Wenn Freundinnen ein Business starten, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die Freundschaft zerbricht, oder aus ihr erwächst eine Erfolgsgeschichte. Bei Cocoli, dem Onlinemarktplatz für Designermöbel, ist der Fall klar.
von Annalena Graudenz
Hell muss der Weihnachtsstern an Heiligabend 2020 über Berlin gestrahlt haben, als zwei Freundinnen aus ganz pragmatischem Grund ihre „Erleuchtung“ hatten: „Gemma war damals gerade beim Umziehen und auf der Suche nach einer ganz bestimmten Lampe. Beim Händler betrug die Wartezeit zwei Monate, und sie wollte kein Secondhand-Piece online kaufen, weil sie die Echtheit nicht prüfen konnte“, erinnert sich Greta Schindler. So entstand, quasi als intuitives Weihnachtsgeschenk, ihre Geschäftsidee: Cocoli, eine „Community für Conscious Living“, wo gebrauchte – sie nennen es clever „preloved“ – Möbel gehandelt werden. Heute ist Greta Schindler CMO von Cocoli.
Zunächst diskutierten die beiden den Plan im engeren Freundeskreis. Als alle Daumen nach oben zeigten, folgten ernsthafte Markt- und Zielgruppenanalysen. „Dabei wurde uns klar, dass wir den Secondhandmarkt für Möbel genau so attraktiv gestalten wollten wie den für Mode. Mit Kuration, Produktprüfung, fairen Preisen, einfachem Versand sowie Rückgabe“, berichtet Gemma Comabella, heute CEO von Cocoli.
Basis für alles, was nun folgte, war ihr Kennenlernen beim Wirtschaftsstudium in Barcelona. „Unsere Freundschaft hält schon 20 Jahre. Wir kennen die Stärken und Schwächen der anderen ganz genau. Das ist bei unserem hektischen Arbeitsalltag von Vorteil, denn wir können Projekte aufteilen, und ich unterstütze da, wo Gemma mich braucht, und umgekehrt“, erzählt Greta. Ihre Freundin Gemma ergänzt: „Wir balancieren unser Vertrauen und unseren Respekt mit viel Spaß! Die Arbeit in einem Start-up ist eine Achterbahnfahrt, mit aufregenden Höhen, die man mit seiner besten Freundin feiern möchte, und herausfordernden Tiefen, bei denen man jemanden braucht, der einem den Rücken stärkt.“
Cocoli ist für die zwei aber mehr als nur ein Projekt. Die Leidenschaft für den Living-Markt war schon zuvor da. „Gemma hat vor Cocoli als General Manager bei der Onlinemöbelmarke Made.com gearbeitet und dort ihre Liebe und ihr Auge für Interior Design geschärft. Meine Leidenschaft kommt aus einer tiefen Verbundenheit zu Kunst. Ich habe nach meinem Wirtschaftsstudium einen CAS in Kunstkuration an der ZHDK in Zürich gemacht. Für mich gibt es viele Parallelen zwischen Kunst und Design“, so Greta.
Wenn man bedenkt, dass in der EU jährlich zehn Millionen und in den USA sogar zwölf Millionen Tonnen Möbel „weggeworfen werden, wovon 80 Prozent auf der Müllkippe landen“, wie Greta schildert, dann wirkt Cocoli hier sogar als Nachhaltigkeitspartner von Möbelmarken: Denn „wir schenken Möbeln und Design mit kleinen Schönheitsfehlern ein zweites Leben und verwenden dafür sowohl Secondhandmöbel von Privatverkäufern als auch Ausstellungsstücke, Vintage-Produkte, B-Ware und neuwertige Outlet-Kollektionen“. Kurz, man handelt bei Cocoli ökologischer als beim Neukauf und professioneller als auf dem Flohmarkt. Inzwischen sind 350.000 Produkte gelistet.
Die beiden konnten versierte Investoren für ihr Start-up begeistern und die Finanzierung sichern. Der Gender-Gap ist hier noch offensichtlich, wie Greta schildert: „Für Frauen ist es wichtig, selbstbewusst und widerstandsfähig zu bleiben. Wir erkennen, dass Investoren uns möglicherweise als weniger risikofreudig und konservativer wahrnehmen, aber wir müssen dieser Erzählung entgegenwirken. Wir bauen ebenso große Unternehmen wie Männer.“
Zusammen arbeiten und getrennt leben? Na klar! Während Gemma in Berlin mit ihren drei Kindern bei Cocoli vor Ort agiert, kann Greta als Mama von Zwillingen von Dubai aus das geplante Wachstum über Deutschlands Grenzen hinaus mitgestalten. Für ihr Homeoffice hat die Unternehmerin präzise Designvorlieben: „Ich bin eine Minimalistin und liebe einfache Linien und klare Formen. Und ich beschränke mich auf Dinge, die eine Funktion haben.“