Wenn Sprache Macht zeigt – und wir sie uns zurückholen. Die Autorinnen von „Bullshit-Bingo – Was Frauen nicht mehr hören wollen” im Courage-Interview.
Es sind diese Momente, die uns innehalten lassen. Die uns klarmachen: So darf es nicht weitergehen. Die Situation, die eine der Autorinnen auf einem CFO-Summit erlebte, war genau so ein Moment. Ein flapsiger Spruch, ein unangebrachter Kommentar über ihr Outfit – scheinbar beiläufig, doch voller Abwertung. Worte, die sie noch lange beschäftigten. Erst später, im Kreis ihres „Ladies Mentoring“-Netzwerks, wurde aus dem Ärger eine Idee: Was wäre, wenn Frauen auf solche Bemerkungen immer eine passende Antwort hätten? Wenn sie nie wieder sprachlos oder resigniert reagieren müssten?
Aus dieser Überlegung entstand ein Buch – als starkes, kollektives Statement gegen alltäglichen Sexismus und für mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit solchen Situationen. Im Interview erzählen die Autorinnen, warum Sprache ein Machtinstrument ist – und wie Frauen sie für sich zurückerobern können.
Zum Weltfrauentag erscheint am 6. März 2025 ihr Buch „Bullshit-Bingo – Was Frauen nicht mehr hören wollen“ (hier erhältlich). Ein Ratgeber, der nicht nur unterhält, sondern vor allem auch aufrütteln soll. Die fünf Autorinnen Tatjana Kiel, Susanne Schlösser, Svenja Lassen, Sabine Grüngreiff und Maren Wagener sind erfolgreiche Unternehmerinnen und Managerinnen mit langjähriger Erfahrung in unterschiedlichen Branchen – genau wie die Mitglieder ihres Business-Netzwerks. Sie haben im “Ladies Mentoring”-Kreis Geschichten und Sätze gesammelt, die Frauen sprachlos gemacht haben. Im Interview geben sie Einblick über die Entstehung des Buches, die dahinterstehende Bewegung und darüber, wie man Schlagfertigkeit lernen kann.
Warum ist ein Buch wie “Bullshit-Bingo” notwendig?
Tatjana Kiel: Die Idee entstand bei einem unserer Ladies Mentoring-Treffen. Eine von uns schilderte eine Situation, in der sie sprachlos war. Sofort riefen alle: “Oh ja, das kenne ich auch!” Wir haben gemeinsam Antworten gesammelt, die Frauen helfen können, solche Momente nicht einfach hinzunehmen. Uns wurde klar: Diese Sprüche haben System. Wir alle haben sie schon gehört. Und wir wollten ein Bewusstsein dafür schaffen.
Sabine Grüngreiff: Diese Sätze sind nicht harmlos. Sie transportieren tief verankerte Vorurteile und Rollenbilder, die Frauen klein halten. Wir wollten sie sichtbar machen – und Frauen ermutigen, nicht einfach darüber hinwegzugehen.
Euer Buch ist ein erster Auftakt, denn Ihr betont, dass Ihr eine Bewegung starten wollt – was genau bedeutet das und steckt dahinter?
Susanne Schlösser: Wir wollen nicht nur ein Buch als Momentaufnahme veröffentlichen, sondern eine Bewegung starten, die nachwirkt und langfristig etwas ändert. Mit dem Hashtag #WasFrauenNichtMehrHörenWollen rufen wir Frauen und Männer auf, ihre Erlebnisse zu teilen. Denn erst, wenn wir darüber sprechen, wird klar, wie oft es passiert, dass jemand kommunikativen Machtmissbrauch erlebt und mit Sprüchen in eine Rolle gedrängt wird.
Maren Wagener: Es geht auch darum, die Verantwortung umzudrehen: Die Scham gehört nicht denjenigen, die diese Sätze hören, sondern denen, die sie aussprechen. Und wir wollen ja nicht nur Frauen ermutigen, sondern auch Männer sensibilisieren. Sie sollen sich fragen: Habe ich selbst schon solche Sätze gesagt? Was kann ich tun, wenn ich so etwas von anderen Männern höre?
Sind viele dieser Sprüche nicht längst überholt?
Sabine Grüngreiff: Leider nicht. Wir haben uns genau diese Frage gestellt, als wir das Buch geplant haben. Aber unsere Umfragen und Gespräche haben schnell gezeigt: Diese Sätze fallen noch immer, haben sich häufig über die Jahrzehnte nicht verändert. Und sie haben oft weitreichende Folgen – von Verunsicherung bis zum Karriereknick, wenn Frauen sich aus Angst vor weiteren Kommentaren zurücknehmen.
Funktionieren die Antworten aus dem Buch wirklich im echten Leben?
Svenja Lassen: Ja, und das ist gerade das Tolle daran! Unsere Erfahrungen zeigen, dass es oft schon reicht, eine klare Grenze zu setzen. Eine schlagfertige Antwort verändert die Dynamik sofort. Plötzlich merkt das Gegenüber: „Oh, das war nicht in Ordnung.“ Dieses Bewusstsein ist der erste Schritt zur Veränderung. Daher ist es so wichtig, nicht aus Höflichkeit zu schweigen, sondern auf einen unpassenden Kommentar unbedingt zu reagieren.
Tatjana Kiel: Es geht aber nicht nur um Schlagfertigkeit. Manche Antworten sind bewusst einfach und sehr variabel einsetzbar, um klarzumachen: “Ich akzeptiere das nicht.” Auch das kann eine starke Reaktion sein.
Kann man Schlagfertigkeit lernen?
Maren Wagener: Absolut! Natürlich gibt es Menschen, die von Natur aus schneller reagieren. Aber jede kann sich ein Repertoire an Antworten zurechtlegen – wie einen Werkzeugkoffer. Das Buch hilft dabei, genau solche Antworten zu finden und zu trainieren.
Susanne Schlösser: Wichtig ist vor allem, überhaupt zu reagieren. Oft fällt einem die perfekte Antwort erst Stunden später ein – aber auch ein einfaches “Interessant, warum denkst du das?” kann Wunder wirken.
Richtet sich das Buch nur an Frauen?
Svenja Lassen: Nein! Im Gegenteil. Gerade Männer können durch das Buch lernen, welche Aussagen problematisch sind und warum. Viele wissen gar nicht, dass bestimmte Sprüche verletzend sind und sprechen sie unbewusst aus. Das Buch kann die Augen öffnen – und auch Männer ermutigen, sich in solchen Situationen auf die Seite der Frauen zu stellen.
Ist das Buch feministisch?
Tatjana Kiel: Wenn man Feminismus als das Streben nach Gleichberechtigung versteht – dann ja. Es geht uns nicht darum, gegen Männer zu sein, sondern für ein respektvolles Miteinander.
Welche Botschaft möchtet ihr euren LeserInnen mitgeben?
Sabine Grüngreiff: Hört auf, euch für solche Situationen zu schämen. Die Scham gehört denjenigen, die solche Sprüche machen.
Maren Wagener: Und: Ihr seid nicht allein! Dieses Buch soll Frauen ermutigen, sich auszutauschen, sich zu unterstützen und gemeinsam für Veränderung einzutreten.
Wir verlosen drei Exemplare von “Bullshit-Bingo – Was Frauen nicht mehr hören wollen”. Hier gelangt ihr zum Gewinnspiel.
Über die Autorinnen:

Tatjana Kiel ist CEO von Klitschko Ventures, Geschäftsführerin der Hilfsorganisation #WeAreAllUkranians und Co-Founderin des ebenfalls gemeinnützigen Unternehmens score4impact. In ihren Verantwortungsbereichen stellt sie die Frage nach der sozial-ökonomischen Wirksamkeit. (Foto: Sascha Ornot)

Susanne Schlösser begleitet Menschen und Organisationen mit Strategie und Bauchgefühl auf ihrem Weg zum Erfolg. Als Managerin for People in Health & Transformational Coach unterstützt sie bei einem Imagewechsel genauso wie bei der Umsetzung von Visionen oder dem Erreichen des nächsten Levels der Organisation oder in der Karriere. (Foto: Matti Hillig)

Sabine Grüngreiff lebt mit ihrem Mann und ihren Zwillingstöchtern in Hamburg. Sie kennt sowohl die Agentur- als auch die Unternehmensseite. Über ein Jahrzehnt war sie für die PR renommierter Magazine wie Brigitte und Stern verantwortlich und beschäftigt sich intensiv mit den Themen unserer Zeit, insbesondere mit der Rolle von Frauen in der Gesellschaft. (Foto: privat)

Svenja Lassen ist Gründerin des Female Investors Network. Die ausgebildete Journalistin war viele Jahre bei großen Verlagen tätig, verantwortete das Karriere-Ressort der COSMOPOLITAN und entwickelte vielfältige Fortbildungsprogramme. Sie ist außerdem zertifizierte Business-Coach, Moderatorin, Mentorin und Pitch-Trainerin. (Foto: privat)

Maren Wagener gründete 2008 die Vast Forward GmbH, eine Service-Agentur für digitale Dienstleistungen. Sie gehört zu den Vordenkerinnen in den Bereichen Remote Work, Virtual Leadership und Trusted Network Collaboration. Als gefragte Expertin spricht sie regelmäßig auf Konferenzen und Panels über diese Themen. (Foto: Dennis Williamson)