Unternehmen, die die Infrastruktur für Künstliche Inteligenz schaffen, sind seit Monaten die Highflyer an der Börse. Kann das ewig weitergehen?
Hochnervöse Anleger rund um den Globus diskutierten weiter die Frage, ob der KI-Hype zu einer Blase geführt hat, die zeitnah platzen könnte, bemerkte Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets zum Wochenende. Die Investoren hinterfragten zunehmend, ob sich die gewaltigen Investitionen vieler Unternehmen in KI auch als so profitabel erweisen, dass sie die aktuellen Kursniveaus rechtfertigen, erklärte André Sadowsky, Analyst bei der Commerzbank. Tatsächlich ist es die Frage, die derzeit Wirtschaft und Finanzmärkte umtreibt: So titelte die „Neue Zürcher Zeitung“ in dieser Woche: „Bringt’s KI oder nicht“? Nach wie vor investieren Tech-Unternehmen Milliarden in Chips und Rechenzentren, Unternehmen wie Nvidia erreichen an der Börse eine Bewertung von knapp 4,3 Billionen Euro – ungefähr soviel wie das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands 2024 ausmachte. Immer mehr Analysten sprechen von einer Blase. Die Frage ist also berechtigt: Kann KI die hohen Erwartungen einlösen?
Die Strategieberatung McKinsey hat nun die Ergebnisse einer Studie vorgelegt, in der sie knapp 2000 Firmen weltweit zum Einsatz von KI befragt hat. Die Unternehmen teilen sich in zwei Lager: Ein größeres, das noch kaum von KI profitiert. Und ein kleineres, das es schafft, mit KI das Betriebsergebnis im Durchschnitt um über fünf Prozent zu steigern. Die erfolgreichen Firmen nutzten KI und maschinelles Lernen nicht nur, um produktiver zu werden, sondern auch für Innovationen. Sie verändern Prozesse oder passen ihr Geschäftsmodell an.
Vielen Firmen bringt KI derzeit allerdings noch wenig. 67 Prozent sehen laut der Umfrage etwa noch keine positiven Auswirkungen auf das Umsatzwachstum. Rund zwei Drittel haben entweder keine Kenntnisse darüber, ob KI die Kosten nachweislich reduziert hat, oder sehen keinen oder einen negativen Effekt. Das korrespondiert mit einer Studie des Massachusetts Institute of Technology, die im Sommer zeigte, dass 95 Prozent der befragten Unternehmen bisher keine Rendite auf ihre Investitionen in KI einfahren konnten.
88 Prozent der Firmen setzen heute KI ein, über ein Zehntel mehr als im Vorjahr. Doch die wenigsten kommen über reines Experimentieren mit den Modellen hinaus oder können Pilotprojekte auf das gesamte Unternehmen ausweiten. Das ist nicht weiter überraschend; denn für jeden Euro, den man für die Technologie ausgebe, müsse man drei bis fünf Dollar in Vorbereitung und Schulung der Mitarbeiter investieren, schätzt McKinsey. 32 Prozent der befragten Firmen gehen davon aus, dass sie im kommenden Jahr deswegen Stellen abbauen werden. 13 Prozent glauben, dass KI in dieser Zeit neue Stellen schafft.
Die US-Aktienmärkte wurden am Freitag zunächst durch die zunehmenden Befürchtungen um das Thema KI belastet, konnten im späten Handel ihre zuvor teilweise deutlichen Verluste jedoch eindämmen und schlossen wenig verändert. Frische US-Konjunkturdaten hatten kaum Einfluss auf die Notierungen. So trübte sich die Stimmung der US-Verbraucher im November – gemessen am Uni-Michigan-Index – deutlich stärker ein als erwartet. Der Dow Jones Industrial schloss mit einem Plus von knapp 0,2 Prozent bei 46.987 Punkten. Daraus resultierte für den US-Leitindex ein Wochenverlust von mehr als einem Prozent. Der S&P 500 stieg am Freitag um gut 0,1 Prozent auf 6.729 Zähler. Für den Nasdaq 100 ging es hingegen um 0,3 Prozent auf 25.060 Punkte abwärts. Damit verbuchte der technologielastige Index ein Wochenminus von gut drei Prozent.
Auf Unternehmensseite stand wieder einmal der Elektroautobauer Tesla im Fokus. Konzernchef Elon Musk bekommt die Aussicht auf ein Riesen-Aktienpaket im Wert von einer Billion Dollar. Mehr als 75 Prozent der Aktionäre stimmten für den Vergütungsplan, bei dem der Elektroauto-Hersteller verschiedene ambitionierte Ziele erfüllen muss, damit Musk die Aktien bekommt. Musk hatte gedroht, den Chefposten bei Tesla aufzugeben, falls das Vorhaben platzen würde. Die Tesla-Aktie büßte 3,7 Prozent ein. Für die Anteilsscheine von Monster Beverage ging es um gut fünf Prozent nach oben, nachdem der Hersteller von Getränken die Markterwartungen im dritten Quartal übertroffen hatte. Preiserhöhungen stimmen Analysten zudem positiv für Umsatz und Gewinnmargen. Im Reisesektor gewannen Expedia mehr als 17 Prozent, nachdem die Quartalszahlen des Online-Reisebüros eine robuste Nachfrage signalisiert hatten. Das Fintech-Unternehmen Affirm äußerte sich optimistischer zum Geschäftsjahr 2025/26. Dies bescherte den Aktien ein Kursplus von knapp zwölf Prozent.
Zuvor hatte sich die Stimmung am deutschen Aktienmarkt am Ende einer ereignisreichen Woche weiter eingetrübt. Der Leitindex Dax rutschte am Freitag schnell ins Minus und zeitweise unter 23.500 Zähler, wo eine mehrmonatige Unterstützung aber auch diesmal hielt. Zum Handelsschluss stand beim Dax ein Abschlag von 0,7 Prozent auf 23.570 Punkte zu Buche. Daraus ergibt sich auf Wochensicht ein Minus von 1,6 Prozent. Der MDax der mittelgroßen Börsenkonzerne verlor am Freitag 0,6 Prozent auf 28.794 Punkte.
Die Woche war geprägt von der Berichtssaison. Inzwischen haben laut der US-Investmentbank JPMorgan in Europa und den USA gut drei Viertel aller Unternehmen ihre Geschäftszahlen vorgelegt. Dabei habe das Ergebniswachstum in den USA im Schnitt bei 15 Prozent gelegen und in Europa bei etwa einem Prozent. Der Anstieg in Europa habe aber sogar noch positiv überrascht, schrieb Marktstratege Mislav Matejka.
Am Dax-Ende fielen die Aktien von Zalando unter ihr erst in dieser Woche erreichte Jahrestief. Aus dem Freitagshandel gingen die Papiere des Onlinehändlers mit einem Abschlag von 7,9 Prozent. Tags zuvor hatten sie sich nach der Veröffentlichung von Quartalszahlen zeitweise um gut zehn Prozent erholt, einen guten Teil der Kursgewinne letztlich aber bereits abgegeben. Die Gewinndynamik im Jahr 2026 sei aktuell nur sehr schwer kalkulierbar, schrieb Barclays-Expertin Sarah Roberts. Scout24 sanken um 4,9 Prozent. Die Titel des Immobilienportals gerieten damit in das schwere Fahrwasser des Branchenkonkurrenten Rightmove, dessen Aktien nach Quartalszahlen in London letztlich 12,5 Prozent verloren. Die Briten hatten Pläne zur Steigerung der Investitionen in Künstliche Intelligenz bekannt gegeben und zugleich gewarnt, dass es wahrscheinlich länger dauern werde, die zuvor angegebenen Ziele für das Umsatzwachstum zu erreichen.
Entspannungssignale im Streit um Chips des Autobranchenzulieferers Nexperia verliehen Auto-Aktien Auftrieb. China habe Exportverbote für Halbleiter von Nexperia aufgehoben, sagte Philipp von Hirschheydt, Chef des Autozulieferers Aumovio. BMW verteuerten sich um 2,2 Prozent, Volkswagen gewannen 1,5 Prozent. Aumovio sprangen um 9,8 Prozent hoch. Aumovio stand am Freitag auch wegen der ersten Veröffentlichung von Quartalszahlen seit der Abspaltung von Continental im Fokus.
Im MDax setzten die Aktien des Essenslieferdienstes Delivery Hero ihre jüngste Talfahrt mit minus 9,7 Prozent fort. Händler führten die Kursverluste zum einen auf eine skeptischere Bewertung von Wachstumsunternehmen zurück. Zum anderen hatte es am Donnerstag einen Bloomberg-Bericht über ein Interesse des US-Fahrdienstleisters und Essenslieferanten Uber am türkischen Lieferdienst Getir gegeben. Delivery Hero ist in dem Land mit dem Getir-Konkurrenten Yemeksepeti vertreten.
Krones stiegen um 4,9 Prozent. Von Analysten erhielt der Hersteller von Getränkeabfüllanlagen Lob für das dritte Quartal. Krones habe sich einem schwierigen Umfeld solide entwickelt, schrieb etwa Constantin Hesse von der Investmentbank Jefferies. Nach dem Kurssturz zur Wochenmitte waren die Aktien von Evotec auch am Freitag weit weg von einer Stabilisierung. Am Ende im Nebenwerteindex SDax rutschten sie um weitere zehn Prozent ab. Evotec hatte am Mittwoch mit der Veröffentlichung der Zahlen für das dritte Quartal enttäuscht. Das Marktumfeld bleibe für den Wirkstoffforscher trüb, hieß es von der Deutschen Bank. Die Aktien von MLP büßten 9,2 Prozent ein. Der Finanzdienstleister hatte seine Prognose für das laufende Jahr gesenkt. Für Salzgitter ging es um 3,3 Prozent nach oben. Analyst Dominic O’Kane von JPMorgan sprach von einer “europäischen Renaissance” in der Stahlbranche. Er reagierte damit auf die neuen Pläne der Europäischen Union zur Abschirmung des Sektors, womit die Importe 2026 deutlich gesenkt werden sollen. (baha/dpa-AFX)
