Die Welt scheint aus den Fugen, aber die Aktienmärkte sind auf Rekordkurs. Acatis-Chef Hendrik Leber im Interview über die Situation an den Finanzmärkten und seinen ganz persönlichen 1-Milliarde Euro-Wunsch.
von Peter Gewalt
Courage: Herr Leber, was muss man von der aktuellen Situation an den Finanzmärkten halten?
Hendrik Leber: Was wir aktuell erleben, ist eine Phase gravierender Unsicherheiten und starker politischer wie wirtschaftlicher Verwerfungen. Die Inflation wird in vielen Bereichen höher bleiben, als die offiziellen Statistiken es vermuten lassen – in den USA etwa liegt die gefühlte Inflation eher bei acht Prozent. Gleichzeitig erleben wir einen schleichenden Vertrauensverlust in den Dollar, begleitet von hoher Staatsverschuldung und politisch geprägten Eingriffen in die Wirtschaftspolitik wie dem Zollkonflikt. Das alles schafft ein sehr unsicheres Umfeld.
Wo könnte eine größere Krise denn ihren Ausgangspunkt nehmen?
Wenn es zu einer größeren Krise kommt, beginnt diese am Rentenmarkt – nämlich dann, wenn die Investoren schlagartig in den Käuferstreik für neue Anleihen treten. Und wenn man sich vorstellt, wie das vergleichsweise kleine Griechenland 2010 die Finanzmärkte geschockt hat, kann man sich ausmalen, was passiert, wenn die USA ins Schlingern geraten.
Wie übersetzen Sie diese unsichere Lage an den Finanzmärkten in Ihren Fonds, der Sondersituationen nutzen soll und deshalb zwischen Null und 100 Prozent investiert sein darf?
Dieser Fonds – der Acatis Datini Valueflex – ist bewusst unkonventionell und benchmarkfrei aufgestellt, mit maximaler Freiheit im Research und bei der Umsetzung. Gerade für aktive Investoren sind es genau diese unsicheren Marktphasen, in denen sich durch flexibles Handeln ein Mehrwert generieren lässt. Politische Verwerfungen bieten uns große Chancen.
Inwiefern ….
Während viele Marktteilnehmer vorsichtig oder gar ängstlich agieren, suchen wir gezielt nach Fehlbewertungen, Sondersituationen und bisweilen konträren Investmentchancen. So haben wir fürs Portfolio reichlich inflationsgeschützte Zertifikate gekauft, die von einem von uns erwarteten Anstieg der Teuerung in Europa und den USA profitieren. Und unser Bitcoin-Investment dürfte Rückenwind vom schwachen US-Dollar erhalten.
Wo sehen Sie weitere Themen?
Da gibt es eine ganze Reihe an Themen und damit verbundenen Chancen. So verstärkt sich der Trend zur Deglobalisierung. Demografie und Dekarbonisierung treiben die Inflation, und die USA verlieren nach und nach an Kredit als vermeintlich sicherer Anlagehafen. Wir reagieren darauf mit einer Reduktion der US-Gewichtung, setzen verstärkt auf Europa, Japan und auch gezielt auf Emerging Markets, inklusive Asien und Lateinamerika. Themen wie die schwelenden Zollkonflikte, massiven Infrastrukturprogramme oder der medizinische Fortschritt bieten ebenfalls hoch spannende Investmentchancen. Zudem setzen wir noch auf strukturelle Trends wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Biotechnologie und Infrastruktur.
Gibt es aktuelle Einzeltitel oder „Gamechanger“, die für diese Trends stehen?
Sicher. Wir investieren stark in disruptive Unternehmen, die mit ihren Innovationen Branchen neu definieren. Beispiele sind Palantir im Bereich Daten- und KI-Lösungen, Oxford Nanopore, das Produkte für eine günstige Gen-Sequenzierung anbietet oder Basilea als Hersteller von Medikamenten gegen multiresistente Keime. Aber auch High-Flyer wie Nvidia oder disruptive Player aus Asien mit Bezug zu Digitalisierung und Infrastruktur berücksichtigen wir.
Schwankungen sind da nicht zu vermeiden, oder?
Nein, unser Ziel ist es, Renditen weit über Marktdurchschnitt zu erwirtschaften, und das geht nur, wenn man konsequent und flexibel Chancen ergreift – auch gegen den Strom. Die Wertentwicklung kann daher hochvolatil verlaufen. Zudem unterlaufen uns natürlich auch ab und an Fehleinschätzungen. Das lässt sich nicht vermeiden. Im Gegenzug bieten wir aber ein zutiefst unternehmerisch geprägtes Fondsmanagement, das sich permanent und analytisch mit globalen Entwicklungen auseinandersetzt.
Wie lautet denn Ihr persönliches Ziel für diesen Chancen-Fonds?
Ich würde mir wünschen, dass der Fonds in einem Jahr die Eine-Milliarde Euro Schallmauer an Fondsvolumen knackt. Und angesichts der Performance des Fonds von rund 14 Prozent Plus per anno seit Auflage Ende 2008 bin ich sehr optimistisch, dass dies auch gelingt.




