Der Mai war ein starker Monat. Daran konnte auch eine schwache letzte Woche nichts mehr ändern. Stark sind immer noch die Techwerte, traditionsreiche Unternehmen wie die Automobilhersteller tun sich dagegen schwer.
Für die Schweizer Öffentlichkeit war das ein Paukenschlag. Am Freitag – kurz nach dem 100. Geburtstag – wurde bekannt, dass der „Salon de l’Auto“ in Zukunft nicht mehr in Genf, sondern ab 2025 in Doha stattfinden wird. Dies gaben die Organisatoren der Geneva International Motor Show (Gims) am Freitag bekannt. In der Mitteilung heißt es, die Konkurrenz der Messen in Paris und München sei zu groß, das Interesse der Besucher zu klein, um den Genfer Salon weiterzubetreiben.
Über Besucherschwund klagen aber auch Paris und München. Paris schrumpfte 2022 von sechs auf zwei Ausstellungshallen. Die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) wurde von Frankfurt nach München verlegt, in der Hoffnung, mehr Besucher anzuziehen. Vergeblich; denn „Mobiitätskonzepte“ und „E-Bike-Parks“ entsprechen zwar dem medialen Zeitgeist, verleiten echte Autofans aber nicht zum Kauf einer Eintrittskarte. Und da Europa nicht mehr der Kernmarkt der Autohersteller ist, reduzieren auch die Hersteller ihre Präsenz. Zumal sie sich mit dem auf EU-Ebene beschlossenen Verbrenner-Verbot ab 2035 sowieso schwertun.
Der Aufstieg Genfs zum internationalen Schauplatz hatte in den 1960ern begonnen. Der Genfer Salon wuchs, der Andrang sprengte bald die 44 000 Quadratmeter des Palais des Expositions in der Innenstadt. 1981 wurde das heutige „Palexpo“ am Flughafen eingeweiht. Die Expansion des Salons ging immer weiter. Zur Jahrtausendwende pilgerten jedes Jahr über 700.000 Menschen nach Genf. Anders als Paris oder die IAA in Frankfurt galt Genf als neutrales Gelände. Deutsche Autohersteller maßen sich in Genf mit französischen, britischen und italienischen. Der VW Scirocco feierte nicht in Frankfurt, sondern in Genf seine Premiere.
Der hundertste Geburtstag wurde Ende Februar noch unter dem neuen Namen „Geneva International Motor Show“ begangen, in drei von sieben Hallen, mit 37 Ausstellern, rund 160 000 Besuchern. Auch das klappte nur dank einem starken Sponsor aus Katar im Rücken, der 2023 beim Autosalon einstieg. Dieser will ihn nun ab 2025 in Doha weiterleben lassen. Der Autosalon Genf wird der Messe zumindest seinen Namen geben. Das wird die Beschäftigten der europäischen Automobilindustrie nicht trösten, deren Arbeitsplätze wegen der Umstellung auf E-Mobilität respektive der Verlagerung der Produktion nach Asien verlorengehen.
Starker Mai
Klar, dass Automobilaktien an der Börse derzeit keine große Rolle spielen. Der Dax ist am Ende einer schwachen Wochen nahezu auf der Stelle getreten. Der deutsche Leitindex schloss am Freitag minimal höher bei 18.498 Punkten. Einige Marktteilnehmer zweifeln inzwischen an den lange schon sicher geglaubten Zinssenkungen in der Eurozone und vor allem in den USA. Auf Wochensicht ergab sich für den Dax ein Minus von gut ein Prozent. Gleichwohl war der Mai mit einem Plus von 3,2 Prozent ein guter Monat. Trotz des jüngsten Rückschlags des Leitindex von seinem Rekordhoch bei 18.892 Punkten hat sich die alte Börsenregel „sell in may and go away” damit nicht bewährt. Der MDax der mittelgroßen Werte weist eine ähnliche Wochen- und Monatsbilanz auf. Am Freitag verlor er 0,3 Prozent auf 26.717 Punkte.
Im Leitindex zählten die Aktien der Deutschen Bank mit minus 1,3 Prozent zu den größten Verlierern. Das Geldhaus rechnet im laufenden Quartal überraschend mit einem schwächeren Ergebnis im Handel mit Anleihen und Währungen. Papiere der Commerzbank verloren 1,1 Prozent. Siemens Energy büßten am Dax-Ende 4,7 Prozent ein, nachdem sie im frühen Handel noch zugelegt hatten. Der Kurs des Elektrotechnikkonzerns hat sich seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt. Hier nehmen Anleger immer mal wieder Kursgewinne mit.
Die Anteilscheine von Carl Zeiss Meditec sackten um 5,4 Prozent ab und waren damit das Schlusslicht im MDax. Die US-Bank JPMorgan ist kurzfristig besonders skeptisch für die Papiere des Technologieunternehmens und setzte sie in einer Branchenstudie auf die „Negative Catalyst Watch“. Analyst David Adlington hält sowohl die Jahresziele für 2024 als auch die Markterwartungen für 2025 für risikobehaftet.
Aktien von Synlab zogen unter den größten Gewinnern im Nebenwerteindex SDax um 4,5 Prozent an. Der Investor und Mehrheitsaktionär Cinven hat den übrigen Anteilseignern ein Kaufangebot unterbreitet und will den Labordienstleister von der Börse nehmen.
Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,72 Prozent am Vortag auf 2,75 Prozent.
EZB nächste Woche im Mittelpunkt
In der neuen Woche steht der deutsche Aktienmarkt ganz im Bann der Europäischen Zentralbank (EZB). Auf der Sitzung der Notenbank am Donnerstag „wird Geschichte geschrieben“, betonte Edgar Walk, Chefvolkswirt des Vermögensverwalters Metzler Asset Management. Denn erstmals mache die EZB den ersten Schritt und werde noch vor der US-Notenbank die Zinsen senken. Die Finanzmärkte bewege aber viel mehr, wie es nach diesem Zinsschritt weitergeht, schrieb Robert Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck: „Wir rechnen auf Basis des wohl nur noch leicht und nicht linear nachlassenden Inflationsdrucks im Jahresverlauf 2024 noch mit ein oder zwei weiteren EZB-Schritten nach unten – mehr dürfte auch angesichts des bereits wieder anziehenden Wachstums weder sinnvoll noch notwendig sein.“
Ökonomen verweisen immer wieder auf die Bedeutung der Lohnentwicklung für die Geldpolitik. Steigende Löhne stellen für die Unternehmen einen Kostenfaktor dar, den sie meist versuchen, wenigstens teilweise auf die Verkaufspreise zu überwälzen. Das treibt die Verbraucherpreise hoch, an denen die Notenbanken ihre Geldpolitik ausrichten.
Damit richtet sich der Fokus zum Ende der neuen Woche auf den US-Arbeitsmarktbericht für Mai, der am Freitag veröffentlicht wird. Denn neben der Arbeitslosenquote und der Beschäftigung wird dann auch das Lohnwachstum im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. „Der Beschäftigungsaufbau in den USA dürfte sich im Mai etwas abgeschwächt haben, aber immer noch solide ausfallen”, schrieb Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Für die Finanzmärkte wäre es wichtig, dass die Erwartungen an eine Leitzinssenkung der Fed im zweiten Halbjahr erhalten bleiben. Ansonsten bliebe die Situation aus Marktsicht nicht nur spannend, sondern sogar weiter angespannt.
US Börsen mit versöhnlichem Ausklang
Die US-Börsen beschlossen den Mai nach den jüngsten Verlusten am Freitag mit einer Stabilisierung. Der zuletzt besonders gebeutelte Leitindex Dow Jones Industrial hielt sich fast die ganze Handelszeit in positivem Terrain auf. Er schloss dank der späten Marktrally dann sogar 1,5 Prozent fester bei 38.686 Punkten. Damit dämmte er seinen Wochenverlust auf knapp ein Prozent ein und erzielte für den Monat ein Plus von 2,3 Prozent.
Der Schlussspurt verhalf auch dem marktbreiten S&P 500 ins Plus: Er verabschiedete sich 0,8 Prozent fester mit 5.278 Punkten. Der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100, der sich zuletzt bis auf Donnerstag vergleichsweise robust präsentiert hatte, verlor am Ende minimal auf 18.537 Punkte. Auf Wochensicht gab er damit um 1,4 Prozent nach, verbuchte jedoch für den Mai ein Plus von 6,3 Prozent.
Zur schon jüngst getrübten Stimmung im IT-Sektor trug am Freitag Dell bei. Der Computerkonzern befeuerte mit seinem Quartalsbericht die Sorge, dass das deutliche Wachstum im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zulasten der Marge geht. Die zuletzt stark gelaufenen Aktien brachen um 17,9 Prozent ein. Am Donnerstag war bereits der Softwarekonzern Salesforce für einen enttäuschenden Umsatzausblick auf das laufende Quartal abgestraft worden. Im Sog von Dell ging es am Freitag für die Anteilscheine des Informationstechnologieunternehmens HP um 4,9 Prozent bergab. Noch tags zuvor hatten sie dank einer positiven Umsatzüberraschung einen Kurssprung hingelegt.
Auch weitere Unternehmen aus dem Sektor enttäuschten vor dem Wochenende mit ihren Zahlen. So büßten die Anteilscheine des Entwicklerdatenbank-Spezialisten MongoDB fast ein Viertel ihres Werts ein – damit waren sie Schlusslicht im Nasdaq 100. Beim Cloud-Computing-Unternehmen Veeva Systems und beim Cybersecurity-Spezialisten SentinelOne standen Abschläge von 10,3 beziehungsweise 13,3 Prozent zu Buche.
Eine positive Ausnahme im Sektor gab es mit Zscaler – die Aktien zogen als Nasdaq-100-Spitzenreiter um 8,5 Prozent an. Der Spezialist für Cybersicherheit konnte mit seinen Quartalszahlen positiv überraschen.
Außerhalb des Tech-Sektors gab es Nachrichten von Einzelhändlern. Die Textilhandelskette Gap überzeugte den Markt mit einem besser als erwarteten Quartal und einem angehobenen Ausblick, wie ein Kurssprung von 28,6 zeigte. Bei der Kaufhauskette Nordstrom stand nach dem Zwischenbericht ein Plus von 5,1 Prozent zu Buche.
Ein Thema an den Finanzmärkten war außerdem der Schuldspruch gegen den ehemaligen US-Präsidenten und wahrscheinlichen Kandidaten Donald Trump. Im historischen Prozess um die Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin droht ihm ein noch offenes Strafmaß. Auch wenn er unabhängig davon bei der Präsidentenwahl antreten kann, waren die Aktien seiner Trump Media & Technology Group wegen der Unsicherheit einen Blick wert. Sie zeigten sich sehr schwankungsanfällig und verloren letztlich 5,3 Prozent.
Der Euro gab einen Teil seiner Gewinne wieder ab und kostete zuletzt noch 1,0848 US-Dollar. US-Staatsanleihen legten zu. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere fiel auf 4,50 Prozent. (wr/dpa/baha)