Ihr wollt endlich an der Börse anlegen? Ein Vermögen aufbauen? Dann müsst ihr – bevor ihr euren ersten Deal machen könnt – ein Depot bei einem Broker eröffnen. Wir helfen euch, den passenden zu finden
von Stephan Haberer
Wer kennt das nicht? Da schwärmen alle von der neuen Friseurin in der Stadt: „Die ist ja so toll, da musst du unbedingt hin.“ Okay, also wird ein Termin abgemacht – und dann das: Der Schnitt zu kurz, die Farbe zu grell. Schrecklich! Und viel zu teuer! Fazit: „Da gehe ich nie wieder hin.“
Ähnlich „haarig“ kann es auch an der Börse laufen. Wer dort seine Käufe und Verkäufe über den falschen Broker abwickelt, zahlt oft viel zu viel dafür. Oder noch schlimmer: Bestimmte Transaktionen sind gar nicht machbar, weil der gewählte Broker sie nicht anbietet.
Aber wie findet Ihr einen Broker, der zu Euch passt und günstig ist? Erst mal zu den Kosten: Grundsätzlich sind Depots bei Filialbanken am teuersten, bei klassischen Onlinebrokern ist’s schon deutlich günstiger. Praktisch fast umsonst bekommt Ihr die gleichen Leistungen dagegen bei Zero- oder Neobrokern. Da fällt die Wahl doch leicht, meint Ihr? Doch halt, nicht so schnell!
Denn bevor Ihr bei einem Neobroker ein Depot eröffnet, solltet Ihr bedenken: Neobroker sind so günstig, weil sie die Orders ihrer Kunden zu sogenannten Market Makers leiten, die für reibungslosen Handel an kleineren Börsen – etwa Gettex, LS Exchange oder Quotrix – sorgen. Diese Market Maker zahlen dafür, dass über sie geordert wird. Nur bekommt der Kunde von diesen Kick-backs direkt nichts ab. Das Geld – im Fachjargon „Payment for Order Flow“ (PFOF) – bleibt bei den Brokern. So können sie es sich leisten, mit niedrigsten Gebühren aufzuwarten.
Kein Schnickschnack
Aber damit könnte bald Schluss sein, denn spätestens ab Juli 2026 dürfen EU-weit keine solchen Kickbacks mehr fließen. Ob dies das Aus für die Neobroker oder zumindest für ihre Fast-gratis-Angebote bedeutet, lässt sich noch nicht absehen. Denn andererseits sind Neobroker extrem effizient: Eine schlanke App fürs Smartphone, kein Schnickschnack, kaum kostenlose Zusatzleistungen. Und nur wenige Handelsplätze, an denen man dann aber schon mit kleinem Geld – die Mindestordergröße liegt zwischen 0,01 Euro und 500 Euro – traden kann.
Das alles sorgt dafür, dass Neobroker ihren Kunden den Börsenhandel derzeit praktisch kostenlos anbieten können, oder höchstens eine kleine Pauschalgebühr von 99 Cent oder einem Euro je Trade verlangen. Das größte Manko dabei: ein eingeschränktes Angebot an handelbaren Wertpapieren. Manche Assetklassen – etwa Anleihen oder aktiv gemanagte Fonds – lassen sich bei einigen überhaupt nicht handeln. Blöd, wenn Ihr gerade auf solche Wertpapiere setzen wollt.
Courage zeigt anhand dreier Musterfälle, bei welchen Online- oder Neobrokern welche Kundinnen gut aufgehoben sind. Dabei bleiben wegen der deutlich höheren Kosten Angebote von Filialbanken unberücksichtigt. Unser Universum besteht aus 18 Onlinebroker- und sieben Neobroker-Offerten, die allesamt in Deutschland erhältlich sind. Aus diesen 25 Angeboten haben wir je Musterkundin drei aus unserer Sicht passende ausgesucht. Dabei ging es nicht ausschließlich um möglichst niedrige Kosten, sondern auch um möglichst viele handelbare Wertpapiere. Denn was nutzt der günstigste Preis, wenn Ihr den Fonds oder ETF, den Ihr unbedingt haben wollt, überhaupt nicht kaufen könnt.
Und wie traden unsere Musterkundinnen? Nun, die erste setzt ausschließlich auf Aktien. Jedoch will sie Aktien auch per Sparplan erwerben. Das schränkt die Auswahl schon etwas ein.
Will sie ausschließlich Standardaktien handeln, dürfte sie mit dem Scalable Free Broker oder mit Trade Republic gut bedient sein. Bei diesen beiden Neobrokern kostet ein Börsentrade 0,99 Cent oder 1,00 Euro (alle Daten/Zahlen: Stand September 2023). Zu diesem Preis ist der Handel allerdings lediglich über jeweils einen einzigen Börsenplatz möglich: bei Scalable Free via Gettex, bei Trade Republik via LS Exchange. Zwar bietet Scalable Free auch den Handel über die deutsche Leitbörse Xetra an, hier kostet der Trade aber mindestens 5,49 Euro. Bei diesen beiden Anbietern haben Sie die Wahl unter 7500 beziehungsweise 9100 Aktien. Zudem könnt Ihr bei Scalable kostenlose Sparpläne auf 1001 Aktien einrichten, bei Trade Republik sogar auf 2600.
Liegt Euer Hauptaugenmerk dagegen auf einem möglichst breiten Angebot, seid Ihr bei Comdirect gut aufgehoben. Hier könnt Ihr über 86 Börsen in aller Welt rund 26.000 verschiedene Aktien handeln. Zudem habt Ihr 14 verschiedene Oderfunktionalitäten zur Auswahl. Bei den Neobrokern sind es maximal fünf beziehungsweise drei. Dafür ist die Comdirect deutlich teurer: Eine 2500 Euro schwere Order kostet knapp 14 Euro. Auch Aktiensparpläne sind hier nicht gratis. So kostet jede Ausführung eines Sparplans über 250 Euro immerhin 3,75 Euro. Zudem sind lediglich 500 Aktien sparplanfähig.
Die zweite Musterkundin setzt dagegen auf Fonds und ETFs – und dies ebenfalls in Form von Einmalanlagen und Sparplänen. Diese Anlegerin ist aus unserer Sicht bei den beiden Neobrokern Finanzen.net zero und Scalable Prime Broker sowie bei Flatex gut aufgehoben. Denn bei allen drei Anbietern sind alle Sparpläne auf Fonds und auf ETFs kostenlos. Und je nach Anbieter sind zwischen 1420 (Flatex) und mehr als 2400 ETFs (Scalable) sparplanfähig. Etwas schlechter sieht das Angebot an sparplanfähigen Fonds aus: Hier sind zwischen rund 50 (Scalable) und immerhin 3105 Fonds (Flatex) sparplanfähig. Kostenlose Einmalorders sind dagegen nur bei Finanzen.net zero und Scalable Prime Broker möglich. Bei Letzterem nur bei Orders via Gettex mit Volumina über 250 Euro, nicht jedoch bei Xetra-Orders. Bei Flatex dagegen kostet eine reguläre Börsenorder 7,90 Euro zuzüglich eventuell anfallender Spesen, deren Höhe von der jeweiligen Börse abhängt.
Noch ein Hinweis zum Scalable Prime Broker: Hier wird im Monat eine Pauschalgebühr von 2,99 Euro fällig – unabhängig davon, wie oft man ordert. Dafür sind dann, anders als beim Scalable Free Broker, alle Orders über Gettex im Volumen von mehr als 250 Euro kostenlos. Heißt: Ab vier solcher Trades im Monat ist der Prime Broker günstiger als der Free Broker.
Und unsere dritte Musterkundin? Diese will nur ab und zu auf Sparpläne setzen, meist ist sie via Einmalorder unterwegs. Allerdings will sie neben Aktien, ETFs und Fonds auch Anleihen handeln. Damit aber sind die Neobroker praktisch außen vor. Denn einen umfassenden Anleihehandel bietet keiner von ihnen an. Lediglich bei Scalable Broker lassen sich schon seit Längerem Anleihen handeln. Allerdings ist dieses Angebot mit weniger als 50 handelbaren Papieren mehr als begrenzt.
Daneben offeriert Trade Republic seit September letzten Jahres den Handel von 500 liquiden Staats- und Unternehmensanleihen ab einer Ordergröße von einem Euro. Doch auch dieser Angebotsumfang erscheint als zu gering für eine Empfehlung.
Echte Anleihefans sollten trotz höherer Kosten die Angebote der beiden klassischen Onlinebroker ING und Onvista Bank genauer in den Blick nehmen. Auch Smartbroker+ (ein Zwitter aus klassischem Onlinebroker und Neobroker) dürfte dem Tradingverhalten dieser Anlegerin entsprechen. Die Anzahl handelbarer Aktien beträgt bei diesem Trio jeweils mindestens knapp 18.350, die der Anleihen mindestens 7650, an handelbaren ETFs stehen mit mehr als 2400 praktisch alle in Deutschland zugelassenen Papiere zur Verfügung. Und die Anzahl der handelbaren Fonds schwankt zwischen 7120 und 18.000. Dabei sind über Onvista alle Fonds über die Fondsgesellschaft ohne Ausgabeaufschlag handelbar, dafür wird jedoch je Trade eine Gebühr von 5,00 Euro fällig. Das ist günstiger als der Fondskauf via Börse.
Noch besser ist hier Smartbroker+. Zwar verlangt dieser in den vergangenen Monaten völlig umgestaltete Broker (der frühere „Smartbroker“) bei Fonds grundsätzlich eine Gebühr von 4,00 Euro je Trade. Jedoch entfällt diese bei Trades mit mehr als 500 Euro Volumen über die Münchner Börse Gettex. Folgende Bedingungen gelten bei Smartbroker+ generell: 4,00 Euro je Trade, via Gettex sind alle Orders ab 500 Euro kostenlos. Bei Onvista ist man hingegen je Trade etwa 7,63 Euro los. Bei der ING kostet die 5000-Euro-Order etwa 19,30 Euro.
Und bei den Sparplänen? Hier liegt Smartbroker+ vorn: Bei ihm sind ganze 1100 ETFs sparplanfähig, davon lassen sich 850 sogar kostenlos besparen. Fondssparpläne sind sogar immer kostenlos. Jedoch stand zu Redaktionsschluss die Anzahl der sparplanfähigen Fonds noch nicht fest – beim Vorgänger Smartbroker waren es 1180. Zudem hat Smartbroker+ nun 350 sparplanfähige Aktien im Angebot. Die Kosten: 0,2 Prozent der Sparplanrate, mindestens aber 1,00 Euro.
Doch auch die ING muss sich nicht verstecken. Sie bietet auf rund 800 ETFs Sparpläne an – völlig kostenlos. Bei den 652 sparplanfähigen Fonds entfällt dagegen nur bei 68 das Agio komplett. Sparpläne auf die 563 sparplanfähigen Aktien gibt es immer nur mit 1,75 Prozent Gebühr.
Die Onvista Bank schwächelt hier etwas: Zwar sind alle sparplanfähigen Fonds für 1,00 Euro je Ausführung zu haben, jedoch sind lediglich 71 Fonds sparplanfähig. Zu denselben Kosten von einem Euro je Ausführung lassen sich auch auf 180 ETFs Sparpläne einrichten. Sparpläne auf Aktien sucht man bei der Onvista-Bank indes vergeblich.
Fast wie beim Friseur: Nicht ganz einfach, einen passenden Broker zu finden. Doch habt Ihr das geschafft, kann’s losgehen – ganz ohne „haariges“ Gefühl. (ag)
Eine Antwort
Spannender Beitrag. Vielen Dank dafür..