Was Schicht- und Nachtarbeit mit uns macht

Arbeiten, wenn andere schlafen: Wer regelmäßig Nachtschichten hat, muss besonders auf die eigene Gesundheit achten.
Arbeiten, wenn andere schlafen: Wer regelmäßig Nachtschichten hat, muss besonders auf die eigene Gesundheit achten. Foto: Christian Charisius/dpa/dpa-tmn
Schichtarbeit belastet den Körper erheblich. Der anstrengende Arbeitsrhythmus erfordert auch in der Freizeit viel Disziplin, um gesund zu bleiben. Welche Routinen und Strategien helfen.

Lokführer und Busfahrerinnen, Ärztinnen und Pfleger, Beschäftigte in Unternehmen, in denen die Maschinen rund um die Uhr laufen: In vielen Branchen müssen Menschen in wechselnden Schichten arbeiten. Mal morgens früh anfangen, mal am Mittag. Und nachts konzentriert Leistung bringen, wenn alle anderen sich im Schlaf erholen.

Vor allem Arbeit in der Nacht ist für den Organismus eine Herausforderung, weil sie dem natürlich Rhythmus zuwiderläuft. Kann man sich daran gewöhnen – und wenn ja, wie? Experten ordnen ein.

Welche Auswirkungen auf den Organismus hat Schicht- und Nachtarbeit?

Nachts werden viele Körperfunktionen heruntergefahren: Die Körpertemperatur sinkt, Puls und Atmung werden langsamer, auch die Verdauung ist verringert. «Der Körper möchte Ruhe, möchte entspannen, Arbeit gegen den zirkadianen Rhythmus ist damit immer mit einem höheren Aufwand verbunden», sagt Frank Brenscheidt von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua). Auch der Schlaf am Tag ist nicht so erholsam wie der Nachtschlaf. An Nachtarbeit könne man sich nur bedingt gewöhnen. Der Organismus lässt sich nicht komplett neu programmieren, Tageslicht signalisiert, dass Aktivität angezeigt ist.

Gegen den Rhythmus zu arbeiten, kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben: «Es besteht ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes, für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hirninfarkt, psychische Krankheiten und Fehlgeburten», sagt Andrea Rodenbeck, Chronobiologin und Schlafforscherin aus Göttingen.

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt in einer Auswertung 2019 zu der Einschätzung, dass Nachtarbeit krebserregend sein kannt. Dazu tragen möglicherweise ungesunde Gewohnheiten im Zusammenhang mit Schichtarbeit bei – die zwei, drei, vier Gläser Alkohol, mit denen man das Gefühl hat, nach getaner Arbeit besser zu entspannen. Oder zu viel hastig heruntergeschlungenes Junkfood, weil keine Kantine geöffnet hat. Auch das Sozialleben leidet oft und damit bei manchen Menschen die Psyche.

Wie beeinflusst Nachtarbeit den Schlaf?

«Im Mittelwert unterscheidet sich die Schlafdauer bei einem Drei-Schicht-Modell nicht», sagt Schlafforscherin Rodenbeck: «Aber es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den Schichttypen.» Nach einer Nachtschicht kommen viele Beschäftigte, das zeigten die Daten, oft nur auf weniger als sechs Stunden Schlaf. Auch schlafbezogene Atmungsstörungen wie die Schlafapnoe, bei der die Atmung immer wieder kurzzeitig aussetzt, seien nach Nachtschichten häufiger zu beobachten.

Für wen ist Schichtarbeit geeignet? Und für wen nicht?

Die individuelle Anpassungsfähigkeit an Schichtarbeit hängt stark von der inneren Uhr ab. Menschen mit einem «Eulen»-Chronotyp, die von Natur aus abends leistungsfähiger sind, tun sich leichter mit Nachtarbeit. «Lerchen» hingegen – Menschen, die früh aufstehen und früh müde werden – haben damit größere Schwierigkeiten.

Auch das Alter spielt eine Rolle. «Je jünger man ist, umso später liegt der innere Rhythmus, deshalb kommen Jüngere besser mit Spät- und Nachtschichten zurecht, Ältere mit Frühschichten», sagt Andrea Rodenbeck. Mit zunehmendem Alter nimmt die Anpassungsfähigkeit an die Wechselschichten allerdings oft ab, sagt Frank Brenscheidt. Das haben etwa Studien mit Polizisten gezeigt, «die körperlich sehr fit ins Berufsleben starten, aber nach 20 Jahren zu einem erheblichen Teil gesundheitliche Probleme bekamen».

Wie sollten Schichtpläne aussehen?

Es gibt für die Ausgestaltung von wechselnden Arbeitszeiten klare Empfehlungen: Vorwärtsrotierende Schichten – auf Frühschicht folgt Spätschicht und dann Nachtschicht – seien verträglicher als die umgekehrte Reihenfolge, sagt Brenscheidt. «Und Nachtschichten sollten nicht länger als acht Stunden dauern.» Ganz entscheidend seien verlässliche Schichtpläne: «Frei muss auch tatsächlich frei sein.»

Außerdem sollte die jeweilige Schichtphase nur wenige Tage dauern, möglichst nur zwei Tage Nachtschicht in Folge anstelle einer ganzen Woche: «Dann fällt es weniger schwer, wieder in einen anderen Rhythmus zu wechseln», so Brenscheidt. Auch kürzere Arbeitszeiten machten Schichtarbeit verträglicher. «Wer Schichtarbeit leistet, sollte möglichst weniger als 40 Stunden in der Woche arbeiten.»

Vor allem größere Unternehmen bieten oftmals sehr viele unterschiedliche Schichtmodelle an, um den Bedürfnissen der Mitarbeitenden entgegenzukommen. «Das wird aber gar nicht so gern genutzt», beobachtet Chronobiologin Rodenbeck. Ein immer gleiches, verlässliches Team sei vielen Beschäftigten wichtiger als ein individualisierter Schichtplan.

Wie kann man wechselnde Arbeitszeiten verträglich gestalten?

Schichtarbeitende sind doppelt gefordert: Sie haben den anstrengenderen Arbeitsrhythmus und müssen auch noch disziplinierter leben, um gesund zu bleiben. «Wichtig ist eine gute Schlafhygiene», sagt Frank Brenscheidt. «Am besten macht man sich zum Schichtplan auch einen Schlafplan.» So sollte man nach einer Nachtschicht den Tag nicht gleich für Termine nutzen, sondern sich erst einmal hinlegen. Vor einer Nachtschicht kann auch ein weiteres Nickerchen am Nachmittag sinnvoll sein, um Müdigkeit am Arbeitsplatz vorzubeugen.

Ein wichtiger Faktor ist die Ernährung. Wer nachts isst, bringt Verdauung und Stoffwechsel aus dem Takt: Sie wären eigentlich im Ruhemodus. Allzu schwere Mahlzeiten mutet man Magen und Darm deshalb lieber nicht zu. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt beispielsweise vor der Nachtschicht ein ausgewogenes Abendessen und in den Arbeitspausen leichtere Snacks wie Gemüsesuppen, Sandwiches oder Wraps. Gegessen wird möglichst nur vor Mitternacht und dann erst wieder nach Ende der Schicht. Alkohol und Nikotin sollte man vermeiden.

Schichtarbeitende müssen auch auf den sozialen Rhythmus achten: Familie und Freunde leben oft nach einem ganz anderen Takt. Gemeinsame Unternehmungen bewusst zu planen, kann helfen. Und Hobbys nicht zu vergessen – Sport nennt Frank Brennscheidt als Beispiel, «der zugleich zum Stressabbau beiträgt». (dpa/tmn)  

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