Gibt es in der EU-Kommission von Ursula von der Leyen Vetternwirtschaft? Eine Mehrheit im EU-Parlament hegt diesen Verdacht. Ein deutscher Politiker zieht nun frustriert Konsequenzen.
Der CDU-Politiker Markus Pieper verzichtet nach heftiger Kritik an seiner Ernennung zum Beauftragten der EU-Kommission für kleine und mittelgroße Unternehmen auf das prominente Amt. Das teilte die Behörde unter der Leitung von Ursula von der Leyen in Brüssel mit.
«Die Präsidentin respektiert und bedauert die Entscheidung von Markus Pieper, sein Amt als KMU-Beauftragter nicht wie geplant am 16. April anzutreten», erklärte ein Sprecher von der Leyens. Den Angaben zufolge soll es für den Tobjob mit einem Monatsgrundgehalt von mehr als 18.000 Euro nun eine Neuauflage des Auswahlverfahrens geben – allerdings erst nach der Europawahl im Juni.
Pieper wirft Kritikern schlechten Stil vor
Das Europaparlament hatte die EU-Kommission zuvor wegen des Verdachts der Günstlingswirtschaft aufgefordert, die Ernennung Piepers rückgängig zu machen. Ein von Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen verfasster Antrag dazu wurde am Donnerstag im Plenum mit großer Mehrheit angenommen. Kritik hatte es zuvor auch schon von EU-Kommissaren aus dem Lager der Sozialdemokraten und Liberalen gegeben – insbesondere von Thierry Breton, dem für den Binnenmarkt zuständigen Ressortchef.
Vor allem den Protest des Franzosen nannte Pieper nun als Begründung für seinen Rückzieher. «So, wie Breton meinen Amtsantritt schon im Vorfeld innerhalb der Kommission boykottiert, sehe ich zurzeit keine Möglichkeit, die mit dem Amt verbundenen berechtigten Erwartungen zu erfüllen», sagte er dem «Handelsblatt». Dass ausgerechnet der für Mittelstand und Bürokratieabbau verantwortliche Kommissar das Verfahren infrage stelle, sei «schlechter Stil und ausschließlich parteipolitisch motiviert».
Vorwurf der Vetternwirtschaft
Die Europaabgeordneten hatten als Grund für ihren Antrag Zweifel angeführt, ob bei der Ernennung Piepers «die Grundsätze der Leistung, der Ausgewogenheit der Geschlechter und der geografischen Ausgewogenheit» berücksichtigt wurden. Indirekt wurde der Kommissionspräsidentin vorgeworfen, mit Pieper gezielt einen Parteifreund ausgewählt zu haben. Mit dem Antrag wurde die Kommission auch aufgefordert, «ein wirklich transparentes und offenes Verfahren» für die Auswahl des Beauftragten einzuleiten.
Hintergrund der Vorwürfe ist unter anderem, dass in der Anfangsphase des Bewerbungsverfahrens zwei Bewerberinnen aus Schweden und Tschechien besser bewertet worden waren als der 60 Jahre alte Pieper. Der aus dem Münsterland stammende CDU-Politiker und langjährige Europaabgeordnete setzte sich demnach erst in den Auswahlgesprächen durch.
Kampagne vor allem gegen von der Leyen?
Der Sprecher von der Leyens betonte am Montagabend erneut, dass Pieper ein ausgewiesener Experte für KMU sei, der sich in einem mehrstufigen Auswahlverfahren durchgesetzt habe. Zudem kritisierte er indirekt den Antrag des Europaparlaments, indem er betonte, die Entscheidungsfreiheit aller EU-Institutionen bei der Auswahl der eigenen herausgehobenen Managementpositionen müsse respektiert werden.
Die Kommission hatte noch in der vergangenen Woche betont, dass es keine Pläne gebe, die Personalentscheidung rückgängig zu machen. Ihren Angaben zufolge wurden bei dem Auswahlverfahren alle Regeln eingehalten. Parteifreunde Piepers sehen hinter der Kritik eine politische Kampagne gegen von der Leyen, die nach der Europawahl im Juni erneut zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt werden will. Dafür spreche auch, dass EU-Kommissare aus Reihen der nun kritischen Parteifamilien Einspruchsmöglichkeiten im behördeninternen Verfahren nicht wahrgenommen hätten, heißt es.
Verbände hatten Ernennung Piepers begrüßt
Fraglich bleibt, wie die Wirtschaft auf die Neuvergabe des Postens und Piepers noch zu benennenden Ersatz reagieren wird. Verbände hatten die Ernennung des CDU-Politikers zuletzt gefeiert. «Markus Pieper spricht sich seit Jahren für den dringend notwendigen Bürokratieabbau aus und kennt die deutsche KMU-Landschaft mit ihren vielen Stadtwerken und kommunalen Unternehmen», kommentierte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hatte Anfang Februar geschrieben, es sei eine «gute Nachricht», dass nun explizit ein KMU-Beauftragter der EU-Kommission benannt sei. Man setze darauf, dass sich Pieper als «erfahrener Mittelstandspolitiker» schnell Herausforderungen wie dem Bürokratieabbau annehmen werde. (dpa/aig)