Wer macht den Mund auf, wenn es ungemütlich wird?

Spiegel vorhalten; Foto: fcscafeine/iStock
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Vor wenigen Wochen in Berlin: Geschlechtertrennung in einem Hörsaal. Frauen links, Männer rechts. Zur Semestereröffnung eine Koranrezitation. Veranstalter: die muslimische Hochschulgruppe „Medislam Collective“. Der Ort: die Charité – eine der renommiertesten medizinischen Hochschulen Europas.

Was im Jahr 2025 undenkbar sein sollte, passiert mitten in Deutschland. Und es ist kein Einzelfall. Schon im Mai sprach an der Uni Kiel ein salafistischer Redner über „Züchtigung in der Ehe“. Kurz Empörung, ein paar Schlagzeilen – dann Schweigen.

Wie kann es sein, dass in Räumen der Wissenschaft Gleichberechtigung nicht selbstverständlich ist?
Und warum führen wir diese Debatte nicht zu Ende? Weil sie unbequem ist? Weil man Angst hat, als intolerant zu gelten?

Ein Blick in die Zukunft zeigt: Die Welt wächst – Europa schrumpft. Laut UN werden wir 2050 fast zehn Milliarden Menschen sein. Der Anteil der Europäer fällt bis 2100 auf vermutlich unter fünf Prozent.

Gleichzeitig verändert sich die Zusammensetzung der Konfessionszugehörigkeiten: Laut Pew Research Center könnten Muslime bis 2050 weltweit beinahe gleichauf mit Christen liegen – mit wachsendem Einfluss auch in Europa.

Migration, Globalisierung, geopolitische Spannungen – unsere Gesellschaft wird unweigerlich kulturell und religiös vielfältiger. Das ist nicht per se bedrohlich. Aber es stellt unsere offenen Gesellschaften vor eine Herausforderung.

Ich bin keine Theologin. Ich habe den Koran nicht gelesen, die Bibel nur in Auszügen. Muss ich auch nicht. Ich lebe in einem Land mit einem Grundgesetz, das in Artikel 3 (2) ganz eindeutig regelt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.

Die Aufgabe unserer Zeit ist nicht nur, Vielfalt zu ermöglichen, sondern sicherzustellen, dass unsere freiheitlichen Werte für alle gelten – unabhängig von Herkunft, Religion oder Tradition.

Wir sollten die Debatte um Geschlechtertrennung an deutschen Hochschulen zum Anlass nehmen, diese Diskussion zu führen. Denn es geht nicht nur um einzelne Vorfälle – sondern um unser Grundverständnis von Gleichberechtigung.

Female Empowerment wird heute gefeiert – auf Bühnen, in Kampagnen, in Social-Media-Posts. Gerade dort, wo Gleichberechtigung konkret verteidigt werden müsste – im Alltag, an Universitäten, in Diskussionen – hört man von vielen dieser Stimmen wenig.

Equal Pay und Quoten bringen wenig, wenn wir zugleich hinnehmen, dass die Gleichwertigkeit von Frauen und Männern infrage gestellt wird.

Wenn Gleichberechtigung ernst gemeint ist, reicht hinschauen nicht. Dann müssen wir auch aufstehen.

Sollte Gleichberechtigung in Deutschland auch dann kompromisslos verteidigt werden, wenn sie mit religiösen oder kulturellen Praktiken kollidiert?
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