Die Welt sorgt sich vor einem neuen Krieg in Nahost. Reagiert Israel trotz Warnungen auf Irans Angriff? Auch die Lage an Israels Grenze zum Libanon verschärft sich. Die News im Überblick.
Während engste Verbündete Israel nach dem iranischen Großangriff zu Verzicht auf eine harte Gegenreaktion drängen, behält sich der jüdische Staat eine eigene Entscheidung über das weitere Vorgehen vor. Die EU rief sowohl Israel als auch den Iran auf, von weiteren gegenseitigen Angriffen abzusehen. Man fordere alle Parteien nachdrücklich auf, äußerste Zurückhaltung zu üben und keine Maßnahmen zu ergreifen, die die Spannungen in der Region verstärken könnten, hieß es in einer beim EU-Gipfel in Brüssel veröffentlichten Erklärung der Staats- und Regierungschefs.
Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief angesichts «gefährlicher Rhetorik in der Region» erneut zu «größter Zurückhaltung» auf, wie sein Sprecher sagte. Israels Kriegskabinett will der israelischen Nachrichtenseite Ynet zufolge heute über eine Antwort auf den iranischen Angriff, die festgefahrenen Verhandlungen über einen Geisel-Deal im Gaza-Krieg sowie den verschärften Konflikt mit der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon beraten.
Im Anschluss an Krisengespräche mit Deutschland und Großbritannien hatte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu gesagt, er schätze zwar «Vorschläge und Ratschläge». Israel werde jedoch seine Entscheidungen selbst treffen und «alles Notwendige tun, um sich selbst zu verteidigen», sagte Netanjahu nach Treffen mit Außenministerin Annalena Baerbock und dem britischen Außenminister David Cameron.
Vor ihrem Weiterflug zum G7-Außenministertreffen in Capri mahnte Baerbock den Iran und Israel zu «maximaler Zurückhaltung». Sie warnte: «Mit einer Eskalationsspirale wäre niemandem gedient.» Die Außenminister der Gruppe sieben wirtschaftsstarker Demokratien beraten nun angesichts eines drohenden Flächenbrands über weitere Sanktionen gegen den Iran.
Iran erneuert Warnung vor israelischem Gegenschlag
Auslöser des iranischen Angriffs auf Israel in der Nacht zum Sonntag mit Hunderten von Drohnen und Raketen war ein mutmaßlich israelischer Angriff auf die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus gewesen. Dabei waren zu Beginn des Monats unter anderem zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden getötet worden.
Israel hat bereits Vergeltung für Irans Angriff angekündigt. Irans Präsident Ebrahim Raisi erneuerte wiederum seine Warnung vor einem Gegenschlag. Falls Israel auch nur die geringste «Aggression» gegen den Iran ausüben sollte, wäre die iranische Antwort «verheerend» und die Israelis würden es bitter bereuen, sagte Raisi laut der Nachrichtenagentur Tasnim.
Konflikt mit proiranischer Hisbollah verschärft sich
Israels Luftwaffe griff unterdessen nach einem Angriff aus dem Libanon mit zahlreichen Verletzten nach eigenen Angaben militärische Infrastruktur der proiranischen Hisbollah-Miliz im Norden des Libanons an. Die Anlage im Raum Baalbek werde vom Luftabwehrsystem der Hisbollah genutzt, hieß es. Bei einem Angriff aus dem Libanon waren im Norden Israels mindestens 14 Soldaten verletzt worden, wie das israelische Militär zuvor mitteilte.
Israelische Medien berichteten unter Berufung auf eine behandelnde Klinik, es seien 18 Menschen verletzt worden. Laut der «Times of Israel» sollen unter den Opfern vier Zivilisten sein. Der von der proiranischen Schiitenmiliz im Libanon kontrollierte Fernsehsender Al-Manar berichtete, es sei ein Gebäude beschossen worden, in dem sich israelische Soldaten aufgehalten hätten. Es habe Opfer unter ihnen gegeben, hieß es.
Prosor fordert «Kurswechsel» der EU gegenüber dem Iran
Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, forderte die EU unterdessen zu einem «Kurswechsel» in ihrer Politik gegenüber dem Iran auf. Nach dem iranischen Großangriff auf sein Land müsse Europa «klare Kante zeigen», sagte der Botschafter der «Rheinischen Post». «Zum Beispiel, indem die iranische Revolutionsgarde als Terrororganisation gelistet wird. Die Revolutionsgarde verbreitet Terror und Gewalt im Nahen Osten und darüber hinaus», sagte Prosor. «Europa ist am Zug. Wir haben gesehen, dass es nicht gelungen ist, die Gefahren des Iran einzudämmen. Wir brauchen einen Kurswechsel.»
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht einen möglichen Ansatz für die Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation. Es gebe ein Urteil zu der Frage der Aktivitäten dieser Organisation, sagte Scholz am Rande des EU-Gipfels. Dies könnte ein Ausgangspunkt für die Listung der Revolutionsgarden sein. Eine juristische Prüfung in der EU zu dem Thema laufe derzeit.
US-Repräsentantenhaus soll über Israel-Hilfen abstimmen
Unterdessen steht nach monatelanger Blockade eines umfangreichen US-Hilfspakets für die Ukraine, Israel und den Indopazifik eine Abstimmung im US-Repräsentantenhaus wahrscheinlich kurz bevor. Der Vorsitzende der Kammer, Mike Johnson, sagte, er erwarte ein Votum am Samstagabend (Ortszeit).
Der mächtige Kontrollausschuss veröffentlichte die Gesetzestexte, über die nun abgestimmt werden soll. Für Israel sind rund 26 Milliarden Dollar (24 Mrd Euro) vorgesehen. Dazu zählen vier Milliarden Dollar zur Aufstockung der Raketenabwehrsysteme Iron Dome und David’s Sling. Im Falle einer Zustimmung wäre der Senat am Zug. Es gilt als wahrscheinlich, dass die von den Demokraten geführte Kammer das Vorhaben unterstützt.
Katar will Rolle als Vermittler überdenken
Das Golfemirat Katar will unterdessen seine Rolle als Vermittler im Krieg zwischen Israel und der Hamas überdenken. Katars Rolle sei in gewissem Maße für politische Zwecke missbraucht worden, sagte Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani in der Hauptstadt Doha. Wen und was er dabei konkret meinte, führte er nicht aus.
«Dies hat Katar dazu veranlasst, seine Rolle völlig neu zu bewerten und wir befinden uns derzeit in dieser Phase», sagte Al Thani. Seit Monaten laufen unter Vermittlung Katars, der USA und Ägyptens Verhandlungen über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die bei dem Überfall islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres in den Gazastreifen verschleppt worden waren. Ein Durchbruch bei den Verhandlungen ist derzeit jedoch nicht absehbar.
Erstmals Hilfsgüter über Hafen von Aschdod abgewickelt
Unterdessen wurden erstmals seit der Öffnung des Hafens von Aschdod in Südisrael Hilfslieferungen für den Gazastreifen dort abgewickelt. Acht Transporter mit Mehl seien kontrolliert und dann in das Küstengebiet gebracht worden, teilten Israels Armee sowie die für Kontakte mit den Palästinensern und humanitäre Hilfe zuständige israelische Cogat-Behörde mit.
Die Lkw des Welternährungsprogramms (WFP) seien allerdings über den Grenzübergang Kerem Schalom im Süden in das abgeriegelte Küstengebiet gefahren – nicht über Erez im Norden des Gazastreifens, dessen Öffnung Israel ebenfalls jüngst angekündigt hatte. Es gab keine Angaben, wann das passieren könnte. Kerem Schalom wird schon länger für Hilfslieferungen genutzt. In Teilen des abgeriegelten Gazastreifens, vor allem im Norden, droht Experten zufolge eine Hungersnot. (dpa/ag)