Warum weniger Vorsatz manchmal mehr Veränderung bringt

Kein Alkohol ab Januar: Gute Vorsätze haben durchaus positive Seiten - können aber geballt zu unnötigem Stress und Druck führen.
Kein Alkohol ab Januar: Gute Vorsätze haben durchaus positive Seiten - können aber geballt zu unnötigem Stress und Druck führen. Foto: Annette Riedl/dpa/dpa-tmn
Dry January gilt als Beweis von Disziplin und Gesundheitsbewusstsein. Der Vorsatz kippt aber schnell zu: mehr Stress. Ein Facharzt erklärt, warum der Druck, alles richtigzumachen, kontraproduktiv ist.

Bad Dürkheim (dpa/tmn) – Viele starten das neue Jahr mit großen Plänen: weniger Alkohol, mehr Sport, gesünder leben. Beliebt ist zum Beispiel auch der sogenannte Dry January (trockener Januar), ein Monat ganz ohne Alkohol. Aber nach zwei bis drei Wochen kommt oft schon der erste Durchhänger. 

Das ist nicht verwunderlich. Gerade geballt können gute Vorsätze schnell zum Problem werden. «Alles, was mit maximalen Anforderungen an einen selbst einhergeht, ist aus psychiatrischer Sicht immer ein bisschen schwierig», erklärt Steffen Conrad von Heydendorff, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Wer etwas verändern möchte und dafür gute Gründe hat, sollte sich dem Chefarzt der Median Klinik Sonnenwende in Bad Dürkheim zufolge eher kleinschrittige Ziele setzen. «Letztlich ist es so: Wenn man ganz viel verändern will und ganz viel sich vornimmt, erzeugt das auch einen gewissen Stress.» Und das sieht Heydendorff kritisch. Denn: Viele Menschen stünden bereits «verdammt unter Stress, insgesamt».

Kleine Schritte statt radikaler Brüche

Dennoch kann es ganz grundsätzlich sinnvoll sein, den eigenen Alkoholkonsum zu hinterfragen. Entscheidend sei aber das Wie, so der Facharzt. Wer etwa regelmäßig viel trinkt und dann von heute auf morgen komplett verzichtet, wird vermutlich scheitern. Aus ärztlicher Sicht sei es oft hilfreicher, die Ziele kleinschrittig anzulegen. Etwa die Menge zu reduzieren oder alkoholfreie Tage fest einzuplanen.

Wichtig sei zudem die ehrliche Frage nach der Motivation: Will ich wirklich selbst etwas verändern – oder handle ich aus Druck von außen? Von Heydendorff rät, Vorsätze nicht aus reiner Selbstoptimierung heraus zu fassen. Alles, was zusätzlich Stress erzeugt, könne kontraproduktiv sein.

Durchhänger akzeptieren

Auch wichtig: Annehmen, dass Motivationstiefs zum Prozess gehören, gerade bei guten Vorsätzen. Das ist völlig normal, sagt von Heydendorff. «Jeder Mensch hat Durchhänger.» Entscheidend sei, realistische Ziele zu setzen und sich diese Phasen zu erlauben.

Wenn Durchhänger sehr ausgeprägt sind oder lange anhalten, könne es zum Beispiel sinnvoll sein, die Ziele noch einmal anzupassen. Etwa, indem man Zwischenziele definiert und später zum ursprünglichen Vorsatz zurückkehrt. Auch hier gelte: ein Gespür für die eigenen Bedürfnisse entwickeln.

Dry January als Anlass zur Selbstbeobachtung

Aktionen wie der Dry January können laut von Heydendorff ein guter Einstieg sein, um das eigene Verhalten zu reflektieren. Dabei gehe es nicht nur um Alkohol, sondern generell um Balance im Leben – Stichwort Work-Life-Balance.

Gerade junge Menschen stünden heute ohnehin unter enormem Druck, alles «richtig» zu machen, beobachtet der Chefarzt. Auch in Bezug auf die eigene Gesundheit. Deshalb, so findet Heydendorff: Solange es nicht um dauerhaftes Verhalten geht, habe man auch mal das Recht «über die Stränge zu schlagen oder mal was Ungesundes zu tun.»

Sein Fazit: Vorsätze dürfen helfen, Gewohnheiten zu hinterfragen. Sie sollten aber nicht zu neuem Stress führen. Der Chefarzt-Rat: «Setzt euch realistische Ziele, setzt euch moderate Ziele – und seid mit euch selbst ein bisschen gütig.»

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