Börsenwoche: Rück- und Ausblick, inverse Zinsstruktur, Apple sechs Prozent im Plus

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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„Auf den ersten Blick sind es gute Nachrichten“, kommentierte die „Neue Zürcher Zeitung auf ihrer Webseite. Tatsächlich war der S&P-500-Leitindex am Freitag bei Handelseröffnung sofort in die Höhe geschossen, nachdem die Behörden am Vormittag (Ortszeit) die neuesten US-Arbeitsmarktdaten veröffentlicht hatten. 

Anlass zum Optimismus gab die Tatsache, dass amerikanische Arbeitgeber im April weniger neue Stellen geschaffen hatten als erwartet. Statt 241.000 waren es nur 175.000. Das entspricht dem schwächsten Anstieg seit sechs Monaten. Die Arbeitslosenquote stieg stärker als erwartet auf 3,9 Prozent von zuvor 3,8 Prozent. Aus Sicht der Finanzmärkte deuten diese Daten auf eine Abkühlung der amerikanischen Wirtschaft hin. Und das ist in der Logik der Börsianer im heutigen Umfeld ein positives Signal: Es wird nun wieder wahrscheinlicher, dass die Inflation nach mehreren Monaten ohne Rückgänge auf den Abwärtspfad zurückfindet. Und es könnte der Zentralbank (Fed) erlauben, die Leitzinsen in absehbarer Frist zu senken.

Noch ist es aber nicht so weit. Die Fed hält den Leitzins vorerst weiterhin bei 5,25 bis 5,5 Prozent, wie der Vorsitzende Jerome Powell am Donnerstag bekanntgegeben hatte. Vor wenigen Monaten hatten die Anleger in Mehrheit noch sechs bis sieben Zinssenkungen im laufenden Jahr erwartet. Die Teuerung der Konsumentenpreise in den USA hält sich seit einigen Monaten hartnäckig. Im März betrug sie im Vergleich zum Vorjahresmonat 3,5 Prozent. Dieser Wert liegt deutlich über den vom Fed anvisierten zwei Prozent. Senkt die Zentralbank die Zinsen in diesem Umfeld vorschnell, riskiert sie ein Wiederaufflammen der Inflation.

Bei Anlegern löst vor allem die immer noch inverse Zinsstrukturkurve Unbehagen aus: Die Zinsen von amerikanischen Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit liegen weiterhin über den Zinsen der Staatspapiere mit langer Laufzeit. Das ist ein Zustand, der nicht ewig anhalten kann. Schließlich geht ein Anleger bei einer längeren Laufzeit ein höheres Risiko ein, dass der K>reditnehmer die geschuldete Summe nicht zurückbezahlen kann. Historisch gesehen ist eine inverse Zinskurve vor allem auch ein Rezessionssignal. Tritt sie auf, kommt es sehr oft zu einem konjunkturellen Abschwung. Doch von einer Rezession ist derzeit wenig zu sehen. Die amerikanische Wirtschaft ist im ersten Quartal 2024 immer noch um annualisierte 1,6 Prozent gewachsen. Die Fed steckt derzeit politisch besonders heikel: Wenn die Zentralbank die Zinsen erst im Herbst kurz vor den Wahlen senkt, könnte das den Anschein erwecken, sie wolle Amtsinhaber Joe Biden begünstigen. Eine Nichtsenkung hingegen könnte Donald Trump helfen, zumal einige Bürger unter den höheren Kreditkosten etwa für ihre Hypotheken oder Konsumdarlehen leiden. 

Zusätzlich zu den wieder aufflackernden Zinshoffnungen halfen der Wall Street am Freitag positiv aufgenommene Quartalsberichte von Apple und Amgen. Der Dow Jones Industrial legte um 1,2 Prozent auf 38.676 Punkte zu. Auf Wochensicht bedeutet dies für den bekanntesten Wall-Street-Index ein Plus von 1,1 Prozent. Der S&P 500 gewann am Freitag 1,3 Prozent auf 5.128 Zähler , während der technologielastige Nasdaq 100 um zwei Prozent auf 17.891 Zähler nach oben zog.

Apple mit sechs Prozent-Plus

Mit großem Abstand umsatzstärkster Wert im Dow war die Apple-Aktie , die um sechs Prozent stieg. Der iPhone-Hersteller hatte am Donnerstag nach Handelsschluss etwas besser als befürchtet ausgefallene Quartalszahlen vorgelegt. Zudem erfreute der Ausblick auf das laufende Jahresviertel und die Ankündigung eines rekordhohen Aktienrückkaufprogramms. Die Aktie ist nun zurück auf dem höchsten Stand seit Ende Februar und konnte ihr bisheriges Jahresminus auf unter fünf Prozent verringern.

Bei Amgen waren es vor allem optimistische Aussagen zu einem experimentellen Medikament gegen Fettleibigkeit, die das Papier des Biotech-Unternehmens im Dow um 11,8 Prozent nach oben katapultierten. Dagegen trat der für das vergangene Quartal gemeldete Verlust in den Hintergrund.

In entgegengesetzte Richtungen ging es für die Anteilscheine der Hotelbuchungsportalanbieter Booking Holdings und Expedia . Während Booking um drei Prozent zulegten, sackten die Aktien des kleineren Unternehmens um 15,3 Prozent ab.

Beide Unternehmen schnitten mit ihren wesentlichen Kennziffern zum ersten Quartal laut JPMorgan-Analyst Doug Anmuth besser als erwartet ab. Allerdings hatte Expedia die Jahresziele gesenkt, was bei den Anlegern nicht gut ankam. Wegen einer weniger deutlich als erwarteten Erholung bei Vrbo, dem zu Expedia gehörenden Online-Marktplatz für Ferienwohnungen, kappte der Konzern seine Erwartungen an das Umsatzwachstum und die Profitabilität.

In den Blick rückten im Handelsverlauf zudem die Aktien von Paramount Global , die um sieben Prozent nachgaben. Die Vortagesgewinne aufgrund von Übernahmespekulationen wurden damit weitgehend wieder zunichtegemacht. Laut dem Branchenblatt “Variety” rechnet man bei Paramount nicht mit dem Erfolg eines der beiden vorliegenden Gebote. Das Unternehmen selbst lehnte dem Bericht zufolge einen Kommentar ab. Zudem hieß es, es seien keine endgültigen Entscheidungen über die nächsten Schritte getroffen worden.

Der Euro wurde zuletzt mit 1,0766 Dollar gehandelt. Am US-Rentenmarkt fiel die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen auf 4,5 Prozent.

Zuvor hatte der Dax bereits Kursgewinne verzeichnen können, die allerdings an einem schlechten Wochenergebnis nicht mehr viel ändern konnten. Der Dax hielt sich am Schluss mit 18.002 Zählern knapp über der zuletzt umkämpften Marke von 18.000 Punkten. Trotz des Anstiegs um 0,6 Prozent hat der deutsche Leitindex auf Wochensicht 0,9 Prozent verloren. Der MDax legte am Freitag um 0,2 Prozent auf 26.301 Punkte zu.

Optimistischere Ziele für das Gesamtjahr trieben die Aktien von Henkel auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Mit plus 7,2 Prozent lagen sie an der Dax-Spitze. Im Konsumentengeschäft sei es im ersten Quartal besser gelaufen als gedacht, schrieb RBC-Experte James Edwardes Jones. Dass der Vorstand neben dem Umsatz- auch das Margenziel angehoben habe, sei zu diesem Zeitpunkt bemerkenswert.

Die nach ihren Rekordständen Anfang April zuletzt gefallenen Rüstungswerte wie Rheinmetall , Hensoldt und Renk profitierten am Freitag mit Anstiegen zwischen 4,7 und 7,7 Prozent davon, dass die Privatbank Hauck & Aufhäuser die Aktien allesamt zum Kauf empfahl. „Das Bedürfnis, sich zu verteidigen, hat die Geschichte überdauert und wird auch in Zukunft lebenswichtig sein“, schrieben die Analysten.

Am Dax-Ende sackten die Papiere von Daimler Truck um fast vier Prozent ab. Der Nutzfahrzeughersteller sei stark ins Jahr gestartet, lobten Analysten. Aussagen zur schwierigen Entwicklung in Europa verstimmten aber die Anleger.

Im MDax gab es zwei sehr negative Ausreißer: Der Autovermieter Sixt erschreckte seine Anleger mit gekappten Jahreszielen, die einen Kursrutsch um 12,7 Prozent zur Folge hatten. Nur wenig besser erging es Aurubis mit minus elf Prozent, nachdem der UBS-Analyst Daniel Major mit einem Verkaufsvotum eine Kehrtwende in seiner Bewertung vornahm.

Am Rentenmarkt sank die Umlaufrendite von 2,59 Prozent am Vortag auf 2,58 Prozent. 

Nach dem jüngsten Pendeln um die Marke von 18 000 Punkten warten die Anleger beim Dax auf eine Entscheidung. In der Frühphase des vermeintlich schwierigen Börsenmonats Mai müssten die oberen oder unteren Grenzen der vergangenen Tage endlich fallen, um in der Himmelfahrts-Woche aus dem jüngsten Rahmen auszubrechen, hieß es am Freitag von Marktbeobachtern.

Die Befürchtungen weiterer Zinsanhebungen durch die US-Notenbank Fed scheinen zwar vom Tisch, doch laut der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) schwanken die Anleger an den Finanzmärkten wegen der unsicheren Inflationsaussichten weiter zwischen Sorge und Zuversicht. Am Freitag hatte der schwach ausgefallene US-Jobbericht jedoch Signale gesendet, die doch wieder auf baldige Zinssenkungen hoffen lassen. Am Markt hieß es, bei Börsianern wandere die Erwartung für eine erste Lockerung durch die Fed von November auf September.

Dax kämpft nächste Woche um 18.000 Punkte

Sollte der Dax in den kommenden Tagen die psychologisch wichtigen 18.000 Punkte nachhaltig hinter sich lassen, wäre der Weg zum bisherigen Rekordhoch von 18.567 Punkten nicht mehr weit. Fast drei Prozent müsste der Leitindex aktuell noch gewinnen – eine Zahl, die im Vergleich mit der Performance in den vergangenen Wochen jedoch unwahrscheinlich wirkt. Dies wäre das größte Wochenplus seit November, als die Börsenrally gerade erst in Gang gekommen war.

Geht es nach den Charttechnikern der britischen Bank HSBC, steuert der Dax „aktuell auf eine kurzfristige Entscheidungssituation zu, sodass das Investmentmotto derzeit ‘Make or Break’ lautet“. Damit halten sie eine Entscheidung für möglich, in welche Richtung es geht: Der Spielraum nach unten sei bis 17.800 Punkte limitiert. Ein Spurt über die jüngsten beiden Hochpunkte von 18.226 und 18.236 Punkten würde dagegen die zuletzt schwache Kursentwicklung vergessen machen, hieß es in ihrem Kommentar.

Die Helaba-Ökonomin Claudia Windt blickt dagegen nicht gerade viel erwartend auf die kommenden Tage: „In der Berichtswoche dürften sich die Anleger weiterhin bedeckt halten, zumal keine wichtigen Inflationsnachrichten anstehen“. Die am Dienstag und Mittwoch anstehenden Daten zu den Auftragseingängen sowie zur Produktion sollten ihrer Meinung nach zeigen, ob sich eine Konjunkturwende in der deutschen Industrie anbahnt.

Geldpolitisch liegt der Fokus wohl am Donnerstag auf der Bank of England, von der sich Experten noch keine Zinssenkung versprechen. Die Fachleute der ING rechnen auch nicht damit, dass die britische Notenbank ihre Prognosen für die Zukunft neu formuliert. “Damit würden sie eine Zinssenkung im Juni billigen”, schrieb ein Team um den Ökonomen James Smith. Dafür sei aber die inflationäre Tendenz noch zu ungewiss, betonte er. Smith wiederholte seine These einer ersten Zinssenkung im August.

Ein wichtiger Impulslieferant könnte die Berichtssaison bleiben. Laut Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater verläuft sie besser als in den vergangenen beiden Jahren. In den USA gebe es positive Gewinnüberraschungen in einem Größenrahmen von gut neun Prozent und in Europa fielen diese mit knapp 20 Prozent sogar noch deutlicher aus.

Vor diesem Hintergrund dürften Anleger in den kommenden Tagen die Zahlen und Aussagen vieler weiterer Dax-Konzerne genau unter die Lupe nehmen. Vor allem konzentriert sich das Geschehen auf den Dienstag mit Berichten von Siemens Healthineers , DHL Group, Heidelberg Materials, Zalando und Infineon. Am Mittwoch ist die Agenda mit Fresenius, Siemens Energy, BMW und Munich Re ähnlich prominent bestückt.

Ab Donnerstag, wenn in Deutschland Christi Himmelfahrt gefeiert wird, klingt die Berichtssaison dann ab – und genauso vielleicht auch das Volumen. Denn hierzulande könnten viele Anleger den Feiertag für ein verlängertes Wochenende nutzen, auch wenn die Börse in Frankfurt durchweg geöffnet ist. (wr, dpa-AFX)

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