams arbeiten und sich entfalten können.
Doch Power entfaltet ihre volle Wirkung nur dann, wenn sie mit Purpose und Strategie verbunden ist: Purpose gibt Sinn und Orientierung über kurzfristige Ziele hinaus – er beantwortet die Frage, wofür wir unsere Kraft einsetzen. Strategie wiederum übersetzt diesen Purpose in konkrete Handlungswege, sodass aus Richtung auch wirksames Vorankommen wird. Führung ohne Purpose bleibt austauschbar, Führung ohne Strategie bleibt reaktiv. Führung ohne Herz bleibt wirkungslos. Erst in der Verbindung von Power, Purpose und Strategie entsteht die Klarheit, die Menschen inspiriert und Organisationen langfristig erfolgreich macht. Denn Macht ohne Menschlichkeit bleibt leer – sie erzeugt Angst statt Vertrauen, Distanz statt Zugehörigkeit, Druck statt Inspiration.
Deshalb braucht moderne Führung immer auch die zweite, oft vernachlässigte Dimension: Love. Gemeint ist damit keine sentimentale Verklärung oder emotionale Weichzeichnung, sondern echte, tragfähige Verbindung zwischen Menschen. Love zeigt sich in Empathie, in der Bereitschaft zum Dialog, im aufrichtigen Interesse am Gegenüber. Sie bedeutet, präsent zu sein – zuzuhören, zu verstehen, zu unterstützen. Es geht darum, Mitarbeitende nicht als Ressourcen oder Rollen zu sehen, sondern als ganze Persönlichkeiten – mit Hoffnungen, Ideen, Zweifeln und Entwicklungspotenzial. Diese Form von Führung schafft Vertrauen, weckt Motivation und macht Entwicklung möglich. Sie ermutigt nicht nur – sie befähigt.
Ich bin überzeugt: Gerade in komplexen Zeiten ist es die Verbindung von Power und Love, die wirksam wird. Sie schafft Räume, in denen Menschen sich sicher fühlen, sich einbringen, über sich hinauswachsen können. Räume, in denen Diversität nicht nur akzeptiert, sondern aktiv gefördert wird. In meiner Arbeit als Group CFO des Medienunternehmens Ringier und insbesondere im Rahmen unserer EqualVoice-Initiative sehe ich täglich, wie entscheidend dieser Führungsansatz ist. EqualVoice wurde 2019 mit dem Ziel gegründet, Frauen und Männer in redaktionellen Inhalten gleich sichtbar zu machen. Sichtbarkeit ist mehr als ein mediales Detail – sie ist gesellschaftliche Realität. Wer in der Öffentlichkeit nicht stattfindet, wird auch in Entscheidungsstrukturen nicht selbstverständlich mitgedacht. Das gilt besonders für Frauen. Genau hier setzt EqualVoice an: mit einem Algorithmus, der Sichtbarkeit misst, mit konkreten redaktionellen Maßnahmen, die Inhalte ausgewogener gestalten, und mit kontinuierlicher interner Reflexion. Heute sind wir mit EqualVoice in 32 Newsrooms in 7 Ländern und erreichen 50 Millionen User – aus einer Idee wurde eine internationale Bewegung. EqualVoice ist damit nicht nur ein datenbasiertes Projekt – es ist Ausdruck einer Führungskultur, die Verantwortung ernst nimmt.
Diese Verantwortung beginnt damit, zuzuhören. Zu verstehen, warum bestimmte Gruppen übersehen oder unterschätzt werden. Welche unbewussten Muster in unseren Organisationen wirksam sind. Warum es nicht reicht, Vielfalt zu feiern, wenn strukturelle Hürden bestehen bleiben. Es braucht Power, um diese Hürden aktiv anzugehen – und Love, um sie nicht als Vorwurf, sondern als gemeinsame Gestaltungsaufgabe zu begreifen. Genau das versuchen wir mit EqualVoice: Veränderung nicht von oben zu verordnen, sondern im Dialog zu entwickeln. Nicht kurzfristige Effekte zu erzielen, sondern nachhaltiges Umdenken zu fördern. Das gelingt nur, wenn wir nicht nur die Zahlen ändern wollen, sondern die Haltung dahinter.
Führung mit Power und Love ist kein theoretisches Konzept – sie zeigt sich im Alltag. In der Art, wie wir Meetings gestalten: Wer kommt zu Wort? Wer wird unterbrochen? Wessen Ideen greifen wir auf – und wessen übergehen wir? Sie zeigt sich in der Art, wie wir Feedback geben: Ist es ehrlich, aber wertschätzend? Oder defensiv und kontrollierend? Sie zeigt sich in der Personalentwicklung: Wer wird gefördert, wer übersehen? Und sie zeigt sich in Krisensituationen, wenn Führung unter Druck steht. Gerade dann ist es entscheidend, beides zu behalten – den Mut zur Entscheidung und die Verbindung zum Team. Führung, die sich nur auf Kontrolle verlässt, verliert Vertrauen. Führung, die nur auf Harmonie setzt, verliert Richtung. Nur in der Balance entsteht echte Wirksamkeit.
Besonders inspirierend ist für mich, wie viele junge Menschen heute Führung anders denken – integrativer, emotional intelligenter, kooperativer. Sie bringen eine neue Erwartungshaltung mit – an Transparenz, Fairness und an den Sinn der eigenen Tätigkeit. Und sie stellen zu Recht die Frage: Warum sollte ich jemandem folgen, der zwar laut ist, aber nicht zuhört? Warum in einem System arbeiten, das Diversität predigt, aber Macht ungleich verteilt? Wenn wir diese Generation gewinnen und halten wollen, müssen wir auch bereit sein, alte Führungsbilder hinter uns zu lassen.
Das erfordert Mut. Denn Power und Love in Führung zu vereinen bedeutet auch, sich selbst immer wieder zu reflektieren. Bin ich gerade klar oder kompromisslos? Bin ich empathisch oder konfliktscheu? Nehme ich Rücksicht – oder weiche ich aus? Diese Selbstreflexion ist anspruchsvoll, aber notwendig. Denn wer führen will, muss bereit sein, auch sich selbst zu führen. Und das heißt manchmal auch: Fehler einzugestehen, sich zu entschuldigen, neu zu beginnen. Das ist keine Schwäche – das ist wahre Größe.
Wenn wir also über Leadership der Zukunft sprechen, dann sprechen wir über Menschen, die bereit sind, Macht nicht als Werkzeug zur Selbstdarstellung zu nutzen, sondern als Hebel zur Mitgestaltung. Menschen, die andere nicht kleiner machen, um sich selbst größer zu fühlen, sondern die Größe darin sehen, andere wachsen zu lassen. Menschen, die nicht führen, um zu glänzen – sondern um zu verbinden. Menschen, die Verantwortung übernehmen – für Worte, für Strukturen, für Sichtbarkeit. So, wie wir es mit EqualVoice versuchen. So, wie ich es mir von moderner Führung wünsche.
Denn letztlich geht es um mehr als Unternehmenserfolg. Es geht um das Miteinander, das wir schaffen. Um die Kultur, die wir gestalten. Um die Vorbilder, die wir sein können. Und um die Frage: Was bleibt, wenn wir einmal gehen?
Wenn wir mit Power und Love führen, bleibt vielleicht das Wichtigste: Vertrauen. Und die Erinnerung daran, dass Führung nicht nur entscheidet, sondern inspiriert.
Zur Person: Annabella Bassler ist Group CFO des Medienunternehmens Ringier, mehrfache Verwaltungsrätin und Initiatorin der EqualVoice-Initiative, die seit 2019 für mehr Sichtbarkeit von Frauen in den Medien sorgt. Als Gründerin von “Power and Love in Leadership” verbindet sie in ihrer Führungsarbeit eine Philosophie, die klare Entscheidungen, Verantwortung und Strategie mit Menschlichkeit, Empathie und echter Verbindung zu den Mitarbeitenden vereint. Annabella Bassler steht dafür, dass Führung nicht nur steuert, sondern inspiriert, motiviert und nachhaltige Wirkung entfaltet. Annabella Bassler gehört zu den 262 Top-Managerinnen des Netzwerks Generation CEO e. V.
Generation CEO e. V. ist ein etabliertes Frauennetzwerk für Top-Führungskräfte im deutschsprachigen Raum. Es wurde 2007 von dem Personalberater Heiner Thorborg, Ehrenvorsitzender von Generation CEO e. V., gegründet und ist seit 2019 als Verein organisiert, der mittlerweile 262 Mitglieder zählt. Das Netzwerk setzt sich gezielt für die Verbesserung der Situation von weiblichen Führungskräften im oder auf dem Weg ins Top-Management ein. Ziel des Vereins ist die Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Konkret stärkt und fördert der Verein das berufliche Interesse, die Aufstiegschancen, die Entwicklung und das Engagement von Frauen in Wirtschaftsunternehmen und wirtschaftsnahen Institutionen sowie in Gesellschaft und Öffentlichkeit (z. B. Stiftungen). Dadurch soll der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Unternehmen erhöht und das Bewusstsein für bisher ungenutzte Führungspotenziale geschärft werden.