Börsenwoche: EZB senkt Zinsen, Rekordfahrt der Techriesen geht weiter, deutsche Immobilienwerte nach Leitzinssenkung schwächer

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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Es kommt selten genug vor, aber dieses Mal waren die Europäer den Amerikanern voraus. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte am Donnerstag erstmals seit fünf Jahren den Leitzins, die Schweizerische Nationalbank hatte den Schritt schon im März vollzogen. 

Im EZB-Rat gab es bei der Entscheidung eine Gegenstimme: Die Leitzinssätze werden jeweils um 0,25 Prozentpunkte reduziert. Damit notiert der (wichtigere) Einlagensatz nun bei 3,75 Prozent. An der Börse hatte man fest mit dieser Entscheidung gerechnet.  Auf Grundlage der aktualisierten Beurteilung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Teuerung und der „Stärke der geldpolitischen Transmission“ sei es nun angemessen, den Grad der geldpolitischen Restriktion zu reduzieren, hieß es in der etwas verschwurbelten Pressemitteilung der EZB. Zudem seien die Inflationserwartungen für alle Zeithorizonte zurückgegangen. Die Notenbank erwartet für dieses Jahr nun eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,5 Prozent, für 2025 2,2 Prozent und für 2026 1,9 Prozent.

Am Mittwoch wird auch die Fed über die Höhe der Zinsen entscheiden. Aber die Amerikaner zögern. Die Märkte gehen davon aus, dass sie ihren Leitzins im Band zwischen 5,25 und 5,5 Prozent beibehalten; denn die Teuerung in den USA erweist sich als hartnäckiger als noch zu Jahresbeginn prognostiziert. Die stark beachtete Kerninflation, in welcher die volatilen Energie- und Lebensmittelpreise nicht berücksichtigt sind, betrug im April gegenüber dem Vorjahr immer noch 3,6 Prozent und lag damit erheblich über dem Ziel von zwei Prozent. Wenige Stunden vor dem Fed-Entscheid werden die Inflationszahlen vom Mai publiziert. Diese müssten aber schon stark vom bisherigen Trend abweichen, um doch noch eine Senkung zu ermöglichen. Auch die Zahlen vom amerikanischen Arbeitsmarkt, die am Freitag veröffentlicht wurden, helfen derzeit nicht. Die Arbeitslosenquote verharrt bei tiefen 4,0 Prozent, was bestätigt, dass die US-Wirtschaft weiterhin rundläuft.

Nasdaq und S&P500 mit neuen Rekorden

Nach diesen überraschend robusten Arbeitsmarktdaten startete der US-Aktienmarkt am Freitag etwas wackelig. Vor allem Technologiewerte zollten zunächst ihrer jüngsten Rekordrally Tribut, die neben dem Boomthema Künstliche Intelligenz von der Hoffnung auf eine Zinswende getrieben war. Im Verlauf griffen die Anleger aber wieder zu. Der Nasdaq 100 erreichte mit 19.075 Punkten einen neuen Höchststand, nachdem er zunächst auf 18.958 Punkte abgesackt war. Im laufenden Jahr hat er fast 13,5 Prozent gewonnen. Auch der marktbreite S&P 500 drehte schließlich ins Plus und erreichte einen weiteren Rekord von 5.370 Punkten. Der Leitindex Dow Jones Industrial schaffte es mit einem Plus von 0,6 Prozent auf 39.105 Punkte immerhin auf einen Wochenhöchststand. Er hinkt den anderen beiden Indizes im Jahresverlauf aber mit plus 3,7 Prozent deutlich hinterher.

Nach den Jobdaten hält der Helaba-Experte Ralf Umlauf eine Zinssenkung der US-Notenbank in der kommenden Woche für nahezu ausgeschlossen. „Die Zinssenkungserwartungen werden auch für den weiteren Jahresverlauf nochmals gedämpft“, ergänzte er. Offenbar haben sich die Anleger aber bereits mit einer verspäteten Zinswende abgefunden. Im Rennen um die Krone der US-Unternehmen mit dem höchsten Marktwert haben Microsoft und Apple weiter die Nase vorn und vergrößerten ihren Abstand gegenüber dem Emporkömmling Nvidia. Nach 153 Prozent Jahresplus ging dem Chipkonzern und KI-Profiteur nach dem Vortagesrekord etwas die Luft aus. Bei einem Abschlag von 1,4 Prozent lag der Marktwert wieder etwas deutlicher unter drei Billionen US-Dollar, Apple und Microsoft liegen klar darüber. Am Mittwoch hatte Nvidia als drittes US-Unternehmen überhaupt die Dreibillionen-Marke getoppt und zwischenzeitlich auch Apple überrundet.

Dax lustlos

Zuvor war in  Frankfurt der Dax lustlos  aus dem Handel gegangen. Der Leitindex verlor 0,5 Prozent auf 18.557 Punkte und verbuchte damit einen Wochengewinn von rund 0,3 Prozent. Der MDax mit den mittelgroßen Werten schloss 0,6 Prozent tiefer bei 26.861 Zählern. Auch an den wichtigsten europäischen Börsen ging es zum Wochenschluss nach unten. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 sank um knapp 0,4 Prozent auf 5051 Punkte. Der Cac 40 in Paris und der FTSE 100 in London büßten jeweils rund 0,5 Prozent ein. 

Von der Nachrichtenseite ragten Qiagen heraus. Das Unternehmen teilte mit, dass es sein PCR-Testsystem Neumodx wegen der verhaltenen Nachfrage nach der Pandemie gestoppt habe. Diese Entscheidung dürfte sich positiv auf die Profitabilität des Dax-Konzerns im laufenden Jahr auswirken. Qiagen-Aktien stiegen um 0,5 Prozent

Nachdem die Immobilienwerte bereits nach der Zinsentscheidung der EZB unter Druck geraten waren, setzte sich die Talfahrt weiter fort. Morgan-Stanley-Analyst Bart Gysens sieht nach der Zinssenkung zunächst kaum Chancen auf weitere Kurstreiber. Er stufte Vonovia auf „Underweight“ ab und strich für LEG seine Kaufempfehlung. Vonovia verloren am Dax-Ende 7,2 Prozent, LEG rutschten im MDax um fünf Prozent ab. In der Folge ging es dort auch für Aroundtown und TAG klar abwärts. Infineon profitierten dagegen von einem positiven Analystenkommentar und stiegen an der Dax-Spitze um 3,7 Prozent. Die französische Investmentbank Exane BNP Paribas hatte ihr Kursziel für den Halbleiterkonzern auf 53 Euro erhöht und sieht damit noch mehr als 40 Prozent Kurspotenzial. 

Bei Airbus nahmen die Sorgen mit Blick auf das Auslieferungsziel zu, die Aktien sackten um 2,2 Prozent ab. Der weltgrößte Flugzeugbauer hatte im Mai nur 53 Passagierjets an seine Kunden ausgeliefert. Nach fünf Monaten hat der Dax-Konzern noch nicht einmal ein Drittel seines Jahresziels von rund 800 Maschinen erreicht. Oddo-Analyst Yan Derocles sieht dieses Ziel zwar immer noch in Reichweite, die Risiken würden aber zunehmen.

Die Aktien der DWS wurden im SDax abzüglich der ordentlichen Dividende von 2,10 Euro und einer Sonderdividende von vier Euro je Anteilsschein gehandelt. Der Kursverlust von 16 Prozent bei der Tochter der Deutschen Bank war also großteils optischer Natur.

Am Devisenmarkt fiel der Euro nach den US-Jobdaten deutlich zurück und notierte zuletzt bei 1,0804 US-Dollar. Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,59 Prozent am Vortag auf 2,64 Prozent. (wr, baha, dpa)

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