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Börsenwoche: Bundesbank mit Rekordverlust. Märkte weiter in Rekordlaune. Anleger ignorieren wirtschaftliche Realitäten

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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Joachim Nagel hatte schon schönere Tage. Am Freitag musste der Präsident der Deutschen Bundesbank bei der Jahrespressekonferenz mitteilen, dass die deutschen Währungshüter im vergangenen Jahr das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erwirtschaftet haben.

Um den Fehlbetrag von 21,6 Milliarden Euro auszugleichen, sind die Rückstellungen und Rücklagen praktisch aufgebraucht worden. Die verbliebenen Rückstellungen dienen künftigen Verpflichtungen gegenüber der Belegschaft und dürfen daher nicht angerührt werden. Knapp 700 Millionen Euro freie Rücklagen dürften nicht ausreichen, um die absehbaren Verluste der kommenden Jahre auszugleichen. So wird die Bundesbank ab dem laufenden Jahr Verluste ausweisen. Nagel erklärte, dass er für „sicherlich einige Jahre“ mit weiteren Fehlbeträgen rechne, die sich voraussichtlich zu einem mittleren zweistelligen Milliardenbetrag addieren würden. 

Der Finanzminister und damit die Steuerzahler bekommen nun die Rechnung für die ultraexpansive Geldpolitik der vergangenen Jahre. Auf absehbare Zeit wird es keine Gewinne der Notenbank mehr geben – und damit auch keine Ausschüttungen in den Bundeshaushalt. Zuletzt hatte die Bundesbank 2019 knapp sechs Milliarden Euro nach Berlin überwiesen. Jahrelang hatten Bundesbank und Europäischer Zentralbank (EZB) Staatsschuldverschreibungen gekauft und so die Staaten (indirekt) finanziert. Derzeit haben EZB und die nationalen Notenbanken Papiere für rund 4,7 Billionen Euro auf den Büchern. Davon entfallen allein auf die Bundesbank 1.000 Milliarden. Diese Wertpapiere wurden überwiegend in der Niedrigstzinsphase ausgegeben und bringen praktisch keinen Ertrag ein. Seit die EZB zur Bekämpfung der Inflation die Zinsen erhöhte, müssen EZB und Bundesbank die Einlagen von Geschäftsbanken auf ihren Konten höher verzinsen. Einerseits sind die Zinserträge aus alten, langlaufenden Wertpapieren also niedrig, anderseits sind die aktuellen Zinsaufwendungen hoch. Unterm Strich machte die Bundesbank allein im Zinsgeschäft des vergangenen Jahres 14 Milliarden Euro Verlust. Gleichwohl kann die Bilanz der Bundesbank als solide gelten. Die enormen Goldbestände der Bundesbank sind in der Bilanz gegenüber aktuellen Marktwerten knapp 200 Milliarden niedriger bewertet. Die Bundesbank hat also eine Menge stiller Reserven. 

Gold wird nicht verkauft

Auf die Frage, ob es sinnvoll sei, Gold zu verkaufen, um Löcher zu stopfen, sagte Nagel, er habe “keine Nanosekunde darüber nachgedacht”. Die Goldreserven seien ein “großer Vertrauensanker”. Dass die Bundesbank eines Tages restlos abgewirtschaftet sein könnte und der Bundeshaushalt einspringen müsste, schloss Nagel aus: “Ich sehe die Rekapitalisierungs-Diskussion nicht, auch nicht in meinen dunkelsten Träumen.” Nagel betonte mehrfach, dass es nicht Zweck einer Notenbank sei, Gewinne zu erwirtschaften, sondern Geld- und Währungspolitik zu betreiben. Gewinne sind sozusagen nur ein erfreulicher Nebeneffekt. Im Unterschied zu Privatunternehmen bleiben Notenbanken zahlungsfähig, wenn sie überschuldet wären. Das liet daran, dass sie letztlich das Geld selbst herstellen kann.

Dennoch seien die hohen Verluste ein Risiko für die Reputation und das Vertrauen der Bürger in die Zentralbanken, kommentiert die „Neue Zürcher Zeitung“: „Daraus lässt sich eine Lehre ziehen: Wertpapierkäufe gehören nicht in den normalen Werkzeugkasten einer Notenbank. Sie sollten nur in absoluten Ausnahmefällen eine Option für die Geldpolitik sein.“

Börsen lassen sich von Zahlen nicht beeindrucken

Die Börsen lassen sich derzeit von solchen Zahlen und Fakten überhaupt nicht beeindrucken. Und so setzten die US-Aktienmärkte ihre Vortages-Rally auch am Freitag fort. Dank der aktuellen Euphorie rund um das Thema Künstliche Intelligenz erklommen die wichtigsten Indizes weitere Rekordhöhen. Ausgelöst hatte die Begeisterung tags zuvor der Halbleiterkonzern Nvidia mit seinem enormen Wachstum. Am Freitag erreichte der Grafikkarten- und Prozessor-Anbieter als erstes Halbleiterunternehmen eine Bewertung von über zwei Billionen US-Dollar. Zum Handelsschluss lag er allerdings wieder unter dieser Marke.

Der Dow Jones Industrial stieg im frühen Geschäft auf ein Rekordhoch von 39.282 Punkten. Kurz darauf bröckelte das weltweit populärste Börsenbarometer aber wieder ab, bewegte sich im weiteren Handelsverlauf kaum noch und schloss 0,2 Prozent höher bei 39.132 Zählern. Daraus resultierte für den US-Leitindex ein Wochengewinn von rund 1,3 Prozent.

Auch der S&P 500 erreichte ein Rekordhoch und gewann letztlich wenige Prozentbruchteile auf 5.089 Punkte. Der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 kletterte anfangs ebenfalls auf einen Höchststand, drehte aber aufgrund von Gewinnmitnahmen ins Minus und sank am Ende um 0,4 Prozent auf 17.938 Zähler. Am Vortag hatte der Nasdaq 100 um mehr als drei Prozent zugelegt.

Nvidia mehr als zwei Billionen Dollar wert

Die Nvidia-Papiere knüpften zunächst an ihren jüngsten Rekordlauf an und stiegen um weitere knapp fünf Prozent auf ein Rekordhoch bei 823,94 Dollar. Damit knackten sie als viertes Unternehmen weltweit die Marke von zwei Billionen US-Dollar Börsenwert. Kurz darauf bröckelten sie indes ab und notierten zum Schluss nur noch 0,4 Prozent höher bei 788,17 Dollar. Am Donnerstag waren die Aktien nach starken Geschäftszahlen des Chip-Konzerns um rund 16 Prozent nach oben geschnellt.

Um gut 15 Prozent nach oben ging es für die Titel von Intuitive Machines. Der Lander “Nova-C” des Unternehmens hatte in der Nacht zu Freitag in der südlichen Region des Mondes aufgesetzt. Damit ist erstmals in der Geschichte der Raumfahrt einer kommerziellen Mission die Landung auf dem Erdtrabanten geglückt.

Die Gebrauchtwagenplattform Carvana überzeugte die Anleger mit ihren Gewinnkennziffern. Hier sprangen die Anteilscheine um 32 Prozent hoch.

Der Zahlungsdienstleister Block Inc (früher Square) erhöhte sein Ergebnisziel für das laufende Geschäftsjahr. Dies bescherte den Aktien ein Plus von gut 16 Prozent.

Dagegen sackten die Anteilscheine von Booking Holdings nach der Vorlage von Geschäftszahlen um 10,2 Prozent ab. Das Online-Reisebüro verspürt aktuell Gegenwind durch den Nahostkonflikt.

Der Euro wurde zum Börsenschluss an der Wall Street mit 1,0822 Dollar gehandelt. Am Rentenmarkt sank die Rendite der zehnjährigen Staatspapiere auf 4,25 Prozent. 

Dax mit neuem Rekord

In Frankfurt hatte zuvor der Dax zum Ausklang einer starken Börsenwoche ein weiteres Hoch erklommen. Nach einer zunächst gemächlichen ersten Handelshälfte sorgten ab dem Nachmittag abermals rekordhohe US-Börsen für neuen Schub auch hierzulande. Mit einer Bestmarke von 17.443 Zählern kletterte der deutsche Leitindex wenige Punkte über das erst am Vortag erreichte Niveau, zum Handelsschluss betrug das Plus noch 0,3 Prozent (17.419 Punkte). Damit beläuft sich die Wochenbilanz im Leitindex auf knapp 1,8 Prozent – der höchste Gewinn seit Ende Januar.

Konstantin Oldenburger vom CMC Markets rechnet mit einer Fortsetzung der Gewinnstrecke: “Der Dax nimmt Kurs auf sein nächstes Zwischenziel, die 17 500er Marke. Er nutzt wie aus dem charttechnischen Lehrbuch damit das Fundament, das er in einer wochenlangen Konsolidierung um die 17 000 Punkte gebaut hat, als Sprungbrett für die nächste Schallmauer mit der Zahl 18 vor dem Tausenderpunkt.” Der Experte warnte aber auch vor der großen Diskrepanz “zwischen der wirtschaftlichen Realität in Deutschland” und einem Aktienmarkt auf Rekordniveau. 

Am Freitag waren es besonders die Berichte der Dax-Schwergewichte Allianz, BASF und Deutsche Telekom, die Aufmerksamkeit auf sich zogen – alle drei Werte gaben nach. Dem standen erneut Kursgewinne vor allem im Autosektor gegenüber – mit bis zu 1,9 Prozent für die Porsche AG. Spitzenreiter im Leitindex war Rheinmetall mit einem Plus von gut 2,1 Prozent. Hier ging der Rekordlauf weiter.

Allianz verloren nach der Vorlage der Zahlen mehr als drei Prozent. Händler erklärten dies mit Gewinnmitnahmen nach dem seit Monaten starken Lauf. Über 250 Euro war der Kurs des Versicherers zuletzt auf einem Hoch seit mehr als 20 Jahren angekommen. BASF sanken um rund ein halbes Prozent. Der Ausblick des Chemiekonzerns auf den Finanzmittelzufluss enttäusche und setze ein Fragezeichen hinter die Höhe der Dividende, sagte ein Börsianer. Auch die Deutsche Telekom konnte die Anleger mit ihrem Zahlenwerk nicht überzeugen, der Kurs gab um knapp ein Prozent nach.

Im MDax machten auch die Hensoldt-Anleger nach der Bilanzvorlage des Herstellers von Rüstungselektronik erst einmal Kasse. Analysten zeigten sich vor allem vom Ausblick enttäuscht, von dem sie sich mehr erhofft hatten. Die Aktien verabschiedeten sich mit einem Minus vom 7,1 Prozent ins Wochenende. Damit ist inzwischen ein großer Teil der Kursrally seit Ende Januar wieder dahin. Auch Krones verloren stark und gaben fünf Prozent nach. 

Abseits der großen Indizes verteuerten sich die Aktien des Hanfverarbeiters Synbiotic um rund ein Fünftel. Auslöser war die Entscheidung im Bundestag, er beschloss am Freitag die begrenzte Legalisierung von Cannabis in Deutschland.

Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,48 Prozent am Vortag auf 2,51 Prozent. 

In der neuen Börsenwoche könnte die Rekordlaune der Anleger anhalten. Während die Höhepunkte der Berichtssaison praktisch vorbei sind, hält die Agenda für die letzten Februar-Tage vor allem Neuigkeiten zum Inflationsgeschehen bereit: In Deutschland stehen am Donnerstag die vorläufigen Daten zur Entwicklung der Verbraucherpreise im Februar an. Außerdem werden Inflationssignale aus den USA veröffentlicht, die sich an den privaten Konsumausgaben orientieren. Diese sind eine für die Notenbank Fed besonders wichtige Kennziffer. Der Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater rechnet in der Kernrate, vor allem bei den US-Dienstleistungspreisen, mit einem kräftigen Anstieg gegenüber dem Vormonat. (dpa/wr)

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