„Wir denken nicht in Quartalen oder Jahren, sondern in Generationen.“

Foto: Juli Steinschaden mit ihrem Vater Gerhard Steinschaden (Mitte) und Balazs Schallenberg, Mit-Shareholder und Vertriebsleiter
Foto: Juli Steinschaden mit ihrem Vater Gerhard Steinschaden (Mitte) und Balazs Schallenberg, Mit-Shareholder und Vertriebsleiter

Julie Steinschaden, Co-Geschäftsführerin des Familienunternehmens „Die Kalendermacher“, leitet das Unternehmen in 5. Generation. Warum Papier in der digitalen Welt unverzichtbar ist, welche Vorteile ein Familienunternehmen hat und wie altes Wissen und Innovationskraft zusammengehören, erzählt sie im Interview.

Courage: Ist Papier in der digitalen Welt noch zeitgemäß?

Julie Steinschaden: Jeder Trend braucht einen Gegentrend. Die digitale Welt ist super, die wollen wir nicht abschaffen. Aber es verlangt nach einer analogen Auszeit. Man nimmt sich die Zeit, sich hinzusetzen, ohne dass es ständig piept und irgendetwas aufploppt – das ist wie bei einem Magazin. Ich werde immer ein Magazin in Papierform kaufen. Man setzt sich in Ruhe hin, trinkt einen Kaffee und liest es durch – das ist Genuss. Genauso bei Notizbüchern. Da nimmt man sich die Zeit, sich mit seinen Gedanken zu befassen.

Macht es auch einen Unterschied, ob ich Texte tippe oder handschriftlich verfasse?

Auf jeden Fall. Wer handschriftlich schreibt, schreibt weniger schnell und merkt sich die Inhalte besser. Daran sind 30 Muskeln, 17 Gelenke und 12 Hirnareale beteiligt. Beim Schreiben schult man also seine Feinmotorik und erhöht die Kreativität. Unternehmen wie Apple statten deshalb jeden Mitarbeiter mit einem Notizbuch aus.

Wie groß ist denn der Markt? Und sehr Ihr Wachstumspotenzial?

Das Notizbuch ist zunehmend vom Arbeitstool zum Wegbegleiter geworden, da werden andere Anforderungen an die Ästhetik gestellt. Ein schönes Notizbuch ist ein sehr emotionalses Give-away. Schon 2022 war der Markt für Notizbücher rund 45 Milliarden Euro schwer und er soll Prognosen zufolge bis 2027 auf 67 Milliarden Euro wachsen. Deutschland ist übrigens drittgrößter Markt. Hier soll der Umsatz bis 2027 verglichen mit 2022 um 50 Prozent auf dann 9,3 Milliarden Euro steigen.

Ihr macht 50 Prozent eures Umsatzes mit Tischkalendern. Was ist das Faszinierende an Kalendern?

Der Tischkalender steht immer am gleichen Platz. Und man nimmt gerne den, den man schon immer hatte – mit der Aufteilung, die man kennt. Wir sehen das aus Konsumenten- und aus Kundensicht. Wir verkaufen an Unternehmen, die die Kalender mit ihrem Branding an Kunden und Mitarbeiter verteilen. Bessere Werbung gibt es nicht, denn so einen Kalender hat der Kunde 365 Tage vor sich stehen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis steht in keinem Vergleich zur Online Werbung. Und offenbar wirkt so ein Kalender imagestärkend. So hatte einer unserer Kunden aus Sparmaßnahmen auf die Kalender verzichtet – und seine Kunden haben sich verärgert bei ihm gemeldet, weil sie nicht auf ihren Kalender verzichten wollten.

Wie geht Papier mit Nachhaltigkeit zusammen?

Wir verwenden zu 90 Prozent österreichisches Papier, das recycelt ist. Fast unsere komplette Verlagsware wird aus diesem Papier hergestellt. Es gibt allerdings leider noch Kunden die ein herkömmliches Off-Set-Papier (sprich Frischfaserpapier) bevorzugen, was meistens mit dem etwas niedrigerem Preis zu tun hat. Manche sind leider auch noch in dem Glauben, dass Nachhaltigkeit nur ein kurzzeitiger Trend ist…

Wie groß ist der Unterschied aus ökologischer Sicht?

Das oberösterreichische Recyclingpapier Impact Pure hat die höchsten Zertifizierungsstandards: wir sprechen hier vom Blauen Engel, dem Österreichischen Umweltzeichen, und dem Nordic Swan, dem Ökolabel der nordischen Länder. Bei der Produktion des Papiers wird der CO2-Ausstoß laut Deutschem Bundesumweltamt um 42 Prozent gegenüber der Produktion herkömmlichen Papiers reduziert, es wird 80 Prozent weniger Wasser und 73 Prozent weniger Energie eingesetzt – das ist die Benchmark unter den Umweltpapieren. Ich wüsste in Europa nichts Vergleichbares. Zudem arbeiten wir auch an nachhaltigen Außenmaterialien. Und da kooperieren wir mit der BOKU, der Universität für Bodenkultur. Wir beteiligen uns an einer Studie über Wasserpflanzen, aus denen Materialien entwickelt werden, die in die Kreislaufwirtschaft gehen. Damit soll ein Dreifacheffekt generiert werden: Wasserpflanzen verbessern die Wasserqualität, das Material ist per se sehr nachhaltig und es ist recyclebar.

Ihr führt das Unternehmen in 5. Generation: Was bleibt – und was machen folgende Generationen neu?

Die ältere Generation war noch stärker vom Papierfach. Unsere Eltern kennen noch das Handwerk, sie haben bis Ende der 90er noch selbst Kalender produziert und an den Maschinen gestanden. Mein Vater hatte aber schon immer einen extremen Geschäftssinn, er hat in den 90er Jahren zwölf Kalender-Produzenten gekauft und das Unternehmen zukunftsfähig aufgestellt. Was wir anders machen? Ich denke, die Zeiten sind individueller, wir brauchen einen Maßanzug für Werbemittel und nicht 0815 Produkte mit einfachem Logodruck. Unternehmen und Marken wollen auffallen – und genau das machen wir mit der Marke DenkZettel®

Wie muss ich mir das vorstellen?

Wir kommen wie ein Schneider zu unseren Kunden, zeigen ihnen die Stoffe, die Materialien, Farben, Bänder und Rahmennähte. Man kann sich ein Notizbuch nicht nur als Unternehmen oder Marke personalisieren, sondern sich passend dazu auch seine eigene Kollektion anfertigen lassen: Dokumentenmappen, Federpennale, Taschenleerer und Kartenhalter. Wir können auch Fotos auf Notizbücher lasern – zum Beispiel als Pensionsgeschenk. Das sind sehr nachhaltige Präsente, die Freunden, Mitarbeitern und Kunden viel Freude machen.

Die Kalendermacher ist ein Familienunternehmen und ihr arbeitet europaweit mit Produzenten zusammen, die auch als Familienunternehmen organisiert sind. Was ist für dich das Besondere an Familienunternehmen?

Bei allem, was wir tun, denken wir nicht in Quartalen oder Jahren, sondern in Generationen. Unser Handeln ist geprägt von Weitblick, und wir investieren bewusst Zeit und Ressourcen in eine nachhaltige Zukunft. Unsere Beziehungen zu Geschäftspartnern sind tief verwurzelt. Ein Produzent ist für uns nicht nur ein austauschbarer Lieferant, sondern ein geschätzter Partner – oftmals sogar ein Freund. Ein Familienunternehmen ist wie ein weiteres Familienmitglied: Es bereitet uns manchmal Sorgen, doch viel häufiger schenkt es uns Freude, Vertrauen und gemeinsame Erfolge.

Gründerin Luisa Pitzinger ist eine Frau: Welche Rolle spielen Frauen im Unternehmen?

Frauen sind seit jeher ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Unternehmens – schon allein durch die Tatsache, dass unsere Familie seit vier Generationen weiblich geprägt ist. Gleichzeitig spielen Männer für uns eine ebenso bedeutende Rolle. Was für mich jedoch am wichtigsten ist, ist die Begegnung auf Augenhöhe, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Erfahrung. Als Frau arbeite ich sowohl mit meinem Vater als auch mit Balazs, meinem Geschäftspartner, der für mich fast wie ein Bruder ist. Unsere Stärke liegt in unserer Vielfalt. Es gibt keine Hierarchie zwischen männlich oder weiblich, jung oder alt, oder in Bezug auf Ausbildung und berufliche Hintergründe. Offenheit und das Streben nach einem gemeinsamen Ziel stehen für uns im Vordergrund.

Was sind Eure Ziele für die nächsten Jahre?

Für das kommende Jahr haben wir zwei große Ziele. Zum einen möchten wir die Produkterweiterung unseres DenkZettel® Portfolios erfolgreich fortsetzen. Zum anderen steht der Generationswechsel von der 4. in die 5. Generation im Fokus. Als Familienunternehmen sind wir stolz darauf, dass viele unserer Mitarbeiter, die vor Jahrzehnten bei uns begonnen haben, auch bei uns in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Nun steht ein Generationenwechsel bevor – frische Talente sind also gefragt!

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