Nach der Drohnen- und Raketenattacke Irans vom vergangenen Wochenende hat Israel in der Nacht von Donnerstag auf Freitag einen Schlag gegen Iran geführt. An den Börsen gaben die Kurse am Freitag entsprechend nach.
Für viele Beobachter verwunderlich war die Tatsache, dass auch der jüngste Schlagabtausch kaum Auswirkungen auf die Erdölpreise hatte. Das erhöhte politische Risiko sei laut Marktbeobachtern bereits im Erdölpreis enthalten, der in den vergangenen Monaten stark angestiegen sei. Zugleich ist das Erdölangebot bisher nicht eingeschränkt worden. Iran exportierte in den ersten drei Monaten des Jahres so viel Erdöl wie seit sechs Jahren nicht mehr, als die USA unter der Regierung Trump die Sanktionen gegen Teheran verschärft hatten.
Die „Financial Times“ zitierte den iranischen Erdölminister, sein Land habe 2023 mehr als 35 Milliarden Dollar mit Öl eingenommen. Offensichtlich haben die Iraner über die Jahre Wege gefunden, um die Sanktionen zu umgehen. So wird Erdöl auf hoher See auf Tanker umgeladen, die keinen Einschränkungen unterliegen. Oder es wird das Routen-Kontrollgerät, das sogenannte Automatic Identification System (AIS), ausgeschaltet, das für grosse Schiffe auf internationalen Routen verpflichtend ist. Eine weitere Methode ist, solche Signale vorzutäuschen, um einen falschen Standort anzugeben. Die Exportstärke Irans hängt deshalb auch mit dem Ausbau der Tankerflotte zusammen. Die Anzahl von Schiffen stieg in den vergangenen zwei Jahren von 165 auf 253. Iran verfügt nun über doppelt so viele Supertanker, die zwei Millionen Fass Erdöl transportieren können, wie im Jahr 2021.
Technologiewerte an der Wall Street schwach
Nachdem die Verunsicherung im Morgenhandel an der Wall Street noch relativ groß gewesen war, beruhigte sich die Stimmung im Laufe des Handels. Der Leitindex Dow Jones Industrial notierte am Ende des Handels etwas höher, die Nasdaq-Börse schloss dagegen vor dem Wochenende schwach. Im Dow sorgten am Freitag starke Quartalszahlen von American Express und die anhaltende Kurs-Rally von Unitedhealth für Rückenwind. Der Dow Jones Industrial stieg um 0,6 Prozent auf 37.986 Punkte. Auf Wochensicht hat sich der Dow damit kaum bewegt. Der marktbreite Index S&P 500 gab am Freitag um 0,9 Prozent auf 4.967 Zähler nach.
Herbe Verluste gab es dagegen erneut an der von Technologieaktien dominierten Nasdaq-Börse. Hier trübte ein Kursrutsch der Netflix -Aktie die Stimmung. Der Nasdaq 100 büßte 2,05 Prozent auf 17037,65 Zähler ein und fiel auf den tiefsten Stand seit drei Monaten. Mit minus 5,4 Prozent war es die schwächste Börsenwoche des Index seit zwei Jahren. Analyst Jim Reid von der Deutschen Bank sprach von einem “starken Kurswechsel nach der rasanten Rally von November bis Ende März”.
Vor allem die Papiere der Halbleiterbranche hatte es zuletzt schwer gebeutelt. Am Freitag fielen die Aktien von Branchengrößen wie AMD , Micron und Nvidia um 4,6 bis zehn Prozent. Beim Chip-Giganten Nvidia waren damit auf einen Schlag mehr als 200 Milliarden US-Dollar Börsenwert futsch.
Kursausschläge gab es bei Aktien, deren Unternehmen Quartalsbilanzen veröffentlicht haben, allen voran Netflix: Experten attestierten dem Streaming-Anbieter unisono starke Zahlen im ersten Quartal. Dennoch sackten die Papiere um 9,1 Prozent ab . Bryan Kraft von der Deutschen Bank schrieb, Netflix habe zwar von einer großen Zahl von Neukunden, höheren durchschnittlichen Umsätzen je Kunde und niedrigeren Ausgaben profitiert. Allerdings seien die Erwartungen zuvor bereits hoch gewesen. Außerdem erachtet Kraft die Papiere als ausreichend bewertet.
An die Spitze im Dow setzten sich die Papiere von American Express mit einem Aufschlag von gut sechs Prozent. Der Finanzkonzern profitierte im ersten Quartal von der Vorliebe der Kunden für kostspielige Premium-Kreditkarten.
Papiere von Procter & Gamble holten anfängliche Verluste wieder auf und schlossen ein halbes Prozent höher. Analyst Peter Grom von der Bank UBS verwies darauf, dass das aus eigener Kraft erzielte Umsatzplus des Konsumgüterkonzerns leicht unter der Konsensprognose liege.
Aktien des Ölfelddienstleisters Schlumberger fielen um 2,1 Prozent. Anlässlich der Bilanz des ersten Quartals sprach der Chef Olivier Le Peuch von einer Schwäche auf dem nordamerikanischen Markt.
Im New Yorker Devisenhandel notierte die Gemeinschaftswährung zuletzt auf 1,0654 Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs zuvor auf 1,0653 (Donnerstag: 1,0679) US-Dollar festgesetzt. Die Kurse von US-Staatsanleihen stiegen am Freitag im späten Handel. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere fiel auf 4,62 Prozent.
Dax mit dritter Verlustwoche
Zuvor hatten die gewachsenen geopolitischen Sorgen der Anleger schon die Deutsche Börse in die Knie gehen lassen. Im Dax ging die Korrektur weiter, der Leitindex schloss 0,6 Prozent schwächer beim Stand von 17.737 Punkten. Mit minus 1,1 Prozent verzeichnete er damit seinen dritten Wochenverlust in Folge. Der MDax der mittelgroßen Werte verlor am Freitag 0,8 Prozent auf 25.990 Zähler. Von seinem Rekordhoch Anfang des Monats bei 18.567 Punkten hat der Dax mittlerweile viereinhalb Prozent eingebüßt. Zudem wurde die 50-Tage-Durchschnittslinie als Unterstützung gerissen. Diese gilt bei Charttechnikern als Maßstab für den mittelfristigen Trend.
Der Einbruch an den weltweiten Aktienmärkten könnte noch eine Weile weitergehen, schrieb Marco Valli, Volkswirt und Aktien-Experte der italienischen Bank Unicredit. Investoren rät er, sich mit neuen Aktien-Engagements zurückzuhalten, bis sich die gegenwärtig schwankungsfreudige Situation am Markt stabilisiert habe.
Unter den Einzelwerten am deutschen Markt ging es zum Wochenschluss für die Vorzugsaktien von Sartorius nach ihrem Kursrutsch am Vortag um weitere 2,6 Prozent abwärts. Der Pharma- und Laborzulieferer hatte am Donnerstag die Anleger mit schwachen Quartalszahlen enttäuscht. Die Papiere von Befesa rutschten um 5,7 Prozent ab. Die US-Bank Morgan Stanley hatte sich skeptisch zu den Anteilen des Industrie-Recyclers geäußert. Auch Chipwerte standen unter Druck. Infineon verloren 2,4 Prozent und Aixtron 4,6 Prozent.
Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,49 Prozent am Vortag auf 2,51 Prozent.
Nachlassende Zinssenkungshoffnungen und Berichtssaison belasten
Der angeschlagene Aktienmarkt dürfte es auch in der neuen Woche schwer haben. Solange die Sorgen vor einem Flächenbrand im Nahen Osten nicht schwinden, dürften die Anleger verunsichert bleiben.
Dazu kommt die Ungewissheit über die weitere Zinspolitik der Notenbanken, vor allem jene der US-amerikanischen Federal Reserve (Fed). Weil sich die US-Wirtschaft weiter robust zeigt, könnte die Inflation zumindest weiter so hoch bleiben, dass die Fed von Zinssenkungen – wie sie am Markt vor nicht allzu langer Zeit noch für Juni erwartet worden waren – zunächst absieht. Einige Marktteilnehmer stellen inzwischen die Frage, ob die Fed in diesem Jahr überhaupt noch an der Zinsschraube drehen wird, wohlgemerkt nach unten.
Aus dem Dax werden am Montag nach US-Börsenschluss der Softwarehersteller SAP berichten
, dessen Chef Christian Klein den Anlegern in Aussicht stellte, dass es dieses Jahr vor allem beim Cloudwachstum und dem bereinigten operativen Ergebnis weiter schwungvoll nach oben geht. Umbaukosten könnten aber belasten.
Nach SAP folgen am Dienstag nach dem Handelsschluss in Frankfurt die Quartalszahlen der Deutschen Börse. Am Donnerstag geht der Zahlenreigen weiter mit der Deutschen Bank, dem Chemiekonzern BASF und dem Duftstoff- und Aromenhersteller Symrise. Nach Xetra-Schluss wird der Flugzeugbauer Airbus die Bücher öffnen. Zu den Geschäftszahlen der Dax-Konzerne gesellen sich zahlreiche Berichte von Unternehmen aus dem MDax und SDax im Wochenverlauf.
In den USA stehen außerdem mit Quartalszahlen der zuletzt schwächelnde E-Fahrzeughersteller Tesla im Blick, und zwar am Dienstag. Zur Wochenmitte berichtet der Facebook-Konzern Meta und am Donnerstag der Chipkonzern Intel sowie die Google-Mutter Alphabet. Sollten die Technologiekonzerne enttäuschen, könnte es bei sich eintrübenden Zinssenkungsperspektiven im Techsektor ungemütlich werden.
Doch während Aktien korrigierten und die Rentenmärkte von Umschichtungen in “sichere Häfen” profitierten, dürfte das für Deutschland anstehende Ifo-Geschäftsklima zeigen, “dass es mit der deutschen Konjunktur allmählich aufwärts geht”, schrieb Analystin Claudia Windt von der Landesbank Hessen-Thüringen in ihrem Ausblick. Es wird am Mittwoch veröffentlicht und dürfte neben den europäischen und amerikanischen Stimmungsdaten aus dem Verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor (am Dienstag) und den Zahlen zum US-Wirtschaftswachstum für das erste Quartal (am Donnerstag) zu den Konjunkturdaten zählen, die die meiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen werden. (wr/dpa-AFX)